Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Jüdische Gemeinde kritisiert Theater Konstanz
Warnung vor Instrumentalisierung der Schoa-Opfer
KONSTANZ (sz) - Zur umstrittenen Inszenierung von George Taboris „Mein Kampf“im Theater Konstanz hat die Konstanzer Synagogengemeinde einen offenen Beschwerdebrief verfasst. Darin kritisiert sie Regisseur Serdar Somuncu und Intendant Christoph Nix mit deutlichen Worten: „Schoa ist kein Rollenspiel, Schoa war systematisierter Völkermord.“
Grund für die Zurechtweisung sind die Einlassbedingungen. Die sehen vor, dass Hakenkreuze und „Judensterne“verteilt werden. „An Abartigkeit nicht zu übertreffen“sei das Festhalten an diesem Teil der Inszenierung, heißt es in dem Schreiben, das an den Konstanzer Oberbürgermeister Ulrich Burchardt adressiert ist. Weiter: „Die Opfer der Schoa brauchen keine Solidarität von Personen, die sich zwischen dem Zahlen oder Nichtbezahlen für eine Theaterkarte entscheiden können. Die Opfer der Schoa hätten die Hilfe gebraucht, bevor sie Opfer geworden sind – als man die Wahl über Leben oder Tod hatte. Diese künstlerische Parallele zu ziehen, ist widerwärtig.“Die Wahl des Premierendatums auf Adolf Hitlers Geburtstag am 20. April sei ein Höhepunkt der Perversion.
„Als betroffene Minderheit sagen wir, dass diese Auseinandersetzung ohne Einbezug der Betroffenenperspektive selbst stattfindet, die eine solche Aktion als nichts weiter empfindet, als aufmerksamkeitsgeile Instrumentalisierung“, schreibt die Gemeinde weiter. Zuschauern einen „Judenstern“anzuheften, lege den Fokus nicht auf die Schicksale der Ermordeten, sondern auf Nazisymbolik und -kult. „Sollte es hier um Erinnerungskultur gehen, so wurde sie schlicht nicht verstanden.“
Somuncu und Nix hatten am Dienstag bei einer Pressekonferenz ihren Ansatz verteidigt. Es gehe darum, auf die zunehmende Hoffähigkeit des Antisemitismus in Deutschland hinzuweisen und den politischen Gegner offen anzugehen. Ein Konzept, das die Synagogengemeinde beiden nicht abnimmt: „Das Theater ist nicht an der sensiblen Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich interessiert und hat die Kritik nicht verstanden. Von Bedeutung scheinen lediglich die Verkaufszahlen nach erfolgreicher PR-Aktion und die Reichweite, die mit dieser Provokation erreicht werden kann.“Der Brief schließt mit dem Verweis auf einen Boykottaufruf der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Konstanz.
Wie die Konstanzer Staatsanwaltschaft berichtet, gingen zwischenzeitlich zahlreiche Strafanzeigen wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Zeichen ein. Da die Einbeziehung der Symbole von der Kunstfreiheit abgedeckt sei, sehe man aber von einem Ermittlungsverfahren ab.