Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine Musik tief gehender Verständigung
Masaa gastierte in der Weingartener Linse
WEINGARTEN - Jazztime Ravensburg hat am Samstag die Band Masaa auf die Bühne der Linse gebracht. Schon vom ersten Ton an nimmt Masaa – was auf arabisch so viel heißt wie „Abenddämmerung“– musikalisch gefangen: Vier junge Musiker, alle um die 30 Jahre alt, alle Zauberer auf ihrem Instrument, alles Könner, grundsympathische Profis mit noch unverbrauchter Musikalität und Freude am Experiment.
Was ist das für eine Musik, bei der Clemens Pötzsch am Klavier einen Klangteppich webt, indem er auch öfter die offenen Metallsaiten berührt und eine zarte Percussion erzeugt, und Demian Kappenstein an den Drums mit kleinen Strohbesen, einem orientalischen kleinen Glockenspiel oder mit großem Schlagzeug einen mal subtilen, mal gewaltigen, radialen Sound erzeugt? Nah beieinander stehen den ganzen Abend über der Trompeter Marcus Rust, der mit seiner Trompete und dem unendlich geschmeidigen Ton der Flügeltrompete den melodischen Bögen und den Lautmalereien des Sängers so dicht folgt, dass beide zu einer zweistimmigen Einheit verschmelzen.
Das Herz der Gruppe ist die Stimme des Libanesen Rabih Lahoud, was heißt die Stimme, es sind viele Stimmen, die er beherrscht und für jede Sprache, die er spricht, hat er eine andere. Mit Französisch beginnt er, der Libanon ist frankofon, Lahoud ist im Libanon aufgewachsen, bis er vor 16 Jahren nach Deutschland kam. Seine Muttersprache ist Arabisch, sein Deutsch makellos und Hebräisch spricht er auch. Dazu verfügt er über eine gigantische Tonbreite, von der Höhe bis zur Bassstimme und zur orientalischen Kopfstimme mitsamt allen möglichen Modulationen wie Sprechen oder Hauchen. Im Französischen hat er die Stimme eines Chansonniers, ganz kurz blitzt der Stil von Aznavour auf, die Eleganz der Poesie, im Arabischen sind es das leicht Heisere, die Wärme und die andere Dynamik der Laute, die litaneiartigen Wiederholungen, das Eindringliche der meditativen Klangsprache, die Wehmut, die sich in den Tönen überträgt.
Das Flügelhorn faucht, greint, grunzt und grummelt
Diesem Grundcharakter folgen die drei anderen: Hellwach, mit schlafwandlerischer Sicherheit umkleiden sie diese Stimme, ohne ihr jemals Kraft zu nehmen. Schnelle Schläge auf der mit einem Tuch abgedeckten Trommel, zart streicht der kleine Strohbesen über die Becken, dazu faucht, greint, grunzt und grummelt leise das Flügelhorn, es heult wie ein Tier in der Ferne, fiept wie ein Vögelchen – und das Klavier lässt die Läufe, Triolen und selten sanfte Akkorde dazwischen gleiten wie eine zart schmelzende Substanz.
Man wird völlig weggetragen von dieser Musik, von den poetischen Texten, die Lahoud mit dem wunderbaren Satz jede Sprache habe „ihren eigenen Verständniszauber“erklärt. Und man wird nicht entführt in einen falschen Exotismus, sondern kommt stattdessen immer wieder zurück zu den Wurzeln der Musik, der Stimme, der Sprache, des Wortes, der Verständigung, einer Welt der unterschiedlichen Kulturen, uralter und neuer, lebender und verschwundener. Sie erweitert auf erstaunliche und dauerhafte Art Blick und Gemüt.
Und das Publikum? Hingerissen, jubelnd bekommt es noch drei Zugaben. Eine wirkt wie ein Gebet, die Zweite ist rein akustisch, dazu setzen sich Sänger und Trompeter auf die Rampe – und siehe da, es wird nur noch meditativer ohne Verstärker – und eine letzte löst noch mal Begeisterung aus. Und für zu Hause gibt's noch gratis ein Textheft mit auf den Weg – denn die neue, prämierte CD „Outspoken“war ihnen am Abend zuvor in Duisburg „aus den Händen gerissen“worden, man konnte sie aber gleich bei ihnen bestellen.