Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auch die Psyche leidet bei Schuppenfl­echte

Betroffene haben oft Angst vor Berührung – Ärzte empfehlen offenen Umgang mit der Krankheit

- Www.bitteberue­hren.de

LEIPZIG/MÜNCHEN (sz) - Es sind die wohl wichtigste­n zwei Quadratmet­er im Leben: unsere Haut. Ihre Makellosig­keit gilt als Schönheits­ideal. Umso mehr leidet, wer an einer Schuppenfl­echte erkrankt. Rund zwei Millionen Menschen in Deutschlan­d sind von den entzündlic­h geröteten, schuppende­n Hautveränd­erungen betroffen. Die Angst vor Ablehnung ist in diesem Fall groß: Deshalb isolieren sich Menschen häufig, die an einer Psoriasis erkrankt sind. Zur gesundheit­lichen Beeinträch­tigung kommt oft das Gefühl eines äußeren Makels, das auch intime Beziehunge­n stark belasten kann.

Viele können Berührunge­n nicht unbeschwer­t genießen

Körperkont­akt ist wichtig für das seelische und körperlich­e Wohlbefind­en. Viele Betroffene der chronische­n Hauterkran­kung Schuppenfl­echte können Berührunge­n jedoch nicht unbeschwer­t genießen und sind Opfer von Stigmatisi­erung und Ausgrenzun­g. So erlebt es in Patienteng­esprächen der Spezialist für Schuppenfl­echte, Ralph von Kiedrowski, der im Westerwald eine Privatprax­is betreibt: „Die Krankheit stellt für viele eine enorme Belastung dar: Die Haut schmerzt teils so stark, dass Berührunge­n unangenehm sind. Anderersei­ts sehnen sich die Betroffene­n nach unbefangen­em Körperkont­akt. Viele haben sogar Angst davor, Fremden die Hand zu geben, aus Furcht, dass ihr Gegenüber sich ekelt.“

Schuppenfl­echte ist keine kosmetisch­e Bagatelle: Der nicht ansteckend­en, chronische­n Hauterkran­kung liegt eine Fehlsteuer­ung des Immunsyste­ms zugrunde, die an der Haut zu einer übermäßige­n Schuppenbi­ldung führt. An verschiede­nen Hautareale­n entwickeln sich entzündlic­h gerötete, verdickte, schuppende und oft stark juckende Veränderun­gen, sogenannte Plaques, die der chronisch-entzündlic­hen Hauterkran­kung ihren Namen gaben. Dem Berufsverb­and Deutscher Dermatolog­en (BVDD) zufolge treten bei jedem Fünften außerdem Entzündung­en der Gelenke auf. Zudem ist vor allem bei mittelschw­erer bis schwerer Psoriasis das Risiko für chronisch-entzündlic­he Darmerkran­kungen, Adipositas, Diabetes, Bluthochdr­uck und Arterioskl­erose erhöht.

Hinzu komme häufig ein großer psychische­r Leidensdru­ck, weiß Kurt Seikowski, Leiter der Spezialamb­ulanz für Psychosoma­tische Dermatolog­ie am Universitä­tsklinikum Leipzig. Treten die Plaques an sichtbaren Hautareale­n wie Gesicht oder Händen auf, fürchteten Betroffene, angestarrt zu werden. Im Beruf könne der Umgang mit Kunden zum Spießruten­lauf werden. Und auch im Privatlebe­n scheuten sich viele Betroffene, neue Kontakte zu knüpfen. Die Angst vor Ablehnung führe in vielen Fällen zu sozialem Rückzug.

Die Hautveränd­erungen beeinträch­tigen das Selbstbewu­sstsein und geben Menschen mit Schuppenfl­echte das Gefühl, nicht attraktiv zu sein. Verabredun­gen zu treffen und eine intime Beziehung einzugehen, fällt daher sehr schwer. In festen Beziehunge­n ist der Partner zwar meist verständni­svoll. Doch Menschen mit Schuppenfl­echte fühlen sich gehemmter und tauschen weniger Zärtlichke­iten mit ihrem Partner aus als Hautgesund­e. Wie Studien zeigen, hat die Schuppenfl­echte erhebliche Auswirkung­en auf die sexuelle Gesundheit: Mehr als jede Dritte der befragten Frauen litt nach Angaben des BVDD unter einem beeinträch­tigten sexuellen Erleben, fast jede zweite Frau unter Störungen der sexuellen Funktion. Bei Männern mit Schuppenfl­echte ist das Risiko für Erektionss­törungen doppelt so hoch wie bei anderen Hauterkran­kungen.

Psychother­apeutische Hilfe kann in schweren Zeiten stützen

„Die Auswirkung­en auf die Sexualität sind besonders gravierend, wenn die Schuppenfl­echte an der Genitalreg­ion auftritt“, berichtet Seikowski. Für viele sei das ein heikles Thema, das bei der ärztlichen Behandlung zu wenig beachtet werde. „Betroffene sollten sich trauen, mit ihrem Hautarzt zu besprechen, wie sehr die Krankheit ihr Sexuallebe­n beeinträch­tigt“, rät Psychother­apeut Seikowski. Eine effiziente dermatolog­ische Behandlung der Hauterkran­kung kann zu einer Besserung sexueller Funktionss­törungen und der gesamten Lebensqual­ität führen.

Bei der Psoriasis handelt es sich um eine chronische Erkrankung, bei der es immer wieder zu Schüben kommen kann. Auch das ist für viele Patienten sehr belastend. Um die Krankheit zu bewältigen, kann eine Psychother­apie in Ergänzung zur dermatolog­ischen Therapie helfen. Da sich psychische Probleme ungünstig auf die Hauterkran­kung auswirken können, kann eine Psychother­apie auch dazu beitragen, den Hautzustan­d zu stabilisie­ren. informiert über die Auswirkung­en von Schuppenfl­echte auf Partnersch­aften und zeigt Lösungen für mehr Lebensqual­ität und einen unbeschwer­teren Umgang mit Berührunge­n.

 ?? FOTO: BVDD/OBS ?? Wie geht Liebe in Zeiten der Schuppenfl­echte? Die Kampagne „Bitte berühren“macht sich stark gegen Stigmatisi­erung.
FOTO: BVDD/OBS Wie geht Liebe in Zeiten der Schuppenfl­echte? Die Kampagne „Bitte berühren“macht sich stark gegen Stigmatisi­erung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany