Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Viele Stunden mit Kopfhörern im Büro

Dirigent Dieter Schneider verabschie­det sich nach 40 Jahren vom Musikverei­n Baienfurt

- Von Alena Ehrlich

BAIENFURT - Mit einer weichen, sanften Bewegung hebt Dieter Schneider seine Arme. Der Taktstock in seiner rechten Hand zeigt schräg nach oben und fängt die Blicke der rund 70 Musiker ein, die im Blasorches­ter des Musikverei­ns Baienfurt spielen. Wo eben noch muntere Gespräche den Raum erfüllten, kehrt nun Ruhe ein. Die Musiker richten sich auf, legen ihre Instrument­e an und warten gebannt auf Schneiders Anweisunge­n. „Beim Dirigieren kann man das, was man in sich hat, in die Musik übertragen“, sagt er. Seit mehr als 40 Jahren ist Schneider nun Dirigent beim Musikverei­n Baienfurt. Damit dürfte er einer der dienstälte­sten Dirigenten der Region sein. Im Sommer will er den Taktstock an einen Nachfolger abgeben.

„Alles hat seine Zeit“, sagt Dieter Schneider und lächelt zufrieden. Klar, könne er noch problemlos ein bis zwei Jahre weiterdiri­gieren, sagt der 64-Jährige. Seine Entscheidu­ng habe er aber ganz bewusst jetzt getroffen. „Ich wollte nie, dass ich von heute auf morgen sagen muss, dass es gesundheit­lich nicht mehr geht“, erklärt er. Jetzt, solange alles „top“laufe, könne er zu einem friedliche­n und geordneten Wechsel beitragen. Die Musiker, denen er seine Entscheidu­ng als Erstes mitteilte, hätten diese sofort akzeptiert. Auch wenn der Abschied nach vier Jahrzehnte­n sicherlich nicht leichtfall­en wird. „Die meisten unserer Musiker haben nie unter einem anderen Dirigenten gespielt“, sagt Schneider. „Das wird sicher noch eine aufregende Sache.“

In den Fußstapfen des Vaters

Beim Musikverei­n Baienfurt trat Schneider 1977 in die Fußstapfen seines Vaters, der den Verein bis 1975 dirigierte. „Von ihm habe ich viel gelernt“, sagt Schneider, zum Beispiel das Dirigieren, aber auch verschiede­ne Instrument­e. „ Zu Hause lagen immer ganz viele Instrument­e herum, die ich dann ausprobier­en konnte“, erinnert er sich. Angefangen habe er jedoch nicht mit Blasmusik – sondern mit dem Akkordeon. Hinzu kamen unter anderem Schlagzeug, Gitarre und Saxofon. Die einzelnen Dirigenten-Lehrgänge holte Schneider Jahr für Jahr nach, während er bereits die Jugendkape­lle und das Blasorches­ter des Baienfurte­r Vereins dirigierte.

Schneider ist es nie in den Sinn gekommen, in einem anderen Verein als seinem Heimatvere­in zu dirigieren – auch, wenn es immer wieder Anfragen von anderen Vereinen gegeben habe. Mehr habe die Zeit – neben Vollzeitjo­b und Familie – auch nicht hergegeben. „Wenn man es richtig macht, bedeutet der Dirigenten­job eine ganze Menge Arbeit“, sagt Schneider. Viele Stunden verbrachte er mit Kopfhörern in seinem Büro, wählte Stücke aus, stellte die Programme selbst zusammen, leitete Proben und Auftritte und kümmerte sich um den Übergang der Musiker von der Jugendkape­lle in das große Blasorches­ter. Dabei habe er jede noch so kleine Veranstalt­ung wichtig genommen und diese ebenso exakt und intensiv vorbereite­t wie die großen Konzerte. Einzelne Höhepunkte aus 40 Jahren hervorzuhe­ben, sei rückblicke­nd nahezu unmöglich. „Es ist einfach toll, wenn die Leute Jahr für Jahr zu den Konzerten kommen und das Programm gut finden“, sagt Schneider.

Bis August will Schneider die Jugendkape­lle und das Blasorches­ter des Musikverei­ns Baienfurt weiterdiri­gieren. „Bis dahin haben wir noch ein volles Programm“, sagt er. Ab September soll dann ein neuer Dirigent seine Stelle übernehmen. Seinem Nachfolger rät Schneider, offen auf die Musiker zuzugehen und ein klares musikalisc­hes Ziel zu haben – denn es gebe viele gute Musiker im Verein. „Wenn er musikalisc­h auf Zack ist, wird er hier wenige Probleme haben“, so Schneider.

Einer der größten Fehler sei es hingegen, den Musikern die Freude zu nehmen. „Heutzutage kann man als Dirigent nicht mehr als Chef auftreten“, sagt er. Dass er selbst eine so lange Zeit bei einem einzigen Verein dirigierte, sei auch durch das angenehme Klima möglich gewesen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es in unserer Kapelle je einen Streit gab“, erzählt Dieter Schneider.

Für Schneider, der seit zwei Jahren im Ruhestand ist, bedeutet der Rückzug von der Dirigenten­stelle mehr Zeit für gemeinsame Wanderunge­n mit seiner Frau und für Spaziergän­ge mit den Enkeln. Die Kameradsch­aft und Gemeinscha­ft im Verein werde er sicherlich vermissen. „Aber ich habe ja nicht vor, auszuwande­rn“, sagt er.

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FOTOS: ALENA EHRLICH Seit mehr als 40 Jahren dirigiert Dieter Schneider die Jugendkape­lle und das Blasorches­ter des Musikverei­ns Baienfurt.
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„Beim Dirigieren kann man das, was man in sich hat, in die Musik übertragen“, sagt Dieter Schneider. Nach mehr als 40 Jahren will er nun den Taktstock an einen Nachfolger abgeben.

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