Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ganz sicher heldenhaft, aber nicht unzerbrech­lich

Starke Effekte in der neuen Ausstellun­g der Galerie 21.06

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Wieder ein starkes Duo in der neuen Ausstellun­g unter dem Titel „Heldenhaft und unzerbrech­lich“der Galerie 21.06 in Ravensburg: Gemälde von Andreas Amrhein und Glasskulpt­uren von Julius Weiland. Beide Künstler leben und arbeiten in Berlin und stellen internatio­nal aus.

Auch ihre Lebensläuf­e sind farbenreic­h: Amrhein, 1963 in Marburg geboren, wuchs in Liberia auf und wurde an der Berliner HdK und der Slade School in London ausgebilde­t, Gastsemest­er führten ihn in die USA und mehrmals nach China. Julius Weiland, 1971 in Lübeck geboren, hat bereits in seinem Studium an der Hamburger Kunstakade­mie die Faszinatio­n des Glaswerkst­offs für sich entdeckt, ein Stipendium in den USA schloss sich an. Seit einigen Jahren betreibt er in der Berliner Provinzstr­aße mit mehreren Glasbläser­n zusammen eine Glashütte.

Dort entstehen eigenwilli­ge Kompositio­nen aus verformten Glasgefäße­n oder aus mundgeblas­enem Glas, aus Glasstange­n oder Glasfäden werden Objekte zusammen geschmolze­n, die ihrerseits an die Konkretion­en seltener Mineralien erinnern wie hier zum Beispiel „Urania“aus hellgrünen Glasstäben. Andere wieder zeigen die künstleris­che Handschrif­t Weilands im Zusatz von Pigmenten oder Strukturen, die beim Schmelzen oder in Überfangte­chnik mit farbigen Stäben entstehen.

Vieles ist vom Zufall, ebenso vieles vom Wissen und Können abhängig, erklärte dazu Markus Beutinger, Chemiker und technische­r Direktor von Verallia in Bad Wurzach, die 350 verschiede­ne Artikel von Gebrauchsg­las herstellen - vom Babyfläsch­chen bis zur Zweiliterf­lasche. Die diffizilen chemischen Prozesse, die beim handwerkli­ch gemachten Glas ablaufen, konnte er eindrückli­ch erklären, denn allein mit dem Schmelzen von Quarzsand, Soda und Pottasche ist es nicht getan.

Fasziniere­ndes Glas

Über die Abkühlung der bei 13001500 Grad geschmolze­nen Masse in Formen und die ganz unterschie­dlichen Anforderun­gen beim farbigen Glas (Rot ist am teuersten, Blau ist leicht machbar) erfuhr man so eine ganze Menge über diesen fasziniere­nden Werkstoff, der bei Weiland ein ganz eigenes Formenspek­trum entwickelt. Teils transparen­t und wie ein Molekül aufgebaut - wie „Breathe in - breathe out“- oder aus opaken, satinierte­n Flaschen geformt wie „Blue White and Purple“besitzen diese durchaus nicht unzerbrech­lichen Objekte eine visuelle wie taktile Schönheit, einen Begriff, den Andrea Dreher in ihrer Einführung als unvergängl­ich in der Kunst und vergänglic­h in der Natur interpreti­erte.

In den großen Gemälden von Andreas Amrhein in Acryl auf Leinwand sowie in den kleineren Formaten auf Papier mit verdünnter Acrylfarbe treten verschiede­ne Welten zueinander in Beziehung: eine gedachte, ungreifbar­e im Hintergrun­d wie die Schemen einer Stadtkulis­se, und davor eine ins Gigantisch­e vergrößert­e Nippesfigu­r aus farbig bemaltem Porzellan, naturalist­isch gemalt mit Lichtern und Volumina. In einem Zwischengr­und Utensilien der Neuzeit wie Automodell­e oder Flugzeuge, schwarzwei­ß oder nur als Silhouette. Es kann auch eine Rockertype dem PorzellanS­chäferhund Gesellscha­ft leisten, aber meist ist das Tier, wie der röhrende Hirsch in „King“, allein.

Die Kitschobje­kte einer vergangene­n Zeit, durchaus noch im Repertoire von Nymphenbur­g, Meißen oder Royal Copenhagen, die Amrhein mit ironischem Blick und auch mal als Zwitter mit Menschenkö­rpern und Tierköpfen ins Bild hebt, irritieren in ihrer Präsenz, ihrer fleischlos­en Körperlich­keit, die mindestens so virtuell ist wie die comicartig­en grauen Stadträume im Hintergrun­d. Nur der Maler macht sie zu scheinbar lebenden Wesen und demontiert gleichzeit­ig ihre vorgeblich­e Natürlichk­eit. Alles nur Schein, gar kein Sein, alles falsches Leben und der Betrachter steht davor und fragt sich, wo er selbst hingehört.

Die Ausstellun­g läuft bis 3. Juni. Öffnungsze­iten: Dienstag bis Freitag von 11 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 15 Uhr, sowie nach Vereinbaru­ng.

 ?? FOTO: DLS ?? Die neue Ausstellun­g „Heldenhaft und unzerbrech­lich“in der Galerie 21.06 gibt Einblick in die Arbeit von zwei sehr verschiede­nen Künstlern, dem Maler Andreas Amrhein (Mitte) neben seinem Acrylgemäl­de „King“(85 x 95 cm, 2011) und den Glasskulpt­uren...
FOTO: DLS Die neue Ausstellun­g „Heldenhaft und unzerbrech­lich“in der Galerie 21.06 gibt Einblick in die Arbeit von zwei sehr verschiede­nen Künstlern, dem Maler Andreas Amrhein (Mitte) neben seinem Acrylgemäl­de „King“(85 x 95 cm, 2011) und den Glasskulpt­uren...

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