Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Keine Anklage gegen schludrigen Arzt
Patientenakten im Altpapier: Staatsanwaltschaft Ravensburg sieht keine Anzeichen für eine Straftat
RAVENSBURG - Der frühere Belegarzt der Oberschwabenklinik, der Patientenakten mit hochsensiblen Daten ungeschreddert auf dem Wertstoffhof in Ravensburg ins Altpapier geworfen hat, muss keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten. Das Verfahren wurde von der Ravensburger Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich mangels hinreichenden Tatverdachts für eine Straftat (in diesem Fall der Verletzung von Privatgeheimnissen) eingestellt.
Bußgeld droht weiterhin
Allerdings wurden die Unterlagen zur Verfolgung etwaiger Ordnungswidrigkeiten nach dem Datenschutzgesetz an das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe abgegeben, teilt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Karl-Josef Diehl, auf SZ-Anfrage mit. Die Behörde ist als zentrale Bußgeldstelle für datenschutzrechtliche Verstöße im ganzen Land zuständig. Sie kann bei gravierenden Verstößen Bußgelder bis zu 300 000 Euro verhängen.
Der Fall hatte Ende Dezember für großes Aufsehen gesorgt. Wie mehrfach berichtet, hatte ein Bürger beim Entsorgen von Altpapier auf dem Wertstoffhof 103 rote und grüne Leitz-Ordner mit Akten von Patienten der Oberschwabenklinik gefunden, die dort zwischen 1997 und 2008 behandelt worden waren. Wie sich herausstellte, enthielten knapp die Hälfte der Ordner hochsensible Daten, etwa Krankheitsgeschichten, Diagnosen, Angaben über Drogenmissbrauch und Therapien von teils jugendlichen Patienten. Die anderen waren leer – möglicherweise waren die Papiere beim Wurf in den Container herausgefallen. Der Finder will auch noch weitere Aktendeckel gesehen haben, an die er aber nicht herankam.
Schnell kam heraus, dass nicht jemand von der Klinik selbst oder ein Beauftragter der OSK die Akten unsachgemäß entsorgt hatte, sondern ein früherer Belegarzt, der die Patienten als Kieferchirurg behandelt und sich Kopien ihrer Akten angefertigt hatte. Der Mediziner hat seine Praxis schon vor einiger Zeit aus Altersgründen aufgegeben.
Straftat setzt Vorsatz voraus
Aber warum wird er nicht bestraft? Die in Betracht kommende Straftat der Verletzung von Privatgeheimnissen kann laut Staatsanwaltschaft nur vorsätzlich begangen werden, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Diehl: „Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Beschuldigte – auch wenn er hier äußerst unsensibel mit den Patientendaten umgegangen ist – zumindest billigend in Kauf nahm, dass ein Dritter auf dem Wertstoffhof die Akten an sich und von deren Inhalt Kenntnis nehmen würde.“Er habe wohl „darauf vertraut, dass die Akten nach dem Einwerfen in den Altpapiercontainer alsbald vernichtet werden“. Absichtlich wollte er demnach niemanden schädigen.
Dennoch kann es gut sein, dass der Mediziner wegen des Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz zur Kasse gebeten wird, im Rahmen eines Bußgeldes. Beim Regierungspräsidium Karlsruhe wird der Vorgang derzeit geprüft, teilte Pressesprecher Uwe Herzel auf Anfrage mit. „Wann die Prüfung abgeschlossen sein wird, können wir aktuell leider noch nicht sagen.“