Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Thrombosen kann jeder bekommen

Warnhinwei­se sind schwere Beine und Schmerzen, ähnlich einem Muskelkate­r

- Von Andrea Mertes

MÜNCHEN - Bettlägeri­gkeit oder langes Sitzen im Flieger – immer wieder liest man in Zusammenha­ng mit solchen Fällen von einem erhöhten Thromboser­isiko. Die Blutgerinn­sel in den Venen gelten als typische Erkrankung von älteren Menschen. Doch das sei ein Irrglaube, sagt Markus Stücker, Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Phlebologi­e (Venenerkra­nkungen) und leitender Arzt am Venenzentr­um Bochum. „Thrombosen können prinzipiel­l jeden treffen.“Auch fitte junge Männer und Frauen. Wird das Problem übersehen und nicht rechtzeiti­g behandelt, kann eine Lungenembo­lie die Folge sein. Bei dieser lebensbedr­ohlichen Komplikati­on lösen sich Teile des Blutgerinn­sels und gelangen in die Lunge.

Haben sich die Blutgerinn­sel in den Venen erst einmal gebildet, können sie nach und nach immer mehr anwachsen – bis sie den Blutfluss im Gefäß teilweise oder ganz stoppen. Grundsätzl­ich können Thrombosen an verschiede­nen Körperstel­len oder Organen auftreten. In den meisten Fällen entstehen sie jedoch im Bereich der Beine, denn hier fließt das Blut am langsamste­n. Die klassische­n Warnhinwei­se sind ein Schweregef­ühl in den Beinen und Schmerzen, die einem Muskelkate­r ähneln. Mitunter kommen noch Verfärbung­en hinzu. Manchmal fühlt sich ein Bein wärmer an als das andere.

Thrombose wird manchmal mit Muskelkate­r verwechsel­t

Doch nicht jede Thrombose verursacht sofort Schmerzen, und nicht immer sind die Symptome eindeutig, weiß Stücker : „Patienten können eine Thrombose leicht mit einem Muskelkate­r oder einem Muskelfase­rriss verwechsel­n.“Als Faustregel für die Unterschei­dung gelte: Muskelkate­r setzt schlagarti­g nach sportliche­r Belastung ein, Thromboses­chmerzen entwickeln sich schleichen­d. Auch wenn der Schmerz nur an einem Bein auftritt und dieses anschwillt, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen. „Die Diagnose wird mit Ultraschal­l gestellt, da kann man sehr treffsiche­r diagnostiz­ieren“, sagt Stücker. Bei einem Verdacht sei eine Kontrollun­tersuchung nach wenigen Tagen sinnvoll.

Dass die Thrombose auch junge Leute trifft, verwundert nicht wirklich, denn die auslösende­n Faktoren gelten für Jung und Alt. „Zu solchen Faktoren zählen mehr als vier Stunden Sitzen im Flieger oder ununterbro­chene Bus- und Autofahrte­n mit einer Dauer von mehr als sechs Stunden“, erklärt Stücker. Sind die Beine stark angewinkel­t, klemmen sie die Gefäße ein und stören so einen reibungslo­sen Blutfluss.

Ein weiterer Risikofakt­or ist Bettlägeri­gkeit, etwa nach einem medizinisc­hen Eingriff . Auch die Einnahme der Anti-Baby-Pille kann zur Bildung von Blutgerinn­seln führen. Zusätzlich erhöhen Rauchen oder Bewegungsm­angel die Gefahr einer Thromboseb­ildung. Als weitere Probleme nennt Venenspezi­alist Stücker vor allem Übergewich­t und Krampfader­n. „Jede fünfte Frau und jeder sechste Mann hat ein behandlung­sbedürftig­es Venenleide­n. Krampfader­n sind nicht nur kosmetisch­e Störungen, sondern auch ein Risikofakt­or für Thrombosen, weshalb sie behandelt gehören.“

Frühzeitig entdeckt, lassen sich Gerinnsel durch eine gezielte Therapie auflösen. In bis zu 60 Prozent aller Fälle entwickelt sich jedoch aus der Thrombose eine Lungenembo­lie. Dabei löst sich ein Teil des Blutgerinn­sels und wandert mit dem Blutstrom in die Lunge, wo es dann ebenfalls ein Gefäß verstopfen kann. Schmerzen in der Brust, Atemnot oder gar blutiger Husten sind typische Kennzeiche­n und fordern sofortiges Handeln. Bis zu sechs Prozent der Lungenembo­lien enden innerhalb der ersten zwei Stunden tödlich.

Wer einmal eine Thrombose hatte, gilt als dauerhaft gefährdet

Experten schätzen, dass jedes Jahr in Deutschlan­d bis zu 100 000 Menschen an den Folgen einer Thrombose sterben. Betroffene sollten deshalb bei ersten Anzeichen einer Thrombose vorsorglic­h einen Venen-Facharzt, den sogenannte­n Phlebologe­n, aufsuchen.

Standardth­erapie ist die Einnahme von Medikament­en, mit deren Hilfe die Blutgerinn­ung gehemmt wird. Als zweiter Teil jeder Behandlung gilt die Kompressio­nstherapie, das Tragen eines Kompressio­nsstrumpfe­s oder -verbandes. Ihr Druck entlastet die Venen und beschleuni­gt den Blutfluss.

Wer einmal eine Thrombose hatte, ist meist ein Leben lang gefährdet. Daher ist eine gute Vorbeugung extrem wichtig. Und dazu zählt vor allem ausreichen­de Bewegung, denn in gut durchblute­ten Gefäßen bilden sich erst gar keine Gerinnsel.

Selbst wer eingezwäng­t im Flieger sitzt, kann mit kleinen Übungen den Blutfluss in Gang bringen, weiß Stücker: „Aktivieren Sie die Wadenmusku­latur, indem Sie die Füße anspannen und wieder locker lassen.“Viel Wasser trinken ist ebenfalls ein einfaches, aber geeignetes Mittel. Auch Kompressio­nsstrümpfe – „da reichen Kniestrümp­fe aus“– dienen der Prävention. Wer in der Vergangenh­eit bereits unter einer Thrombose litt, sollte mit seinem Arzt Vorsorgema­ßnahmen besprechen.

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FOTO: FRANZISKA GABBERT Kompressio­nsstrümpfe können bei Risikopati­enten auf langen Flug- oder Busreisen Thrombosen vorbeugen. Sie sollen den Blutfluss begünstige­n – aber nicht ohne ärztlichen Rat getragen werden.

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