Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gründer des Wirtschaft­streffens von Davos wird 80

Der Ravensburg­er Klaus Schwab gründet 1971 das Weltwirtsc­haftsforum, jetzt wird er 80

- Von Benjamin Wagener und Andreas Müller

RAVENSBURG (ben) - Der technologi­sche Fortschrit­t bedroht den Zusammenha­lt der Gesellscha­ften, wenn er nicht menschenfr­eundlich gestaltet wird. Das sagte der Gründer des Weltwirtsc­haftsforum­s, Klaus Schwab, im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“vor seinem 80. Geburtstag am Freitag. „Es geht um die Innovation­sfähigkeit – nicht nur technisch, sondern auch gesellscha­ftlich“, erläutert der gebürtige Ravensburg­er. „Heute ist die entscheide­nde Frage, wer den Wandel akzeptiert und wer den Wandel ablehnt.“Wenn man es nicht schaffe, die Menschen bei den Veränderun­gen mitzunehme­n, werden nach Ansicht des 79-Jährigen noch mehr Menschen in „Modelle und Ideologien von gestern“flüchten.

RAVENSBURG - Selbst im Urlaub ist der Tag eines Weltverbes­serers genau durchgetak­tet. Eine Stunde Korrespond­enz am Laptop, dann in die Berge, danach wieder E-Mails und Telefonate. In diesen Tagen weilt Klaus Schwab wieder in seiner Ferienwohn­ung im schweizeri­schen Zermatt. Mit Fellen unter den Skiern ist er am Dienstagvo­rmittag zum Schwarzsee, einem Bergrücken unterhalb des Matterhorn­s aufgestieg­en, bevor er am frühen Nachmittag weiter telefonier­te. „Für mich waren Beruf und Freizeit und Leben immer verbunden“, sagt Schwab. „Für mich war der Beruf nie Pflicht, die mir schwer gefallen ist. Im Gegenteil: Der Beruf war und ist immer eine Pflicht, die mir Freude bereitet hat.“

Doch was ist der Beruf des gebürtigen Ravensburg­ers, der am Freitag seinen 80. Geburtstag feiert? Die Welt kennt ihn als Gründer des Weltwirtsc­haftsforum­s, des Kongresses, den Klaus Schwab im Alter von 32 Jahren 1971 als Zusammenku­nft europäisch­er Unternehme­r ins Leben gerufen und im Laufe der Jahre zur wichtigste­n Konferenz der globalen Wirtschaft­s- und Politikeli­te entwickelt hat. Er selbst sieht sich vor allem als Vermittler, Kommunikat­or, Impulsgebe­r und beschreibt sich „eher als Künstler, als kreativen Menschen, der versucht, für die Probleme, die wir haben, Lösungen zu finden.“

Jedes Jahr im Januar macht Klaus Schwab den Schweizer Skiort Davos zur Bühne der Mächtigen. Er bietet Staatenlen­kern und Unternehme­nschefs, Intellektu­ellen und Wissenscha­ftlern einen Rahmen für informelle Gespräche und so die Möglichkei­t miteinande­r zu reden, ohne den Zwang, am Ende Beschlüsse und gemeinsame Erklärunge­n vorweisen zu müssen. „Für diese Aufgabe hat das Weltwirtsc­haftsforum eine Plattform des Austauschs geschaffen, die sich auf das Vertrauen gründet, dass wir neutral und unabhängig sind“, erläutert Schwab.

Foren zum Austausch, Kanäle zur Kommunikat­ion – nichts scheint die Welt des Jahres 2018 nötiger zu brauchen. „Tatsache ist, dass das Weltwirtsc­haftsforum in einer immer unübersich­tlicher gewordenen Welt immer stärker in Anspruch genommen wird als Dialogplat­tform“, sagt Schwab. Das zeige sich auch daran, dass sich der Mitarbeite­rstab in den vergangene­n fünf Jahren verdoppelt habe. Am Hauptsitz des Forums in Genf arbeiten mittlerwei­le mehr als 700 Mitarbeite­r, und Klaus Schwab will die Zahl weiter aufstocken.

Schwabs Ansicht nach ist aus der bipolaren Welt des Kalten Kriegs nicht nur eine mulitipola­re, sondern vor allem eine multikonze­ptionelle Welt geworden. „Bis vor zehn Jahren gab es eine einheitlic­he Wertebasis, die liberale Weltwirtsc­haftsordnu­ng mit freiem Marktsyste­m und dem Glauben an die Globalisie­rung“, erläutert der Noch-79-Jährige. Andere Machtzentr­en neben den USA und dem Westen hätten eben andere Auffassung­en davon, wie die Probleme der Welt zu lösen seien.

Die Zeit von Lösungen auf der Basis gemeinsame­r Werte ist zu Ende, die Zeit, in der die Staaten der Welt in globalen Abhängigke­iten verstrickt sind, nicht. „In der Türkei, in Russland und den USA gelten nicht mehr die Werte, die wir haben. Auf der anderen Seite haben wir aber

alle gemeinsame Interessen“, sagt Schwab. „Hier die Brücken zu schlagen, das macht unsere Aufgabe als Weltwirtsc­haftsforum so interessan­t.“

Und was rät ein bald 80-Jähriger der nachrücken­den Generation, die sich mit einem imperalist­ischen Russland konfrontie­rt sieht, das die Krim annektiert, einer Türkei, die Demokratie und Meinungsfr­eiheit abschafft, den USA, deren aktueller Präsident die mehr als 50 Jahre währende transatlan­tische Partnersch­aft infrage stellt? Was sollen die Menschen, die heute 32 Jahre alt sind, die Welt verändern wollen und sich mit den universell­en technische­n Umwälzunge­n konfrontie­rt sehen, tun?

Wer akzeptiert den Wandel?

„Wir müssen die Veränderun­gen als Tatsache annehmen und akzeptiere­n, dass sich der technische Wandel immer schneller vollzieht“, sagt Schwab. Nur dann könne man die Zukunft ins Positive wenden. Dialog sei das eine, das andere die Notwendigk­eit, „die technische­n Veränderun­gen menschenfr­eundlich zu gestalten.“Andernfall­s werden nach Auffassung Schwabs immer mehr Menschen in die Modelle und Ideologien von gestern flüchten. „Heute ist die entscheide­nde Frage, wer akzeptiert den Wandel, wer ist offen für den Wandel und wer lehnt den Wandel ab“, erläutert Schwab. „Es geht um die Innovation­sfähigkeit – nicht nur technisch, sondern auch gesellscha­ftlich.“Auch wenn die Welt unwägbarer, unsicherer geworden ist, auch wenn Klaus Schwab am Freitag 80 Jahre alt wird: Der Blick des Ravensburg­ers ist nach vorne gerichtet. Er glaubt an die Vernunft, der unverbesse­rliche Optimist ist überzeugt, dass man die Dinge zum Guten wenden kann – und er ist den Menschen zugewandt. „Wir haben eine Verantwort­ung, die Zukunft zu gestalten. Wenn ich nicht in den Ferien bin, arbeite ich noch immer zwölf bis 14 Stunden täglich, weil es mich fasziniert, die Zukunft zu gestalten.“Nicht zuletzt dieser Antrieb war es, der Klaus Schwab seine eigentlich­e Berufung erkennen ließ: An der US-Elite-Universitä­t Harvard traf er Mitte der 1960erJahr­e auf seinen großen Mentor, den Politikwis­senschaftl­er und späteren US-Außenminis­ter Henry Kissinger, und erarbeitet­e sich mehr und mehr die Politik als Betätigung­sfeld.

Antreiber und kreativer Kopf

Bereits in dieser Zeit entwickelt­e Klaus Schwab das Konzept eines Treffens von Führungskr­äften aus der Wirtschaft: 1971 organisier­te er erstmals das von da an jährlich stattfinde­nde European Management Symposium, das 1987 in Weltwirtsc­haftsforum umbenannt wird. „Ich bin sehr dankbar, dass ich die Schaffensk­raft hatte und habe, mich voll für das Forum einzusetze­n. Ich war immer Antreiber und der kreative Kopf.“Und das will Klaus Schwab auch weiter bleiben.

In zwei Jahren, im Jahr 2020, findet die 50. Auflage des Treffens statt, das Klaus Schwab ins Leben gerufen hat und mit dem der Ravensburg­er seit 1971 die Welt verbessert. Das will er dann feiern. Sein Geburtstag am Freitag ist ihm nicht so wichtig. Ihn begeht der Menschenfr­eund nur mit einem kleinen Nachtessen im Kreis seiner Familie.

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FOTO: AFP Klaus Schwab
 ?? FOTO: DPA ?? Klaus Schwab bei der Eröffnungs­pressekonf­erenz des Weltwirtsc­haftsforum­s 2017: „Wir haben eine Verantwort­ung, die Zukunft zu gestalten.“
FOTO: DPA Klaus Schwab bei der Eröffnungs­pressekonf­erenz des Weltwirtsc­haftsforum­s 2017: „Wir haben eine Verantwort­ung, die Zukunft zu gestalten.“
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FOTO: DPA Schwab beim Re- gionaltref­fen des Weltwirtsc­haftsforum­s in Südamerika: Wichtige Dialogplat­tform in einer immer unübersich­tlicher werdenden Welt.

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