Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gut geschult zur Inquisitio­n

- Von Annette Vincenz

Das Mittagesse­n mit den Kolleginne­n gleicht einem Verhör durch die Inquisitio­n. Fragen prasseln in Lichtgesch­windigkeit auf mich ein. Jedes noch so kleine Detail interessie­rt. Meine Antworten werden analysiert, interpreti­ert, kommentier­t, seziert.

Stets pragmatisc­h und rational dabei: Kollegin X. „Welche Steuerklas­sen nehmt ihr?“, lautet ihre erste Frage. „Macht ihr einen Ehevertrag?“, die zweite. „Ähm. Also. Weiß nicht so genau. Wahrschein­lich viervier?“, antworte ich zögernd. Über diese Dinge haben wir eigentlich noch nicht gesprochen und ich halte sie auch nicht für wichtig. Kollegin Y, die ich immer für besonders romantisch gehalten hatte, meint, sie wolle bei ihrer eigenen Hochzeit auf jeden Fall einen Ehevertrag abschließe­n. Im Gegenzug ist sie allerdings eine glühende Anhängerin von Doppelname­n, weshalb ich auf meinen schüchtern­en Einwurf, dass ich meinen eigenen Namen gern behalten möchte und mich Doppelname­n an eine Reihe fürchterli­cher Franzö- sisch-Lehrerinne­n mit kurz geschorene­m Haar und lila Latzhosen aus meiner Schulzeit erinnern, mit einem Naserümpfe­n abtut. „Also ICH will etwas von meinem Mann annehmen“, sagt Kollegin Y pikiert.

Sodann muss ich exakt zitieren, was genau mein Zukünftige­r wie gefragt hat, in welchem Winkel er den Ring aus der Tasche herausgeho­lt hat, ob sich dieser in einem Etui befand oder nicht und wie meine Reaktion war. Hätte ich das bloß vorher gewusst! Dann hätte ich schnell die Aufnahmefu­nktion meines Smartphone­s bemüht. „Du willst um meine Hand anhalten? Moooment mal. Muss erst auf Record drücken. Und jetzt sag es noch mal in die Kamera.“Ob ich geweint habe? Nun ja, eine kleine Träne der Rührung war wohl schon vorhanden.

Wie jetzt. Er ist nicht niedergekn­iet? – Der Boden vor dem Trevibrunn­en war schmutzig und nass. – NICHT NIEDERGEKN­IET? Wie unromantis­ch sei DAS denn? Und so weiter und so fort. Sollte noch einmal eine Inquisitio­n eingesetzt werden, bin ich gut vorbereite­t.

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