Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Alles Kruscht?
In jedem Haus gibt es unscheinbare Dinge, die mit Freude erfüllen, weshalb man sie niemals entsorgen würde. Das kann eine Kaffeekanne von Arzberger sein aus den 1960er-Jahren oder noch antiker, im Küchenbüfett im Keller wieder entdeckt und nun als Blumenvase für rote Tulpen von allen bewundert! Auch das blaue Milchkännchen aus den 1950er-Jahren mit den weißen Pünktchen zählt dazu, hält es doch wie das filigrane Zuckerlöffelchen Erinnerungen wach an Großmutter und ihre einst zweimal nachmittäglich Rommé spielenden und Törtchen verzehrenden Freundinnen aus der Nachbarschaft.
Bei Gartenarbeiten trage ich um diese Jahreszeit die längst ausgebleichte Gartenschürze meines Vaters, in der Hoffnung, mir mögen Tomaten und Kartoffeln gelingen wie ihm seinerzeit. Im Haushalt gibt’s auch den unverzichtbaren Holzlöffel, dessen Alter, Herkunft und Zweck unbekannt ist. Nicht mehr benützte elegante Serviettenringe aus Holz, die ersten Tassen oder Breischüsselchen der längst erwachsenen Kinder und die Suppenschüssel (echt Porzellan!) mit Löwenköpfen als Griff gehören auch dazu. Letztere dient als Schale für bunte Primeln. Demnächst wird sie bei der Garderobe wieder in sich aufnehmen, was unterm Jahr reinfällt: Schlüssel, leere Batterien, Knöpfe, Chips für Einkaufswägen, Reißzwecken, Büroklammern, Münzgeld, Bleistiftstummel, alte Kastanien.
Kruscht halt! Kleine, unscheinbare Dinge können – abgesehen vom Erinnerungswert – auch ein Gefühl der Dauerhaftigkeit bewirken. Das ist angesichts der Schnelllebigkeit der Zeit ein kleiner Trost.