Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Politiker wollen Plastikmüll vom Acker fernhalten
Landkreis überprüft Abfallerzeuger und Biogasanlagen – Bundestagsabgeordneter Axel Müller greift Thema auf
RAVENSBURG - Die Aufregung über Plastikpartikel, die über vergorenen Biodünger auf Feldern landen, ist weiterhin groß. Nachdem der Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) des Landkreises Ravensburg darüber im Dezember vergangenen Jahres beratschlagt hat und zu dem Entschluss gekommen ist, die Kunststoffreste im Biomülldünger zu reduzieren, hat das Thema jetzt auch Berlin erreicht: Der Ravensburger Bundestagsabgeordnete Axel Müller (CDU) sprach das Problem gegenüber der neuen Bundesregierung an.
Wie die „Schwäbische Zeitung“berichtete, haben Kreistag und Kreisverwaltung in den vergangenen Monaten mehrfach über die Kunststoffbelastung auf landwirtschaftlichen Flächen diskutiert. Ausgangspunkt war ein entsprechender Antrag des ÖDP-Fraktionsvorsitzenden Siegfried Scharpf. Er kritisierte, dass Kunststoffe, die kleiner als zwei Millimeter sind, durch das Raster der Biogasanlagen fallen und schließlich in den Gärmitteln landen. Diese Weichmacher würde der Mensch über die Nahrungskette aufnehmen, so Scharpf. Krebs oder verringerte Fruchtbarkeit seien die Folge. Deshalb, so der Antrag des ÖDP-Kreisrats, müssten Lebensmittel vor dem Gärprozess komplett von Plastikverpackungen befreit werden.
Die Gesundheitsgefahren sind für den hiesigen Bundestagsabgeordneten Axel Müller ein Grund, aktiv zu werden. Wie sein Berliner Büro mitteilt, habe es in den vergangenen Wochen verschiedene Gespräche mit dem Umweltbundesamt, dem Bundesumweltministerium sowie dem Bundeslandwirtschaftsministerium gegeben. Hintergrund dieser Gespräche sei, dass mit der Bioabfallverordnung in der Zuständigkeit des Umweltministeriums sowie der Düngemittelverordnung in der Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums verschiedene Bundesministerien den Status quo verantworten.
Bauern haben schwarzen Peter
Für Müller ist dabei klar: „Der Bauer ist nicht das schwarze Schaf, sondern oftmals der unwissende Leidtragende, der den schwarzen Peter zugeschrieben bekommt.“Insofern stimme ihn froh, dass abschließend zugesichert worden sei, dass das Umweltministerium im Rahmen der nächsten Novelle der Bioabfallverordnung prüfen wird, ob eine weitere Verschärfung der FremdstoffGrenzwerte möglich und sachgerecht erscheint (siehe Kasten) oder ob eine Regelung zur Begrenzung von Kunststoffen bereits bei den zuzuführenden Bioabfällen zielführender ist.
Auch der Ravensburger ÖDPChef, Siegfried Scharpf, pocht darauf, dass das Gesetz geändert werden muss. Ein Dorn im Auge ist ihm insbesondere, dass Supermärkte und Abfallerzeuger ihre Lebensmittel verpackt bei den Entsorgungsbetrieben abgeben können – und nicht trennen müssen wie Privatmenschen. Vor dem Gärprozess müssten die Lebensmittel getrennt werden, meint er. „Sie Supermärkte müssen hier zur Verantwortung gezogen und zur Not finanziell belangt werden“, so Scharpf. Eine Lösung könnte ihm zufolge sein, Personal einzustellen, das den Müll sortiert. Denn wenn das Plastikproblem nicht angegangen werde, könne es irgendwann zu Anbauverboten für Landwirte kommen, prophezeit der ÖDP-Politiker.
Anlagen von Behörde untersucht
Die Ravensburger Kreisverwaltung klärt – auf Beschluss des AUT hin – derzeit die Frage, ob und wie das Thema Plastik in Gärresten von Biogasanlagen relevant ist. Ein wesentlicher Faktor sei hierfür, in welchem Umfang verpackte Lebensmittel von den Speiseresteverwertungsanlagen angenommen werden. Aussagekräftige Daten werden laut Landratsamt derzeit erhoben: Befragt wurden vier Betreiber von gewerblichen Biogasanlagen, die Speisereste in ihre Anlagen einbringen, sowie 52 Abfallerzeuger und Transporteure, die diese abgeben. Die Auswertung wird nach Angaben des Landratsamtes wohl bis Ende Mai 2018 dauern.
Parallel zur Erhebung der Daten wurde die Technik in zwei Biogasanlagen im Kreis, die mit dem Thema bislang in Zusammenhang gebracht worden sind, unter die Lupe genommen. Laut Franz Hirth, Pressesprecher im Landratsamt, ist festgestellt worden, dass sich die Technik verbessert hat. „Ob dies bereits als Stand der Technik angesehen werden kann, ist jedoch noch offen“, so Hirth. Im Mai erfolgt die Überprüfung der zwei weiteren Biogasanlagen, in die Speisereste eingebracht werden.
Doch selbst wenn die eingesetzten Sortier- und Trennverfahren moderner geworden sind, gelte es nach Ansicht von Bundestagsmitglied Müller, „dass die Politik dem Stand der Technik auch zukünftig Rechnung tragen muss – insbesondere, da ansonsten das komplette Konzept der Kreislaufwirtschaft der Bioabfallverwertung infrage steht“. Insofern hofft Axel Müller auf weitere Innovationen, um die Grenzwerte erneut diskutieren zu können.