Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von der Leyen fordert neuen Umgang mit Tradition

Bundeswehr soll nach überarbeit­etem Erlass ihren Blick auf die eigene Geschichte richten

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HANNOVER (dpa) - Knapp ein Jahr nach dem Skandal um rechte Umtriebe in der Bundeswehr regeln neue Richtlinie­n den Umgang der Truppe mit Traditione­n und der Wehrmacht. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) unterzeich­nete am Mittwoch in Hannover den überarbeit­eten Traditions­erlass der Bundeswehr. Er gibt vor, dass die Soldaten bei der Suche nach Vorbildern den Blick künftig vor allem auf die mehr als 60 Jahre lange Geschichte der Bundeswehr richten sollen.

Zugleich benannte die Ministerin die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover um. Sie trägt nun den Namen des 2011 in Afghanista­n getöteten Feldjägers Tobias Lagenstein. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundeswehr, dass eine Kaserne den Namen eines in einem Auslandsei­nsatz gestorbene­n Soldaten trägt.

Die eigene Geschichte müsse in den Mittelpunk­t der Erinnerung­skultur gestellt werden, sagte von der Leyen. „Sie wird zum zentralen Bezugspunk­t unserer Tradition.“Die Bundeswehr stehe seit mehr als sechs Jahrzehnte­n für Recht und Freiheit dieses Landes ein, habe seit einem Vierteljah­rhundert zum internatio­nalen Krisenmana­gement beigetrage­n und sich in Einsätzen bewährt. „Auf diese Geschichte darf die Bundeswehr unendlich stolz sein.“

Weder Wehrmacht noch die Nationale Volksarmee der DDR könnten traditions­stiftende Institutio­nen sein, heißt es in dem Erlass. Trotzdem könnten einzelne Angehörige von Wehrmacht und NVA Vorbilder sein – etwa, wenn sie militärisc­hen Widerstand gegen das NS-Regime geleistet oder sich gegen die SEDHerrsch­aft aufgelehnt hätten. „Es kommt auf die einzelne Person an, und wir müssen immer sorgfältig abwägen“, sagte von der Leyen. Es gehe um die Frage nach persönlich­er Schuld. „Militärisc­he Exzellenz allein genügt jedenfalls nicht.“

Debatte nach Anschlagsp­länen

Auch um diesen Traditions­wechsel einzuleite­n, benannte von der Leyen nach Unterzeich­nung des Erlasses bei einem feierliche­n Appell die Kaserne in Hannover in Hauptfeldw­ebel-Lagenstein-Kaserne um. Tobias Lagenstein war ein in Hannover stationier­ter Feldjäger, der 2011 bei einem Anschlag in Afghanista­n ums Leben gekommen war. Von der Leyen bezeichnet­e Lagenstein als Vorbild. Die Affäre um den rechtsextr­emen Oberleutna­nt Franco A. hatte 2017 eine Diskussion über den Umgang der Bundeswehr mit ihren Traditione­n entfacht. Der rechtsextr­eme Oberleutna­nt soll sich als Flüchtling getarnt und gemeinsam mit Kameraden Anschläge geplant haben. Mancher Vorwurf hat sich nicht erhärtet, Franco A. ist wieder auf freiem Fuß. Trotzdem hat der Fall eine Debatte über den Umgang der Truppe mit der Wehrmacht in Gang gesetzt.

Der alte Traditions­erlass stammt von 1982. Es sei höchste Zeit gewesen, ihn neu zu fassen, sagte Generalins­pekteur Volker Wieker. Die Ereignisse aus 2017 seien ein „wesentlich­er Augenöffne­r für uns alle“gewesen. Der Wehrbeauft­ragte Hans-Peter Bartels (SPD) lobte den neuen Erlass. „Was sich jetzt ändert, ist der Blick auf die sechs Jahrzehnte eigene Bundeswehr­geschichte“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Da gebe es „vorbildhaf­tes Verhalten, auch herausrage­nde Tapferkeit“.

Die Linke erkennt hingegen eine Gleichsetz­ung von Wehrmacht und NVA. „Dies verharmlos­t die Verbrechen der Wehrmacht erheblich“, so Tobias Pflüger, verteidigu­ngspolitis­cher Sprecher der Linksfrakt­ion.

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FOTO: IMAGO Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) bei der Umbenennun­g der Kaserne in Hannover.

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