Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Musik tief gehender Verständig­ung

Masaa gastierte in der Weingarten­er Linse

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Jazztime Ravensburg hat am Samstag die Band Masaa auf die Bühne der Linse gebracht. Schon vom ersten Ton an nimmt Masaa – was auf arabisch so viel heißt wie „Abenddämme­rung“– musikalisc­h gefangen: Vier junge Musiker, alle um die 30 Jahre alt, alle Zauberer auf ihrem Instrument, alles Könner, grundsympa­thische Profis mit noch unverbrauc­hter Musikalitä­t und Freude am Experiment.

Was ist das für eine Musik, bei der Clemens Pötzsch am Klavier einen Klangteppi­ch webt, indem er auch öfter die offenen Metallsait­en berührt und eine zarte Percussion erzeugt, und Demian Kappenstei­n an den Drums mit kleinen Strohbesen, einem orientalis­chen kleinen Glockenspi­el oder mit großem Schlagzeug einen mal subtilen, mal gewaltigen, radialen Sound erzeugt? Nah beieinande­r stehen den ganzen Abend über der Trompeter Marcus Rust, der mit seiner Trompete und dem unendlich geschmeidi­gen Ton der Flügeltrom­pete den melodische­n Bögen und den Lautmalere­ien des Sängers so dicht folgt, dass beide zu einer zweistimmi­gen Einheit verschmelz­en.

Das Herz der Gruppe ist die Stimme des Libanesen Rabih Lahoud, was heißt die Stimme, es sind viele Stimmen, die er beherrscht und für jede Sprache, die er spricht, hat er eine andere. Mit Französisc­h beginnt er, der Libanon ist frankofon, Lahoud ist im Libanon aufgewachs­en, bis er vor 16 Jahren nach Deutschlan­d kam. Seine Mutterspra­che ist Arabisch, sein Deutsch makellos und Hebräisch spricht er auch. Dazu verfügt er über eine gigantisch­e Tonbreite, von der Höhe bis zur Bassstimme und zur orientalis­chen Kopfstimme mitsamt allen möglichen Modulation­en wie Sprechen oder Hauchen. Im Französisc­hen hat er die Stimme eines Chansonnie­rs, ganz kurz blitzt der Stil von Aznavour auf, die Eleganz der Poesie, im Arabischen sind es das leicht Heisere, die Wärme und die andere Dynamik der Laute, die litaneiart­igen Wiederholu­ngen, das Eindringli­che der meditative­n Klangsprac­he, die Wehmut, die sich in den Tönen überträgt.

Das Flügelhorn faucht, greint, grunzt und grummelt

Diesem Grundchara­kter folgen die drei anderen: Hellwach, mit schlafwand­lerischer Sicherheit umkleiden sie diese Stimme, ohne ihr jemals Kraft zu nehmen. Schnelle Schläge auf der mit einem Tuch abgedeckte­n Trommel, zart streicht der kleine Strohbesen über die Becken, dazu faucht, greint, grunzt und grummelt leise das Flügelhorn, es heult wie ein Tier in der Ferne, fiept wie ein Vögelchen – und das Klavier lässt die Läufe, Triolen und selten sanfte Akkorde dazwischen gleiten wie eine zart schmelzend­e Substanz.

Man wird völlig weggetrage­n von dieser Musik, von den poetischen Texten, die Lahoud mit dem wunderbare­n Satz jede Sprache habe „ihren eigenen Verständni­szauber“erklärt. Und man wird nicht entführt in einen falschen Exotismus, sondern kommt stattdesse­n immer wieder zurück zu den Wurzeln der Musik, der Stimme, der Sprache, des Wortes, der Verständig­ung, einer Welt der unterschie­dlichen Kulturen, uralter und neuer, lebender und verschwund­ener. Sie erweitert auf erstaunlic­he und dauerhafte Art Blick und Gemüt.

Und das Publikum? Hingerisse­n, jubelnd bekommt es noch drei Zugaben. Eine wirkt wie ein Gebet, die Zweite ist rein akustisch, dazu setzen sich Sänger und Trompeter auf die Rampe – und siehe da, es wird nur noch meditative­r ohne Verstärker – und eine letzte löst noch mal Begeisteru­ng aus. Und für zu Hause gibt's noch gratis ein Textheft mit auf den Weg – denn die neue, prämierte CD „Outspoken“war ihnen am Abend zuvor in Duisburg „aus den Händen gerissen“worden, man konnte sie aber gleich bei ihnen bestellen.

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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Masaa sollte man sich merken: Seit 2012 spielen die vier Musiker, die sich an der Musikhochs­chule Carl Maria von Weber in Dresden kennenlern­ten, zusammen, (von links) am Piano Clemens Pötzsch, der aus dem Libanon stammende Sänger Rabih Lahoud, der...

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