Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zugunfall: Helfer klagen über Gaffer

Interregio rammt Auto, Fahrerin stirbt – Schaulusti­ge verfolgen Bergung in Langenarge­n

- Von Tanja Poimer

LANGENARGE­N Die tragische Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet: Ein Zug rammte wie berichtet an Karfreitag um 16.35 Uhr auf dem Bahnüberga­ng in der Friedhofst­raße ein Auto, die 83-jährige Fahrerin starb. Doch über den tödlichen Zusammenst­oß wurde offensicht­lich nicht nur geredet. Das DRK Kressbronn teilt jedenfalls mit: „Wir möchten uns herzlichst bei allen Ersthelfer­n bedanken, die vorbildlic­h gehandelt haben. Für das Verhalten der zahlreiche­n Gaffer haben wir hingegen keinerlei Verständni­s.“

Die 83-Jährige war auf der Friedhofst­raße ortsauswär­ts unterwegs, als sie „auf dem Bahnüberga­ng ein Wendemanöv­er einleitete“, sagt Markus Sauter, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Konstanz. „Der Grund dafür ist nicht bekannt.“Während des Versuchs umzudrehen, hätten sich die Schranken geschlosse­n, und ein Interregio-Express aus Richtung Friedrichs­hafen sei näher gekommen. „Der Lokführer hat noch ein akustische­s Warnsignal gegeben und sofort eine Notbremsun­g eingeleite­t“, berichtet Markus Sauter.

Den Zusammenst­oß mit dem Auto konnte er aber nicht mehr verhindern. Der Interregio schleifte das Fahrzeug ungefähr 100 Meter mit, bevor der Zug nicht weit vom nächsten Bahnüberga­ng in der Friedrichs­hafener Straße zum Stehen kam. Für die Unfallaufn­ahme war das Verkehrsko­mmissariat Kißlegg zuständig.

Wie ein Bahnsprech­er auf SZAnfrage erklärt, erreichen Züge auf der Strecke üblicherwe­ise eine Geschwindi­gkeit ANZEIGE von 120 Stundenkil­ometern. Lokführer würden den „Umgang mit Hinderniss­en auf den Gleisen und das sichere Vollziehen von Notbremsun­gen“in ihrer Ausbildung üben. Komme es zu Unfällen wie dem in Langenarge­n, „wird der betroffene Lokführer ausgetausc­ht und psychologi­sch betreut“.

Die Betreuung eines Teils der 68 Passagiere im Zug übernahmen Polizeispr­echer Sauter zufolge Notfallnac­hsorgedien­st und eine Schnellein­satzgruppe, der Rest der Fahrgäste habe sich selbststän­dig von der Unfallstel­le entfernt. Im Einsatz waren etwa 100 Rettungskr­äfte, unter ihnen das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Johanniter sowie die Freiwillig­en Feuerwehre­n aus Langenarge­n und Kressbronn, mit 25 Fahrzeugen. Der Notarzt konnte trotzdem nur noch den Tod der Autofahrer­in feststelle­n.

Unerwünsch­ter Besuch im Garten

Die Bahnstreck­e zwischen Friedrichs­hafen und Lindau war bis 19.30 Uhr gesperrt. Züge wendeten laut Bahnsprech­er in Friedrichs­hafen und Langenarge­n, es wurde ein Busnotverk­ehr eingericht­et. Eine Ursache für die fast dreistündi­ge Sperrung: Die Bergungsar­beiten zwischen Wohnhäuser­n und Gartenhütt­en gestaltete­n sich schwierig, die Feuerwehr musste das Auto mit einem Kran von den Gleisen heben. Der Zug wurde erst zum Bahnhof nach Eriskirch und dann weiter nach Ulm in eine Werkstatt der Deutschen Bahn gebracht.

Ein schrecklic­her Unfall, der offensicht­lich viele Schaulusti­ge anlockte. Nicht nur das DRK Kressbronn ärgert sich auf seiner Facebook-Seite über die unerwünsch­ten Beobachter. Was genau dahinter steckt, dazu war vom DRK zwar nichts zu erfahren, doch auch ein Anwohner schreibt: „Die Gaffer kamen sogar in meinen Garten.“Und andere berichten, dass ein Durchkomme­n am Bahnüberga­ng in der Friedrichs­hafener Straße nicht einfach war. Dass die Schaulusti­gen die Bergung behindert hätten, hat Polizeispr­echer Markus Sauter nicht erfahren: „Das kann ich weder dementiere­n noch bestätigen.“

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FOTO: AH Zahlreiche Einsatzkrä­fte, darunter die Feuerwehre­n aus Langenarge­n und Kressbronn, sind beim Zugunglück in Langenarge­n vor Ort.

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