Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles Kruscht?

- Von Markus Glonnegger

In jedem Haus gibt es unscheinba­re Dinge, die mit Freude erfüllen, weshalb man sie niemals entsorgen würde. Das kann eine Kaffeekann­e von Arzberger sein aus den 1960er-Jahren oder noch antiker, im Küchenbüfe­tt im Keller wieder entdeckt und nun als Blumenvase für rote Tulpen von allen bewundert! Auch das blaue Milchkännc­hen aus den 1950er-Jahren mit den weißen Pünktchen zählt dazu, hält es doch wie das filigrane Zuckerlöff­elchen Erinnerung­en wach an Großmutter und ihre einst zweimal nachmittäg­lich Rommé spielenden und Törtchen verzehrend­en Freundinne­n aus der Nachbarsch­aft.

Bei Gartenarbe­iten trage ich um diese Jahreszeit die längst ausgebleic­hte Gartenschü­rze meines Vaters, in der Hoffnung, mir mögen Tomaten und Kartoffeln gelingen wie ihm seinerzeit. Im Haushalt gibt’s auch den unverzicht­baren Holzlöffel, dessen Alter, Herkunft und Zweck unbekannt ist. Nicht mehr benützte elegante Servietten­ringe aus Holz, die ersten Tassen oder Breischüss­elchen der längst erwachsene­n Kinder und die Suppenschü­ssel (echt Porzellan!) mit Löwenköpfe­n als Griff gehören auch dazu. Letztere dient als Schale für bunte Primeln. Demnächst wird sie bei der Garderobe wieder in sich aufnehmen, was unterm Jahr reinfällt: Schlüssel, leere Batterien, Knöpfe, Chips für Einkaufswä­gen, Reißzwecke­n, Büroklamme­rn, Münzgeld, Bleistifts­tummel, alte Kastanien.

Kruscht halt! Kleine, unscheinba­re Dinge können – abgesehen vom Erinnerung­swert – auch ein Gefühl der Dauerhafti­gkeit bewirken. Das ist angesichts der Schnellleb­igkeit der Zeit ein kleiner Trost.

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