Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Neubau ist wirtschaftlicher als Umbau
Landesamt hält Kauf des früheren Telekom-Gebäudes des Kreises Ravensburg für unwirtschaftlich
Polizeipräsidium kommt wahrscheinlich doch an alten Polizei-Standort.
RAVENSBURG - Das neue Polizeipräsidium Oberschwaben bekommt allem Anschein nach doch einen Neubau an der Ravensburger Gartenstraße. Die Option, das ehemalige Telekom-Gebäude in der unmittelbaren Nachbarschaft vom Landkreis zu kaufen und dort eine Art Landesbehördenhaus samt Staatsanwaltschaft einzurichten, ist vom Tisch. Entsprechende Informationen der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte der Leiter des Amtes für Vermögen und Bau Baden-Württemberg in Ravensburg, Hermann Zettler.
Ursprünglich wollte das Landeskabinett laut Zettler im April die Entscheidung treffen. Das verzögert sich allerdings voraussichtlich bis zur Sommerpause, weil die letzte Abstimmung des Innenministeriums mit dem Finanzministerium noch aussteht.
Wie berichtet, bekommt Ravensburg im Zuge der erneuten Reform der Polizeireform zum 1. Januar 2020 ein eigenes Präsidium, das für die Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und Bodensee zuständig sein wird. Das Amt für Vermögen und Bau Baden-Württemberg rechnete mit Hochdruck verschiedene Varianten auf seine Wirtschaftlichkeit durch, denn die Planung und der Bau des Präsidiums werden einige Jahre in Anspruch nehmen. Je früher begonnen werden kann, desto besser. Die vom Landkreis Ravensburg ins Spiel gebrachte Idee, statt in einen Neubau auf dem Gelände der früheren Polizeidirektion ins kreiseigene Telekom-Gebäude einzuziehen, hatte für die Planer zunächst einen gewissen Charme: So hätte sich vermeiden lassen, bis zur Fertigstellung des Neubaus in ein Provisorium zu ziehen.
Komplizierte Grundschuld
Nach SZ-Informationen soll der Kaufpreis für die Immobilie, die der Kreis im Jahr 2012 der Telekom abkaufte, aber für den Geschmack des Landes zu hoch und somit nicht akzeptabel gewesen sein. Die Rede ist von 26,8 Millionen Euro, die Landrat Harald Sievers ursprünglich haben wollte. Ein neutrales Wertgutachten hatte dann ergeben, dass das Gebäude nur 21,2 Millionen Euro wert ist. Gezahlt hatte der Landkreis für das „Kreishaus II“, in dem unter anderem Sozialdezernat und Gesundheitsamt untergebracht sind, vor sechs Jahren nur 16 Millionen Euro an die Telekom.
Zudem liegt auf dem Gebäude noch eine öffentlich-rechtliche Grundschuld aus Zeiten der Telekom, die die Nutzung des Hauses für polizeiliche Zwecke „komplett kompliziert“machen würden, wie Hermann Zettler der „Schwäbischen Zeitung“sagte. Die Telekom-Mitarbeiter hätten Zugang zu hochsensiblen, videoüberwachten Bereichen gehabt. Möglicherweise ein Sicherheitsrisiko.
Was erschwerend hinzukommt: Das Land will Vorreiter in Sachen Passivhausstandard und erneuerbare Energien sein, um die Folgekosten des Gebäudes zu senken. Zettler: „Das ist ein wichtiges Thema für uns.“Beim Neubau des Präsidiums lasse sich das verwirklichen, beim Umbau des etwa 30 Jahre alten Telekom-Gebäudes hingegen nicht. Zettler: „Da wäre das widersinnig.“Und sogar insgesamt teurer: Neben dem Kaufpreis von 21 Millionen Euro müsste das Land in die Umbauten viel Geld stecken, während ihm das Gelände der alten Polizeidirektion ja schon gehört. Die Gegenüberstellung der Kosten hat ergeben, dass die Telekom-Lösung 47,8 Millionen Euro kosten würde, der Neubau 42 Millionen Euro – samt dem Vorteil der besseren Energieeffizienz und entsprechend niedrigeren Folgekosten. Plus zwei Millionen Euro für eine Interimslösung macht das summa summarum 44 Millionen Euro.
Falls das Kabinett jetzt schnell eine Entscheidung fällt, soll im ersten Quartal 2020 als Provisorium das Führungs- und Lagezentrum mit etwa 50 bis 60 Beamten in die alte Polizeidirektion ziehen. Der Plan sieht weiter vor, zwischen Herbst 2020 und März 2024 im rückwärtigen Teil den ersten Neubau zu errichten, in den das Führungszentrum dann umzieht. Anschließend wird der Altbau abgerissen und zur Gartenstraße hin weitergebaut. Im Februar 2027 wäre der Gebäudekomplex für knapp 350 Beschäftigte fertig – darunter auch die Beamten des Polizeireviers in der Seestraße.
„Das Polizeipräsidium neu zu bauen, ist eine Entscheidung des Landes, die wir respektieren und deshalb nicht weiter kommentieren“, äußerte sich Landrat Sievers über seine Pressestelle. Mit der Bereitschaft, das „Kreishaus II“für die Zwecke der Polizei zur Verfügung zu stellen, habe der Landkreis nicht nur den politischen Willen artikuliert, das Polizeipräsidium nach Ravensburg zu holen, sondern auch eine echte und realistische Handlungsoption aufgezeigt. „Vermutlich wäre es zudem auch der schnellste Weg gewesen, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wenn das Land nun eine bessere Umsetzungsmöglichkeit auf dem eigenen Gelände sieht, soll uns das recht sein, und wir freuen uns für die Polizisten, dass sie ein neues Gebäude bekommen.“Sievers geht nicht davon aus, dass der Kaufpreis das K.o.-Kriterium gewesen sei.
Der Kreistag, der nach SZ-Informationen mehrheitlich die Nase voll hat von Sievers Alleingängen, hat mittlerweile für die Weiterentwicklung der Kreisimmobilien und -standorte einen begleitenden Arbeitskreis installiert. Der beschäftigt sich jetzt intensiv mit der Frage, wie die Landkreisverwaltung in Zukunft untergebracht werden soll.