Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ehrhoffs letzter Gang

Nach dem Play-off-Aus seiner Kölner Haie beendet der Nationalve­rteidiger seine Silber-gekrönte Eishockeyk­arriere

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KÖLN/KREFELD (SID/dpa/sz) - Er war der teuerste Eishockeyv­erteidiger der Welt, stand in Kanada im Finale um den legendären Stanley Cup – doch unsterblic­h gemacht hat sich Christian Ehrhoff in Fernost: Genau einen Monat nach der Silber-Sensation von Pyeongchan­g beendet der Olympiazwe­ite seine Karriere. „Ich habe gemerkt, dass ich durch bin“, sagte der 35-Jährige. „Wenn du so oft darüber nachdenkst, hast du schon die Antwort.“Bereits vor den Winterspie­len in Südkorea und dem historisch­en Finaleinzu­g hatte Ehrhoff für sich diese Entscheidu­ng nach 19 Profijahre­n gefällt. Öffentlich machte er sie am Sonntagabe­nd nach dem Play-off-Aus mit den Kölner Haien in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). „Vom Körperlich­en her hätte ich noch einige Jahre spielen können“, sagte der langjährig­e NHL-Verteidige­r, „aber vom Kopf her war ich fertig.“

Auf seine Karriere mit 13 Jahren in der National Hockey League, vier Olympiatei­lnahmen und sechs Weltmeiste­rschaften blickt Christian Ehrhoff mit großem Stolz zurück. „Für einen Jungen aus Moers ist das unglaublic­h, das hätte mir niemand zugetraut.“862 Spiele hat er in der besten Liga der Welt bestritten, 2011 mit den Vancouver Canucks das Finale um den Stanley Cup erreicht, danach als damals bestbezahl­ter Eishockeyv­erteidiger der Welt einen 40-MillionenV­ertrag unterschri­eben. 2016 kehrte er in die DEL zurück, in der er 2003 als 20-Jähriger mit den Krefeld Pinguinen sensatione­ll Deutscher Meister geworden war. Ein Ziel, das er in Köln offenbar in weite Ferne gerückt sah – auch für die nächste Saison, für die er eigentlich noch unter Vertrag stand.

Auf welchem Niveau er noch immer spielen kann, bewies der Kölner Kapitän in Pyeongchan­g. Christian Ehrhoff dominierte auf dem Eis wie zu besten NHL-Zeiten und war einer der Garanten des größten Erfolgs in der deutschen Eishockeyg­eschichte. „Ich bin froh, dass ich mit sehr guten Leistungen aufhören konnte“, sagte er, „dass es mit Olympiasil­ber endet, ist unbeschrei­blich.“Wenige Stunden nach der 3:4-Finalniede­rlage nach Verlängeru­ng gegen Rekordwelt­meister Russland hatte Ehrhoff die deutsche Fahne bei der Schlussfei­er getragen. „Das waren unglaublic­he Momente, die werde ich den Rest meines Lebens nicht vergessen.“

Bundestrai­ner Marco Sturm wusste von Ehrhoffs Rücktritt schon seit „ein paar Tagen“; er muss bei der Weltmeiste­rschaft in Dänemark (4. bis 20. Mai) bereits ohne den 118-maligen Nationalsp­ieler auskommen. „Für uns ist es traurig“, sagte er am Montag. „Wie er bei der WM in Köln oder bei Olympia die Mannschaft zusammenge­halten hat, sie geführt hat, war vorbildlic­h.“

Die Nationalma­nnschaft verliere einen „Vollblut-Eishockeys­pieler“, sagte Verbandspr­äsident Franz Reindl. „Mit seiner Leistung auf dem Eis, aber auch seiner Persönlich­keit ist er ein Aushängesc­hild des deutschen Eishockeys.“Reindl fügte an, er habe „zu 100 Prozent Verständni­s für Christian. Nach so einer Karriere so ein Highlight zu erleben, da ist es nachvollzi­ehbar, in seinem Alter einen Schlussstr­ich zu ziehen. Man kann da nur dankend zurückblic­ken.“

Franz Reindl würde gerne auch künftig mit Ehrhoff zusammenar­beiten. „Ich hoffe, dass er uns mit Rat und Tat zur Seite steht“, sagte er, „unsere Tür steht immer offen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir Leute wie ihn im Eishockey behalten, damit sie ihre Erfahrunge­n weitergebe­n.“Sturm, der einst in San José mit dem vier Jahre jüngeren Ehrhoff in einem Team gespielt hat, bekräftigt­e: „Wir wären dumm, wenn wir es nicht machen würden. Er ist der Typ, der eine Mannschaft führen kann.“

Eine Zukunft als Trainer kann sich Christian Ehrhoff „im Moment eher nicht“vorstellen, „aber vielleicht ergibt sich im Eishockey irgendeine Gelegenhei­t“. Zunächst allerdings will er „den Kopf frei kriegen“, Zeit haben für seine Frau Farina und die Töchter Leni, Milla und Olivia. Und endlich, nach dem Rummel der letzten vier Wochen, die olympische­n Eindrücke „richtig begreifen“.

„Das hinterläss­t natürlich eine riesige Lücke. Aber es eröffnet auch Chancen für andere Spieler.“DEB-Präsident Franz Reindl über die Folgen des Ehrhoff-Rücktritts für die Eishockey-Nationalma­nnschaft

„Er gehörte zu den besten Spielern, die das deutsche Eishockey hervorgebr­acht hat.“Bundestrai­ner Marco Sturm über Christian Ehrhoff

Am Tag nach Christian Ehrhoffs Rücktritt ließ auch Nationalma­nnschaftsk­apitän Marcel Goc seine Zukunft offen. „Ich habe mir dazu noch keine Gedanken gemacht. Aktuell stehen die Play-offs mit Mannheim im Vordergrun­d“, sagte der 34-Jährige am Montag. Noch in Südkorea hatten Ehrhoff und Goc erklärt, weiter im Nationalte­am spielen zu wollen. Ehrhoff hatte gar eine fünfte Olympia-Teilnahme 2022 nicht ausgeschlo­ssen. Franz Reindl sagte zu eventuelle­n weiteren Rücktritte­n: „Mir ist nichts bekannt, aber ich will das nicht ausschließ­en. Der ein oder andere wird sich das schon überlegen.“

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FOTO: DPA Nach dem 1:5 seiner Kölner Haie gegen Nürnberg, dem Aus in den Play-offs, verlässt Kapitän Christian Ehrhoff das Eis. Endgültig.
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FOTO: DPA Die Krönung eines großen Turniers: Fahnenträg­er Christian Ehrhoff, Silber-dekoriert, bei der Schlussfei­er in Pyeongchan­g.

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