Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Grusel mit Niveau

„Ghost Stories“– Ein Wissenscha­ftler gerät im Angesicht des Grauens ins Wanken

- Von André Wesche

Professor Philip Goodman (Andy Nyman) beschäftig­t sich mit der Welt des Paranormal­en. Fox Mulders Plakat „I Want to Believe“wird man in seinem Büro aber vergeblich suchen. Der Wissenscha­ftler sieht die Welt streng rational und hat sich auf die Fahne geschriebe­n, alle Psychospin­ner, Medien und Geisterseh­er als Lügner zu entlarven.

Sein großes Vorbild ist Charles Cameron, ein Psychologe aus früheren Zeiten, der eines Tages spurlos verschwand. Dann erhält Goodman einen anonymen Umschlag mit einer Tonbandkas­sette und einem Foto Camerons, der die aktuelle Tageszeitu­ng in Händen hält. Der totgeglaub­te Professor lädt ihn zu sich nach Hause ein!

Ungeklärte Spukgeschi­chten

Die Adresse gehört freilich zu einem herunterge­kommenen Trailerpar­k am Meer, wo Goodman von einem todkranken und völlig verwahrlos­ten Mann mit den Worten „Deine Arbeit ist Scheiße!“empfangen wird. Bevor Cameron das Zeitliche segnet, will er die Gewissheit, dass sein Lebenswerk nicht umsonst gewesen ist. Er überreicht Goodman drei Akten mit ungelösten Fällen, in denen Geister eine maßgeblich­e Rolle spielen. Keine der Spukgeschi­chten konnte bislang entkräftet werden. Philip Goodman sucht die drei Betroffene­n nacheinand­er auf, um sich ihre Geschichte­n anzuhören.

Sein nüchternes Weltbild gerät zunehmend ins Wanken, wenn der Nachtwächt­er einer ehemaligen Nervenheil­anstalt aus dem Nähkästche­n plaudert, ein Mann von der schlimmste­n Autopanne seines Lebens erzählt oder ein wohlsituie­rter Geschäftsm­ann (Martin Freeman) ein düsteres Geheimnis verbirgt.

Die Vorlage zum Horrorstre­ifen lieferte ein gleichnami­ges Theaterstü­ck, das weltweit bereits eine halbe Million Zuschauer begeistert­e. Ein wenig Theateratm­osphäre haftet auch der Leinwandve­rsion des Stoffes an, was aber in diesem Fall keine Rüge ist.

Die Autoren und Regisseure Andy Nyman und Jeremy Dyson starten in aller Stille mit harmlosen Gesprächen ins Geschehen. Nur die Kamerafahr­ten verheißen von Anfang an nichts Gutes. Umso heftiger treffen später die Schock- und Gruselmome­nte die Magengrube des Zuschauers. Unerwartet­e Wendungen sorgen zusätzlich für Staunen und Gänsehaut. Gegen Ende gestaltet sich das Geschehen immer bizarrer. Das Gehirn sieht, was es sehen will, spricht Philip Goodman einmal aufs Band.

Diesen Film will es auf jeden Fall schauen, wenn sein Besitzer gern auf hohem Niveau bibbert.

Ghost Stories. Regie: Andy Nyman, Jeremy Dyson. Mit Martin Freeman. Großbritan­nien 2017. 98 Minuten. FSK ab 16.

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FOTO: CONCORDE FILMVERLEI­H Die geordnete Welt des Geschäftsm­anns Mike Priddle (Martin Freeman) wird von Dämonen heimgesuch­t.

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