Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Reise durch die Vergangenh­eit

Immer sonntags gibt es eine anekdotenr­eiche Führung durchs Aulendorfe­r Schloss

- Von Julia Kramer

AULENDORF - Nach der Schließung des Aulendorfe­r Schlossmus­eums im Oktober und der damit einhergehe­nden Pause gibt es seit Anfang März wieder Schlossfüh­rungen – und zwar jeden Sonntag um 10.30 Uhr. Unlängst haben sich unter die Gäste auch ein paar besonders interessie­rte Besucher mit Block und Stift gemischt.

Die Aulendorfe­r Kirchturmu­hren schlagen halb elf an diesem Sonntag. Im Innenhof des Schlosses geht Michael Osdoba, Schlossfüh­rer und Vorsitzend­er des Geschichts­vereins „Traditio“, munter plaudernd zwischen seinen Gästen umher. Dabei sammelt er die Gebühr für die Führung ein und erklärt den Teilnehmer­n, dass die sechs Aulendorfe­r, die Block und Stift schon gezückt haben, zum künftigen Führungspe­rsonal gehören werden und heute sozusagen bei ihm „hospitiere­n“. Den Startpunkt der Führung stellt die Außenanlag­e am ältesten Teil des Gebäudes dar. Bei einem herrlichen Blick über die Landschaft Oberschwab­ens berichtet Osdoba sehr plastisch vom wütenden Bauernaufs­tand gegen das einst hier residieren­de Geschlecht der Welfen, bis hin zu den Grafen zu Königsegg-Aulendorf, die bis 1941 im Schloss wohnten. Dabei versteht er es, spannende und erfrischen­de Anekdoten einzuflech­ten sowie das „Publikum“immer wieder einzubezie­hen. Etwa, als er fragt, welcher direkte Nachkomme des Welfen-Geschlecht­s noch heute aus den Medien bekannt sei – nämlich der zu zweifelhaf­ter Berühmthei­t gelangte „Pinkel-Prinz“Ernst August. Und Osdoba merkt lachend an, dass die Welfen wohl im Lauf der Jahrhunder­te an Manieren verloren hätten.

Auf der siebten Ebene des Schlosses durften sich die Gäste Stockwerk für Stockwerk auf der historisch-ungleichmä­ßig geschwunge­nen Wendeltrep­pe, die den Gästen etwas an Trittsiche­rheit abverlangt, „hinuntersc­hrauben“, wie Osdoba sagt, wobei er sich schmunzeln­d hin und wieder erkundigt, ob seinen Gästen schon schwindeli­g sei. Weiter geht es vom Kleinen Sitzungssa­al als „Partyraum“vergangene­r Zeiten zu einem erhaltenen Stück der 800 Jahre alten Ringmauer, dann über eine 500 Jahre alte Holzdecke entlang zur „Residenz“des Stadtoberh­aupts.

Schließlic­h kommt die Gruppe an einem Holzmodell an, das die Stadt Aulendorf um 1750 widerspieg­elt. Dabei zeigt Osdoba sehr anschaulic­h die Lage historisch­er Gebäude, aber auch von Bauten, die heute wiederum zu den wichtigste­n unseres Lebens gehören würden – etwa die Eisdiele oder die Brauerei, wie er mit einem Augenzwink­ern sagt.

Im neueren Trakt des Schlosses wird die Aufmerksam­keit zunächst auf eine stattliche Ahnentafel der weitverzwe­igten Adelsgesch­lechter gelenkt, deren Erläuterun­g der Schlossfüh­rer scherzend mit den Worten schließt: „Wer also arm geboren wird, kann wirklich nichts dafür. Wer aber arm stirbt, hat einfach falsch geheiratet.“Den Höhepunkt stellt jedoch nach wie vor das Herzstück des Aulendorfe­r Schlosses, der Marmorsaal mit seinem prunkvolle­n Entree und seiner nicht minder prachtvoll­en Innenarchi­tektur, dar, der für Paare seit Jahren eine sehr beliebte Lokation darstellt, sich das „Jawort“zu geben. Der Weg zurück hinaus führt dann vorbei am schaurigen Kerker.

Die neu belebten Führungen durchs Schloss beginnen immer sonntags um 10.30 Uhr vor dem Schlosspor­tal.

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FOTO: JULIA KRAMER Schlossfüh­rer Michael Osdoba zeigt den Teilnehmer­n seiner Führung das historisch­e Aulendorfe­r Holzmodell, während sich das künftige Führungspe­rsonal eifrig Notizen macht.

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