Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Betrug durch falsche Polizeibeamte
Angeklagter legt umfangreiches Geständnis ab
RAVENSBURG - Vor dem Landgericht Ravensburg hat der Prozess gegen einen 31-jährigen Mann aus Meßkirch begonnen. Ihm wird zur Last gelegt, Mitglied einer Gruppe von gewerbsmäßigen Betrügern zu sein, die sich als Polizeibeamte ausgeben. Unter Vorspiegelung einer erfundenen Geschichte kontaktieren sie vornehmlich ältere Personen und bringen diese dazu, ihnen Geld und Schmuck auszuhändigen.
Der Angeklagte soll im November 2017 in vier Fällen in Ravensburg, Friedrichshafen und Stuttgart als sogenannter „Abholer“eingesetzt gewesen sein. Er soll bei den Taten über 200 000 Euro Bargeld, Gold und Schmuck erhalten haben. Ende November wurde der Angeklagte bei einer fingierten Goldübergabe festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Ihm wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug in drei Fällen sowie Raub in Tateinheit mit versuchtem und bandenmäßigem Betrug vorgeworfen.
Der 31-Jährige ist sehr auskunftsbereit. Er erzählt von einer schweren Kindheit. Er litt unter den Gewaltausbrüchen seines alkoholkranken Vaters. Er berichtet von Schlägen und sogar Folter. Intensiver Drogenkonsum bringt ihn als Jugendlicher einige Monate in die Jugendpsychiatrie. Nach seinem Hauptschulabschluss beginnt er zwei Lehren, die er aber beide abbricht. Zurzeit hat er Arbeit und mit seiner Lebenspartnerin zwei Kinder.
Auf dem Display stand die 110
Dann beginnt die Beweisaufnahme mit der Anhörung von betroffenen Zeugen. Als Erstes sagt eine 59-jährige Frau aus Friedrichshafen aus. Sie erzählt, dass sich am Telefon ein Polizeibeamter bei ihr gemeldet habe. Auf dem Display sei die 110 zu erkennen gewesen. Man habe letzte Nacht ein Einbrecherduo auf frischer Tat erwischt, einer sei entkommen. Bei dem Festgenommenen habe man ein Notizbuch mit ihrem Namen und ihrer Adresse gefunden. Ihr drohe Gefahr. Ein anderer Mann, der sich als Staatsanwalt ausgibt, bringt sie dazu, ihm alle Einzelheiten zu Bargeld und Konten zu erzählen. Auch auf der Bank seien schwarze Schafe, das Geld sei dort nicht sicher. Er bringt die Frau dazu, sofort zur Bank zu fahren und 20 000 Euro abzuheben. Zu Hause muss sie die Seriennummern vorlesen. „Alles Falschgeld“, sagte der falsche Staatsanwalt. Es komme jemand vorbei und hole es ab. Sie übergibt das Geld dem Angeklagten, der vor dem Haus wartet. Erst am Tag danach kommen ihr Zweifel, und sie geht zur Polizei. Vom Geld hat sie nichts mehr gesehen. Noch heute leidet sie unter der Tat: „Es holt mich immer wieder ein“, sagt sie mit zittriger Stimme.
Danach berichtete eine 94-jährige Frau aus Ravensburg, wie sie betrogen wurde. Die Vorgehensweise war ähnlich. Sie händigte dem Angeklagten Schmuck und Gold aus ihrem Tresor aus. Als die Täter ein paar Tage später noch einmal anrufen und sie auffordern, ihr Geld, das sie auf der Bank hat, in Gold umzutauschen und nach Hause zu bringen, schöpft sie Verdacht. Mithilfe der Polizei wird eine fingierte Goldübergabe initiiert, eine Kriminalbeamtin spielt die Rolle der Frau. Dabei konnte der Täter festgenommen werden.
Entschuldigt sich bei Opfern
Dieser legte ein umfangreiches Geständnis ab. In allen Einzelheiten erzählte er, wie er von einer Frau telefonisch kontaktiert wurde. Damals habe er sich in Geldnot befunden. Zuerst ging es nur um die Abholung eines Geldbetrages in Friedrichshafen. Dafür wurden ihm 4000 Euro versprochen. Anweisungen habe er von einer im Ausland operierenden Bande bekommen. Über die Hintergründe habe er nichts gewusst. Gleich nach der Übergabe in Friedrichshafen wurde er zu einer weiteren Übergabe nach Ravensburg gelotst, für weitere 3000 Euro. Die Beute habe er dann nach Heidelberg gebracht. Am nächsten Tag habe er Drohanrufe bekommen. Es fehle Geld sowie Teile des Schmucks. Wenn er es nicht zurückgebe, drohten ihm und seiner Familie Konsequenzen. Erst da habe er gemerkt, dass „etwas gewaltig schiefläuft“. Auf Druck lässt er sich noch zu einer weiteren Geldübergabe in Stuttgart überreden sowie zu einem zweiten Besuch bei der 94-Jährigen aus Ravensburg. „Die haben mich psychisch fertiggemacht“, sagt er immer wieder und „Ich war froh, als ich verhaftet wurde.“Bei allen Opfern entschuldigte er sich und beteuerte, er habe bis zum Schluss nicht gewusst, um was es gegangen sei.
Der Prozess wird am 20. April um 9 Uhr fortgesetzt.