Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Betrug durch falsche Polizeibea­mte

Angeklagte­r legt umfangreic­hes Geständnis ab

- Von Wolfgang Steinhübel

RAVENSBURG - Vor dem Landgerich­t Ravensburg hat der Prozess gegen einen 31-jährigen Mann aus Meßkirch begonnen. Ihm wird zur Last gelegt, Mitglied einer Gruppe von gewerbsmäß­igen Betrügern zu sein, die sich als Polizeibea­mte ausgeben. Unter Vorspiegel­ung einer erfundenen Geschichte kontaktier­en sie vornehmlic­h ältere Personen und bringen diese dazu, ihnen Geld und Schmuck auszuhändi­gen.

Der Angeklagte soll im November 2017 in vier Fällen in Ravensburg, Friedrichs­hafen und Stuttgart als sogenannte­r „Abholer“eingesetzt gewesen sein. Er soll bei den Taten über 200 000 Euro Bargeld, Gold und Schmuck erhalten haben. Ende November wurde der Angeklagte bei einer fingierten Goldüberga­be festgenomm­en und sitzt seither in Untersuchu­ngshaft. Ihm wird banden- und gewerbsmäß­iger Betrug in drei Fällen sowie Raub in Tateinheit mit versuchtem und bandenmäßi­gem Betrug vorgeworfe­n.

Der 31-Jährige ist sehr auskunftsb­ereit. Er erzählt von einer schweren Kindheit. Er litt unter den Gewaltausb­rüchen seines alkoholkra­nken Vaters. Er berichtet von Schlägen und sogar Folter. Intensiver Drogenkons­um bringt ihn als Jugendlich­er einige Monate in die Jugendpsyc­hiatrie. Nach seinem Hauptschul­abschluss beginnt er zwei Lehren, die er aber beide abbricht. Zurzeit hat er Arbeit und mit seiner Lebenspart­nerin zwei Kinder.

Auf dem Display stand die 110

Dann beginnt die Beweisaufn­ahme mit der Anhörung von betroffene­n Zeugen. Als Erstes sagt eine 59-jährige Frau aus Friedrichs­hafen aus. Sie erzählt, dass sich am Telefon ein Polizeibea­mter bei ihr gemeldet habe. Auf dem Display sei die 110 zu erkennen gewesen. Man habe letzte Nacht ein Einbrecher­duo auf frischer Tat erwischt, einer sei entkommen. Bei dem Festgenomm­enen habe man ein Notizbuch mit ihrem Namen und ihrer Adresse gefunden. Ihr drohe Gefahr. Ein anderer Mann, der sich als Staatsanwa­lt ausgibt, bringt sie dazu, ihm alle Einzelheit­en zu Bargeld und Konten zu erzählen. Auch auf der Bank seien schwarze Schafe, das Geld sei dort nicht sicher. Er bringt die Frau dazu, sofort zur Bank zu fahren und 20 000 Euro abzuheben. Zu Hause muss sie die Seriennumm­ern vorlesen. „Alles Falschgeld“, sagte der falsche Staatsanwa­lt. Es komme jemand vorbei und hole es ab. Sie übergibt das Geld dem Angeklagte­n, der vor dem Haus wartet. Erst am Tag danach kommen ihr Zweifel, und sie geht zur Polizei. Vom Geld hat sie nichts mehr gesehen. Noch heute leidet sie unter der Tat: „Es holt mich immer wieder ein“, sagt sie mit zittriger Stimme.

Danach berichtete eine 94-jährige Frau aus Ravensburg, wie sie betrogen wurde. Die Vorgehensw­eise war ähnlich. Sie händigte dem Angeklagte­n Schmuck und Gold aus ihrem Tresor aus. Als die Täter ein paar Tage später noch einmal anrufen und sie auffordern, ihr Geld, das sie auf der Bank hat, in Gold umzutausch­en und nach Hause zu bringen, schöpft sie Verdacht. Mithilfe der Polizei wird eine fingierte Goldüberga­be initiiert, eine Kriminalbe­amtin spielt die Rolle der Frau. Dabei konnte der Täter festgenomm­en werden.

Entschuldi­gt sich bei Opfern

Dieser legte ein umfangreic­hes Geständnis ab. In allen Einzelheit­en erzählte er, wie er von einer Frau telefonisc­h kontaktier­t wurde. Damals habe er sich in Geldnot befunden. Zuerst ging es nur um die Abholung eines Geldbetrag­es in Friedrichs­hafen. Dafür wurden ihm 4000 Euro versproche­n. Anweisunge­n habe er von einer im Ausland operierend­en Bande bekommen. Über die Hintergrün­de habe er nichts gewusst. Gleich nach der Übergabe in Friedrichs­hafen wurde er zu einer weiteren Übergabe nach Ravensburg gelotst, für weitere 3000 Euro. Die Beute habe er dann nach Heidelberg gebracht. Am nächsten Tag habe er Drohanrufe bekommen. Es fehle Geld sowie Teile des Schmucks. Wenn er es nicht zurückgebe, drohten ihm und seiner Familie Konsequenz­en. Erst da habe er gemerkt, dass „etwas gewaltig schiefläuf­t“. Auf Druck lässt er sich noch zu einer weiteren Geldüberga­be in Stuttgart überreden sowie zu einem zweiten Besuch bei der 94-Jährigen aus Ravensburg. „Die haben mich psychisch fertiggema­cht“, sagt er immer wieder und „Ich war froh, als ich verhaftet wurde.“Bei allen Opfern entschuldi­gte er sich und beteuerte, er habe bis zum Schluss nicht gewusst, um was es gegangen sei.

Der Prozess wird am 20. April um 9 Uhr fortgesetz­t.

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