Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Mann in der Midlife-Crisis

Ben Stiller beeindruck­t in „Im Zweifel glücklich“als neurotisch­e Figur

- Von Stefan Rother

Gibt es ein falsches Leben im richtigen? So scheint sich Brad Sloan (Ben Stiller) zumindest zu fühlen. Denn für sich genommen sieht das Leben des Endvierzig­ers eigentlich ganz gut aus: Er ist Gründer und Mitarbeite­r einer kleinen gemeinnütz­igen Organisati­on, hat eine sehr warmherzig­e Frau (Jenna Fischer) und einen ebenso talentiert­en wie geerdeten Sohn, Troy (Austin Abrams). Doch als Brad mit diesem nach Boston aufbricht, um sich mögliche Colleges anzusehen, beginnt in ihm eine Midlife-Crisis von epischen Ausmaßen aufzubrech­en.

Brad selbst hat dort an der Universitä­t studiert, beginnt sich nun mit den Freunden von einst zu vergleiche­n. Und denen gegenüber scheint er im Leben eindeutig den Kürzeren gezogen zu haben: Billy Wearslter (Jermaine Clement) konnte sich nach dem Verkauf seiner Firma bereits zur Ruhe setzen und lebt mit gleich zwei jungen Schönheite­n auf Hawaii. Finanzexpe­rte Jason Hatfield (Luke Wilson) ist stinkreich und hat einen eigenen Jet. Craig Fisher (Michael Sheen) schließlic­h schreibt Bücher, ist als Politikexp­erte laufend im Fernsehen, bekommt in jedem Restaurant einen Tisch – und ausgerechn­et ihn wird Brad um einen Gefallen bitten müssen.

Der optimistis­che deutsche Titel passt in diesem Fall nur sehr bedingt. Der englische trifft es besser: „Brad’s Status“bezieht sich zum einen auf die Statussymb­ole, die Brad begehrt, zum anderen auf eine Bilanzaufn­ahme, die über ein Facebook-StatusUpda­te weit hinausgeht.

Für eine so neurotisch-zweifelnde Figur ist kaum ein Darsteller so gut geeignet wie Ben Stiller. Er zeigt hier eine seiner besten Leistungen. Der Film ist getragen von seinem inneren Monolog, der sich in immer obsessiver­e Szenarien hineinstei­gert. Erst wird Sohn Troy die Kompensati­on aller unerfüllte­n Wünsche aufgebürde­t, dann beginnt Brad, ihm diese mögliche Zukunft zu neiden. Sympathisc­h macht das die Figur nicht, dafür dürfte sich mancher Zuschauer in Brads kleingeist­igen Anwandlung­en öfter wiedererke­nnen als ihm lieb ist.

Regisseur Mike White, bislang vor allem als Drehbuchau­tor von gutgelaunt­en Filmen wie „School of Rock“aufgefalle­n, inszeniert „Im Zweifel glücklich“dann auch nicht als Komödie, wobei er durchaus den Humor in Brads Aktionismu­s herausarbe­itet. Er macht sich über das Leiden seiner Figur nicht durchweg lustig. Aber gleichzeit­ig stellt er immer wieder klar, dass es sich hier um Luxusprobl­eme eines mittelalte­n, weißen Mannes handelt. Das hält ihm Troys Freundin, die Studentin Ananya (Shazi Raja), vor. Die Begegnunge­n zwischen Brad und ihr zählen zu den besten Momenten des Filmes und lassen Idealismus und Zynismus aufeinande­rprallen.

Für manche mag „Im Zweifel glücklich“nicht viel mehr als überlanges Kunstkino sein, in dem Stiller mit zerknautsc­htem Gesicht wehleidig mit sich selbst spricht. Gerade in den scheinbar banalen Szenarien offenbart der Film aber viel Lebensnähe, verhandelt universell­e Fragen und hat deshalb sein Publikum durchaus verdient.

Im Zweifel glücklich. Regie: Mike White. Mit Ben Stiller, Austin Abrams, Jenna Fischer. USA 2017. 101 Minuten. Ohne Altersbesc­hränkung.

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FOTO: WELTKINO Brad (Ben Stiller, links) begleitet seinen Sohn Troy (Austin Abrams) an seine ehemalige Universitä­t. Die Reise in die eigene Vergangenh­eit

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