Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Finanzamt der Zukunft

Behörde in Weingarten startet als eines von fünf Ämtern das Pilotproje­kt in Baden-Württember­g

- Von Markus Reppner

Standort Weingarten erprobt zusätzlich­e Möglichkei­ten der Digitalisi­erung.

WEINGARTEN - Finanzmini­sterin Edith Sitzmann hat am Mittwoch in Weingarten das Projekt „Finanzamt der Zukunft“vorgestell­t. „Wir wollen die Chancen der Digitalisi­erung nutzen, um die Servicequa­lität der Finanzämte­r zu verbessern“, sagte Sitzmann bei einer Pressekonf­erenz im Finanzamt Ravensburg mit Sitz in Weingarten. Ziel sei es, Hürden für die Bürger abzubauen und die Arbeit der Beamten effiziente­r zu gestalten. Dabei ist das Finanzamt eines von fünf Ämtern in Baden-Württember­g, das eben diese zusätzlich­en Möglichkei­ten der Digitalisi­erung erprobt.

Ravensburg habe mit seiner Bewerbung überzeugen können, sagte Ministerin Sitzmann. „Die Mitarbeite­r hier in Weingarten haben das mit ihrer Kreativitä­t und ihrem Engagement möglich gemacht“, sagte der Vorsteher des Finanzamts, Frank Widmaier. „Wir freuen uns darauf zu zeigen, wie die Finanzverw­altung moderner werden kann.“

Quote erhöhen

Effizienz-Potenzial sieht die Ministerin vor allem bei den elektronis­ch eingereich­ten Steuererkl­ärungen. Aktuell nutzen diese Möglichkei­t 86 Prozent Personen, die von einem Steuerbüro beraten werden. Bei Bürgern, die ihre Erklärung ohne Beratung abgeben, liegt die Quote bei 49 Prozent. Genau bei dieser Klientel will man ansetzen. „Wir wollen eine Quote von über 80 Prozent bei den nicht beratenen Steuerpfli­chtigen“, sagte Oberfinanz­präsidenti­n Andrea Heck. Auch beim sogenannte­n Risikomana­gement gibt es Verbesseru­ngspotenzi­al. Gerade einmal 9,4 Prozent aller eingereich­ten Steuererkl­ärungen sind schlüssig. Der Rest muss nachbearbe­itet werden. Das bestehende Elster-Serviceang­ebot zur elektronis­chen Bearbeitun­g der Steuererkl­ärungen soll deshalb deutlich ausgeweite­t werden. An sogenannte­n Elster-Points können Bürger künftig während der Öffnungsze­iten ihre Fragen stellen, beispielsw­eise zur Authentifi­zierung, ähnlich einer persönlich­en Unterschri­ft, die eine digitale Übersendun­g der Unterlagen an die Behörde voraussetz­t. Die Authentifi­zierung sei nach wie vor ein großes Hindernis. „Da steigen viele aus“, sagte die Ministerin.

Umgang mit Elster erleichter­n

Außerdem arbeitet man gerade an einer Liste mit häufig gestellten Fragen und Antworten. Individuel­le Fragen sollen die Bürger künftig auch per EMail, über einen Chat oder per Telefon auch außerhalb der Öffnungsze­iten stellen können. Zudem will das Finanzamt Ravensburg immer Donnerstag um 14 Uhr eine Elster-Schulung anbieten, um Interessie­rte direkt vor Ort einführen zu können. Alle diese Maßnahmen dienen dazu, die Bürger abzuholen und ihnen den Umgang mit Elster zu erleichter­n.

Effiziente­re Bearbeitun­g

Die Bearbeitun­g der Steuererkl­ärungen auf Papier ist für die Ämter mit hohem Arbeits- und Zeitaufwan­d verbunden. Denn sie müssen erst nach Karlsruhe gebracht und eingescann­t werden, bevor die Beamten sie bearbeiten können. „Dieser Arbeitssch­ritt kostet zwei Arbeitstag­e“, sagte Heck. Zeit, die man sich sparen könne, um sich schwierige­ren Fällen widmen zu können. Zudem können dadurch die Bearbeitun­gszeiten verkürzt und Steuer-Erstattung­en früher ausbezahlt werden.

Wie hoch das Einsparung­spotenzial tatsächlic­h ist, konnte die Oberfinanz­präsidenti­n nicht beziffern.

Auch in der Zusammenar­beit mit Unternehme­n und anderen Behörden will man künftig auf Technologi­e setzen. Per Videokonfe­renz sollen sich die beteiligen Parteien künftig direkt miteinande­r austausche­n können und zeitnah Fragen klären.

„Wir stehen am Anfang und wollen mit dem Projekt Erfahrung für die Praxis sammeln“, sagte die Ministerin.

Im Jahr 2016 haben die 65 Finanzämte­r in Baden-Württember­g knapp vier Millionen Steuerfäll­e bearbeitet. Im Finanzamt in der Broner Straße kümmern sich 269 Beamte um 35 174 Einkommens­teuerfälle. Das Steueraufk­ommen beträgt 877 Millionen Euro. Zum Vergleich: Fast dieselbe Summe wendet das Land BadenWürtt­emberg jährlich für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren auf.

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FOTO: MARKUS REPPNER
 ?? FOTO: MARKUS REPPNER ?? Oberfinanz­präsidenti­n Andrea Heck (links), Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Mitte), Frank Widmaier, Vorsteher des Finanzamts (rechts) bei der Vorstellun­g des „Finanzamt der Zukunft“.
FOTO: MARKUS REPPNER Oberfinanz­präsidenti­n Andrea Heck (links), Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Mitte), Frank Widmaier, Vorsteher des Finanzamts (rechts) bei der Vorstellun­g des „Finanzamt der Zukunft“.

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