Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Am falschen Ende gespart“
BERLIN - Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, beklagt im Gespräch mit Andreas Herholz, Polizei und Justiz würden über zu wenig Personal verfügen.
Ist die Warnung von Jens Spahn berechtigt?
Politiker in Bund und Ländern haben entscheidend mit dazu beigetragen, dass die Sicherheitslage so ist, wie sie ist. Wir haben zwar keine rechtsfreien Räume. Das Recht gilt überall. Wir haben aber ein Vollzugsdefizit. Polizei und Justiz haben zu wenig Personal. In den vergangenen 18 Jahren sind allein 16 000 Stellen bei der Polizei abgebaut worden. Gleichzeitig sind noch neue Aufgaben dazugekommen. Die politisch Verantwortlichen haben das billigend in Kauf genommen. Die Sorge um Sicherheit, Recht und Ordnung in Deutschland ist durchaus berechtigt. Das gilt aber nicht nur für bestimmte Brennpunkte in einigen wenigen Vierteln. Wenn jetzt die Minister Dobrindt und Spahn Alarm schlagen, klingt das wie „Haltet den Dieb“, als wollten sie von der eigenen Verantwortung ablenken. Jetzt kommt man endlich auf die Idee, 15 000 zusätzliche Stellen bei der Polizei im Bund und in den Ländern zu schaffen. Jahrelang hat man bei der Sicherheit am falschen Ende gespart. Das lässt sich jetzt nicht von heute auf morgen korrigieren.
Gibt es in Deutschland No-goAreas?
Nein, No-go-Areas gibt es nicht. Dennoch: Innere Sicherheit ist viel zu lange nicht mehr als Kernaufgabe des Staates angesehen worden. Es gab Silvester 2015 die Übergriffe auf der Kölner Domplatte. Es werden immer mehr kleine Waffenscheine beantragt. Pfefferspray ist vielerorts ausverkauft. Aus Protest wird die AfD gewählt. All das geschieht, auch weil die Polizei nicht mehr so gut für Sicherheit in dem Umfang sorgen kann, wie das die Menschen erwarten. Die Bürgerinnen und Bürger haben zunehmend Angst vor Körperverletzungen im öffentlichen Raum, vor Angriffen und Pöbeleien und vor Wohnungseinbrüchen. Die Organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität stellen uns zudem vor immer größere Probleme. Das beunruhigt die Menschen, und nicht linksautonome Zentren wie in Berlin in der Rigaer Straße oder in Hamburg die Rote Flora.