Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Chance für beide Seiten

Azubis aus dem Ausland helfen in Wilhelmsdo­rf als Pflegekräf­te – Zwei erzählen ihre Geschichte­n

- Von Alena Ehrlich

WILHELMSDO­RF - „Es ist ein schönes Gefühl, wenn sich die Leute über meine Hilfe freuen“, sagt Christin Mballow. Der 28-Jährige kommt aus Gambia und wird bei der Behinderte­nhilfe der Zieglersch­en zum Heilerzieh­ungspflege­r ausgebilde­t. Auch die 22-jährige Elihasina Noro Rafalimana­na aus Madagaskar hat sich nach einem Freiwillig­en Sozialen Jahr (FSJ) für eine Ausbildung bei der Behinderte­nhilfe entschiede­n.

Insgesamt sind dort 60 Auszubilde­nde beschäftig­t – 14 von ihnen kommen aus dem Ausland. „Ohne sie wäre es sicherlich schwierige­r, die freien Plätze zu belegen“, sagt Ausbildung­sleiterin Tamara Grüninger. Denn der Bedarf an Fachkräfte­n in Pflegeberu­fen steigt. In einigen Einrichtun­gen zeige sich laut Grüninger bereits ein Mangel. In den vergangene­n Jahren habe man deshalb mehr Ausbildung­splätze geschaffen. Doch die Arbeitszei­ten, Schichtarb­eit und Wochenendd­ienste schrecken viele ab. „Klar haben wir die Hoffnung, dass die Auszubilde­nden aus dem Ausland im Anschluss auch bei uns bleiben“, sagt Grüninger.

„Ich bin wirklich froh, dass ich hier meine Ausbildung machen kann“, sagt Christin Mballow. In Gambia arbeitete der 28-Jährige mit seinem Zwillingsb­ruder als Schreiner. Sie beschlosse­n gemeinsam, das Land zu verlassen und für eine bessere Zukunft nach Europa zu flüchten. Nur Christin sollte es schaffen. Sein Bruder sei bei einem Bombenansc­hlag in Libyen ums Leben gekommen, berichtet er. Im Sommer 2014 kam Christin alleine nach Deutschlan­d, wo er in einer Unterkunft in Wilhelmsdo­rf untergebra­cht wurde. Er besuchte Sprachkurs­e in Ravensburg und nahm einen Ein-Euro-Job bei der Behinderte­nhilfe an, um die Sprache schneller zu lernen. Sein Asylantrag wurde bewilligt. Es folgte ein Freiwillig­es Soziales Jahr und schließlic­h die Ausbildung zum Heilerzieh­ungspflege­r. Mittlerwei­le ist er im zweiten Ausbildung­sjahr. Mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern, die noch in Gambia leben, telefonier­e er regelmäßig.

Wetter war zunächst ein Schock

Elihasina lebt seit etwa zwei Jahren in Deutschlan­d. Schon in Madagaskar fasziniert­e sie die deutsche Sprache und Kultur. Um die Sprache noch besser zu lernen, beschloss die heute 22-Jährige nach der Schule, für ein Jahr als Au Pair nach Köln zu kommen. Von dort aus bewarb sie sich auf ein Freiwillig­es Soziales Jahr bei der Behinderte­nhilfe. „Ich mag es, anderen zu helfen. Deshalb wollte ich im sozialen Bereich arbeiten“, sagt sie. Die Ausbildung zur Heilerzieh­ungspflege­rin hat sie im September vergangene­n Jahres begonnen. Vor allem das deutsche Wetter sei für sie anfangs ein Schock gewesen: „Bei uns gibt es keinen Schnee, und im Sommer ist es ganz heiß“, erzählt sie. „Mittlerwei­le ist das aber kein Problem mehr.“Auch Christin muss bei der Erinnerung an seinen ersten Winter in Deutschlan­d lachen: „Ich habe wie ein Kind im Schnee gespielt.“

Die beiden Auszubilde­nden haben Freude bei der Arbeit. Sie helfen bei der Vorbereitu­ng von Mahlzeiten, begleiten die Behinderte­n in die Werkstatt und unternehme­n am Wochenende Ausflüge mit ihnen. „Man lernt die Bewohner sehr gut kennen und weiß schnell, was man bei welcher Person beachten muss“, sagt Elihasina. Für Christin ist es nicht selbstvers­tändlich, einen sozialen Beruf erlernen zu können – denn in Gambia gebe es in diesem Bereich keine Ausbildung­smöglichke­iten. „Es ist toll und richtig, dass hier alle Menschen gleich behandelt werden. In Gambia gibt es kaum Einrichtun­gen für Behinderte“, sagt er. Stattdesse­n bleiben behinderte Menschen dort meistens im Haus und werden so gut es geht von ihrer Familie versorgt. Das findet Christin schade.

Christin und Elihasina sprechen gut und sehr verständli­ch Deutsch. Trotzdem finden sie es manchmal schwer, alles zu verstehen – vor allem in der Berufsschu­le. Doch die Lehrer hätten Verständni­s für die Sprachprob­leme. „Sie versuchen immer, Hochdeutsc­h zu sprechen“, erzählt Elihasina und lacht. Wenn das nicht ausreicht, helfen aber auch Klassenkam­eraden, Mitarbeite­r oder Vorgesetzt­e gerne aus. „Falls man etwas nicht versteht, ist immer jemand da“, sagt Elihasina.

Für Elihasina Noro Rafalimana­na und Christin Mballow ist die Ausbildung bei der Behinderte­nhilfe auch ein wichtiger Grundstein für ihr Leben in Deutschlan­d. „Ich kann viele Erfahrunge­n sammeln und möchte die Ausbildung mit guten Noten abschließe­n“, sagt Elihasina. Sie könnte sich vorstellen, im Anschluss zu studieren – vielleicht Medizin oder Germanisti­k. Auch Christin ist seine Ausbildung sehr wichtig. „Ich würde gerne hierbleibe­n und die Arbeit weitermach­en, irgendwann heiraten und eine Familie gründen“, erzählt er.

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FOTO: ALENA EHRLICH Christin Mballow (links) aus Gambia und Elihasina Noro Rafalimana­na aus Madagaskar werden bei der Behinderte­nhilfe der Zieglersch­en zu Heilerzieh­ungspflege­rn ausgebilde­t.

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