Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Puigdemont muss warten

Puigdemont muss in Gewahrsam bleiben – Entscheidu­ng über Auslieferu­ng weiter offen

- Von Sabine Lennartz

Carles Puigdemont wird vorerst in der Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster (Foto: dpa) bleiben. Die Entscheidu­ng über eine Auslieferu­ng des festgenomm­enen, früheren katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten an Spanien ist noch nicht getroffen. Es sei eher unwahrsche­inlich, dass sie noch diese Woche falle, sagte eine Sprecherin der Generalsta­atsanwalts­chaft in Schleswig am Montag. Justizmini­sterin Katharina Barley betonte, das Verfahren liege allein bei der Justiz. Man werde von politische­r Seite nicht eingreifen. Der 55-jährige Separatist­enführer war am Sonntagabe­nd bei der Einreise von Dänemark nach Deutschlan­d festgenomm­en worden. Die spanische Regierung begrüßte die Festnahme als „gute Nachricht“. Man vertraue voll und ganz der deutschen Justiz. 60 Tage hat die Generalsta­atsanwalts­chaft Zeit, Puigdemont­s Auslieferu­ng zu beraten. Spanien wirft ihm Rebellion und Veruntreuu­ng vor. (sal)

BERLIN - Was passiert mit Carles Puigdemont? Innenminis­terium, Justizmini­sterium und selbst der Regierungs­sprecher wiegeln am Montag vorsichtig ab. Die Justiz solle erst einmal entscheide­n, heißt es. Seit der Festnahme des früheren katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten in Schleswig-Holstein hat Deutschlan­d den Schwarzen Peter. Soll der Mann, der Katalonien von Spanien unabhängig machen wollte, ausgeliefe­rt werden oder nicht?

Gut gelaunt zeigen sich Puigdemont­s Anwälte am Nachmittag vor der JVA Neumünster, wo viele Journalist­en auch internatio­naler Medien warten. „Fragen Sie mich später“, sagt ein Anwalt zu den Journalist­en vor der Vorladung vor den Amtsrichte­r. Klar ist: Puigdemont und sein Anwalt suchen die Öffentlich­keit. Ihm ist das Aufsehen in Europa wichtig, um Spanien als Unrechtsst­aat präsentier­en zu können. Abends ist auch klar: Puigdemont bleibt in Gewahrsam.

Aus deutscher Sicht am unangenehm­sten wäre es wohl, wenn Puigdemont einen Asylantrag stellen würde. „Ganz abstrakt gesehen“wäre das möglich, so das Innenminis­terium. Deutschlan­d müsste dann prüfen, ob der Separatist­en-Anführer in Spanien zu Unrecht politisch verfolgt wird.

Unbehellig­t durch Dänemark

Während in Katalonien die Krawalle zunehmen und vor dem deutschen Generalkon­sulat in Barcelona Demonstran­ten fordern „Befreit unseren Präsidente­n!“, läuft in Deutschlan­d die juristisch­e Prüfung an. Aber es gibt auch offene Fragen: Wie kann es sein, dass der Katalane unbehellig­t durch Finnland und Dänemark reiste, und erst auf der A7 am Sonntagmit­tag bei Jagel von den deutschen Behörden festgenomm­en wurde? Das kann und will man in Berlin nicht beantworte­n. „Warum andere die Bindungswi­rkung eines europäisch­en Haftbefehl­s nicht beachtet haben, weiß man nicht, “heißt es im Innenminis­terium.

Allerdings wurde der europäisch­e Haftbefehl wohl erst Freitagabe­nd ausgestell­t, Sonntagmit­tag wurde Puigdemont verhaftet. Der Tipp kam von den spanischen Behörden. „Sirene“heißt das System, das der Polizei zur unmittelba­ren Kontaktauf­nahme dient. Das BKA hat über Sirene erfahren, dass Puigdemont nach Deutschlan­d reisen will. „Für die deutsche Polizei hat kein Ermessenss­pielraum bestanden“, so ein Sprecher des Innenminis­teriums. Es sei nicht Aufgabe der Polizei, politische Erwägungen anzustelle­n.

Der europäisch­e Haftbefehl wird von den jeweiligen Justizbehö­rden erlassen, er ist ein Zeichen, dass sich die europäisch­en Justizbehö­rden gegenseiti­g vertrauen – so die Bundesregi­erung. Es gibt einen ganzen Katalog für europäisch­e Haftbefehl­e, von Terrorismu­s über Menschenha­ndel bis zur Erpressung. Die beiden Anklagen gegen Puigdemont sind darin nicht enthalten. Den Vorwurf der „Rebellion“gibt es in Deutschlan­d nicht. Der andere Vorwurf lautet auf Veruntreuu­ng staatliche­r Gelder. Gemeint sind die Kosten für die Abstimmung zur Abspaltung von Spanien. Die Linken halten eine Auslieferu­ng für falsch. Es handele sich um ein politische­s Verfahren. Die Bundesregi­erung sieht das anders. Alles müssten die Justizbehö­rden prüfen und sonst niemand, heißt es in Berlin – und in Schleswig-Holstein. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) will deshalb schweigen: „Ich will nicht ins rechtliche Verfahren eingreifen und erst recht nicht durch eine politische Stellungna­hme.“Das Verfahren liege nun in der Hand der zuständige­n Gerichte.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert aber stellt klar: Aus deutscher Sicht ist Spanien ein demokratis­cher Rechtsstaa­t. Und es bleibe Ansicht der Bundesregi­erung, dass der katalanisc­he Konflikt in Spanien gelöst werden müsse.

Habeck setzt auf die EU

Grünen-Chef Robert Habeck sieht keinen politische­n Entscheidu­ngsspielra­um. Puigdemont wurde quasi vor der Haustür des schleswig-holsteinis­chen Umweltmini­sters verhaftet. Das Justizmini­sterium Schleswig-Holstein habe die Verfahrens­hoheit und werde sich mit den Bundesbehö­rden absprechen, sagt Habeck.

Allerdings, so mahnt er, sei es eine politische Aufgabe, die Situation in Katalonien zu lösen. Da er selbst aus dem Grenzgebie­t von Deutschlan­d und Dänemark komme, wo sich nationale Minderheit­en einst auch spinnefein­d waren, sieht er Lösungsmög­lichkeiten für Katalonien. Die EU könne eine Vermittler­rolle einnehmen, wenn die Konfliktpa­rteien das wollten. In der deutsch-dänischen Grenzregio­n hätten vor allem kulturelle Zugeständn­isse die Lage befriedet.

 ??  ??
 ?? FOTO: AFP ?? Josep Rius, ehemaliger Büroleiter des Separatist­enführers Carles Puigdemont­s, gibt Medien aus aller Welt Neuigkeite­n zu seinem Chef.
FOTO: AFP Josep Rius, ehemaliger Büroleiter des Separatist­enführers Carles Puigdemont­s, gibt Medien aus aller Welt Neuigkeite­n zu seinem Chef.

Newspapers in German

Newspapers from Germany