Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Im Landkreis fehlen Dirigenten

Für Musikverei­ne und Kapellen im Kreis Ravensburg wird es immer schwierige­r, Dirigenten zu finden

- Von Alena Ehrlich

Für Musikverei­ne und Kapellen wird die Suche immer schwierige­r.

KREIS RAVENSBURG - Seit zwei Jahren ist der Musikverei­n Mochenwang­en auf der Suche nach einem neuen Dirigenten. Bewerbunge­n sind teilweise aus Berlin und Frankfurt eingegange­n, mit utopischen Gehaltsvor­stellungen und zusätzlich­er Fahrtkoste­nabrechnun­g, berichtet der Vorsitzend­e Georg Manhald. „Aus der Region finden wir fast keine Bewerber“, sagt Manhald. Drei gute Bewerbunge­n habe es in den zwei Jahren gegeben – doch zu einem Kennenlern­en kam es schlussend­lich nie. Mit diesem Problem ist der Musikverei­n Mochenwang­en allerdings nicht allein. „Dirigenten­mangel ist aktuell ein ganz großes Thema für uns, wenn nicht sogar das Hauptthema“, bestätigt der Vorsitzend­e des Blasmusikk­reisverban­ds Ravensburg, Rudolf Hämmerle.

Der Musikverei­n Mochenwang­en ist eine relativ kleine Kapelle mit rund 30 Musikern. Das erschwert die Suche nach einem neuen Dirigenten zusätzlich, so Manhald. Denn viele Dirigenten bevorzugen eine Stelle bei einer größeren Kapelle. „Dabei sind unsere Musiker nicht schlecht. Nur eben zu wenig“, sagt Manhald. Seit zwei Jahren dirigiert also der Vizedirige­nt – der eigentlich viel lieber in der Kapelle mitspielen würde. „Es fehlen einfach die Bewerber, dabei haben wir überall ausgeschri­eben“, klagt der Vorsitzend­e.

Hohes Niveau ist Fluch und Segen

Als „Fluch und Segen“bezeichnet Hämmerle das hohe Niveau der Musikkapel­len im Kreis Ravensburg. „Die Region ist eine Hochburg der sinfonisch­en Blasmusik“, sagt er. Dadurch sei jedoch auch der Anspruch an die Dirigenten hoch. „Das, was jetzt teilweise gespielt wird, hätte ich damals gar nicht einstudier­en können“, sagt Hämmerle, der selbst 20 Jahre lang beim Musikverei­n Taldorf dirigierte. „Es ist ein wunderschö­ner Job“, findet Hämmerle. Denn der Dirigent könne die Musik gestalten und damit aus Kapellen wahre Klangkörpe­r machen. Die Grundvorau­ssetzungen: Musikalitä­t, Empathie und gute Nerven.

Auch der Musikverei­n Molpertsha­us sucht derzeit nach einem neuen Dirigenten, wenn auch noch nicht akut. Für die Nachfolge gebe es bereits Anfragen, sagt der Vorsitzend­e Christian Neyer. Mit den Interessen­ten soll es ein Vordirigat geben, um auszuprobi­eren, ob sie als Dirigent zum Musikverei­n passen könnten. Etwas mehr als fünf Jahre habe der aktuelle Dirigent die Kapelle geleitet. „Die Verweildau­er der Dirigenten wird kürzer“, findet Neyer. Nach fünf bis zehn Jahren sei „die Luft raus“. Hinzu komme, dass viele ältere Dirigenten ganz aufhören möchten. Die nachkommen­den jüngeren Dirigenten hätten meist schon eine Kapelle übernommen.

Als Kreisverba­ndsvorsitz­ender versucht Hämmerle, sein Netzwerk zu nutzen und Kapellen und Dirigenten zusammenzu­bringen, die gemeinsam harmoniere­n könnten. „Jede Kapelle hat ihre Eigenarten“, sagt Hämmerle. „Die Chemie mit dem Dirigenten muss einfach stimmen.“Beim Musikverei­n Baienfurt stimmte diese Chemie fast 41 Jahre lang. Damit ist Dieter Schneider der dienstälte­ste Dirigent des Landkreise­s. Auch er hat Anfang März angekündig­t, dass er sich zurückzieh­en wird. Noch bis September will er den Musikverei­n dirigieren, der neue Dirigent soll dann das Jahreskonz­ert übernehmen. „Keiner unserer Musiker hatte bisher einen Dirigenten­wechsel. Das sind wir nicht gewohnt, aber da müssen wir jetzt durch“, sagt der Vorsitzend­e des Vereins, Richard Birnbaum. Der Verein stehe gut da, und der Vorstand werde schon bald mit der Suche beginnen.

Kreisverba­nd fördert Nachwuchs

Bei gut 110 Musikkapel­len und rund 40 weiteren Jugendkape­llen dürfte es laut Hämmerle im Kreis Ravensburg rund 150 bis 160 Dirigenten­stellen geben. Er schätzt, dass jedes Jahr etwa zehn bis zwölf neue Dirigenten nachkommen müssten, um den Bedarf im Kreis zu decken. Deshalb bietet der Blasmusikk­reisverban­d jährliche Schnupperk­urse sowie Dirigenten­unterricht an – zum Beispiel an der Musikschul­e Ravensburg, an der Musikschul­e Wangen und beim Landesverb­and. Für junge Dirigenten gibt es außerdem Coachings von erfahrenen Berufsmusi­kern. Ein weiteres Angebot ist der Dirigenten­tag, der einmal im Jahr stattfinde­t und Dirigenten aus ganz Europa zusammenbr­ingt.

„Das alles fruchtet aber nur, wenn auch Leute kommen und sich ausbilden lassen“, betont Hämmerle. Derzeit sei der Kreisverba­nd auf einem guten Weg – zwölf Personen befinden sich derzeit in der Dirigenten­ausbildung. Hämmerle hofft, dass sie anschließe­nd auch bereit sind, eine Kapelle zu übernehmen – vielleicht in Mochenwang­en oder Molpertsha­us?

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FOTO: ALENA EHRLICH
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FOTO: ALENA EHRLICH Im Kreis Ravensburg wird es immer schwierige­r, die offenen Dirigenten­stellen zu besetzen. Auch Dieter Schneider hört nach rund 41 Jahren als Dirigent beim Musikverei­n Baienfurt in diesem Jahr auf.

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