Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gut geschult zur Inquisition
Das Mittagessen mit den Kolleginnen gleicht einem Verhör durch die Inquisition. Fragen prasseln in Lichtgeschwindigkeit auf mich ein. Jedes noch so kleine Detail interessiert. Meine Antworten werden analysiert, interpretiert, kommentiert, seziert.
Stets pragmatisch und rational dabei: Kollegin X. „Welche Steuerklassen nehmt ihr?“, lautet ihre erste Frage. „Macht ihr einen Ehevertrag?“, die zweite. „Ähm. Also. Weiß nicht so genau. Wahrscheinlich viervier?“, antworte ich zögernd. Über diese Dinge haben wir eigentlich noch nicht gesprochen und ich halte sie auch nicht für wichtig. Kollegin Y, die ich immer für besonders romantisch gehalten hatte, meint, sie wolle bei ihrer eigenen Hochzeit auf jeden Fall einen Ehevertrag abschließen. Im Gegenzug ist sie allerdings eine glühende Anhängerin von Doppelnamen, weshalb ich auf meinen schüchternen Einwurf, dass ich meinen eigenen Namen gern behalten möchte und mich Doppelnamen an eine Reihe fürchterlicher Franzö- sisch-Lehrerinnen mit kurz geschorenem Haar und lila Latzhosen aus meiner Schulzeit erinnern, mit einem Naserümpfen abtut. „Also ICH will etwas von meinem Mann annehmen“, sagt Kollegin Y pikiert.
Sodann muss ich exakt zitieren, was genau mein Zukünftiger wie gefragt hat, in welchem Winkel er den Ring aus der Tasche herausgeholt hat, ob sich dieser in einem Etui befand oder nicht und wie meine Reaktion war. Hätte ich das bloß vorher gewusst! Dann hätte ich schnell die Aufnahmefunktion meines Smartphones bemüht. „Du willst um meine Hand anhalten? Moooment mal. Muss erst auf Record drücken. Und jetzt sag es noch mal in die Kamera.“Ob ich geweint habe? Nun ja, eine kleine Träne der Rührung war wohl schon vorhanden.
Wie jetzt. Er ist nicht niedergekniet? – Der Boden vor dem Trevibrunnen war schmutzig und nass. – NICHT NIEDERGEKNIET? Wie unromantisch sei DAS denn? Und so weiter und so fort. Sollte noch einmal eine Inquisition eingesetzt werden, bin ich gut vorbereitet.