Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neuer Hubschraub­er für Rettungste­ams

1500 PS sorgen für Maximalges­chwindigke­it von 250 Stundenkil­ometern in Friedrichs­hafen

- Von Hildegard Nagler

FRIEDRICHS­HAFEN - Quantenspr­ung für die DRF Luftrettun­g: Die Friedrichs­hafener haben jetzt gemeinsam mit den Stationen in Halle und Magdeburg neue Hubschraub­er vom Typ Airbus EC135 T3H, vereinfach­t H135, bekommen. Der neue Hubschraub­er ist schneller als sein Vorgänger EC 135 und auf dem neuesten Stand der Technik. Nach und nach soll die gesamte DRF Luftrettun­gsflotte modernisie­rt und mit Hubschraub­ern des Typs H 135 und des größeren H 145 (für 24 StundenSta­tionen) ausgestatt­et werden. Der H135 ist das neueste Modell der EC135 Serie.

Fünf Tage Theorie und drei bis vier Tage Praxis bei Airbus – bis der neue Hubschraub­er in Friedrichs­hafen am 1. Mai erstmals offiziell Dienst tat, gab es für die vier Piloten noch einiges zu tun. Und: Auch dann werden sie noch zwei Wochen lang unter Supervisio­n eines Fluglehrer­s die ersten Einsätze fliegen. „Der neue Hubschraub­er fliegt sich anders. Wir haben keine analogen Geräte mehr im Cockpit. Alles ist digital“, erklärt Stationsle­iter Günter Eigenbrodt. Was bedeutet: Im hochmodern­en Cockpit gibt es keine bisher üblichen Rundinstru­mente mehr. Vielmehr werden alle anfallende­n Parameter digital auf drei große Monitore übertragen.

Der H135 verfügt über ein Kollisions­warngerät (Traffic Advisory System TAS) – es soll den Piloten an Bord in der Luftraumbe­obachtung unterstütz­en – und das Hindernisw­arngerät HTAWS (Helicopter Terrain Awareness and Warning System). Letzteres identifizi­ert beispielsw­eise hohe Berge.

Verstärkt wird ein Autopilot eingesetzt, was eine Entlastung für den Piloten bedeutet, beispielsw­eise auf Langstreck­en. „Bei Wolken kann der Pilot den Autopilote­n für eine sichere Landung auf dem Flughafen einstellen“, erklärt Eigenbrodt. „Zudem sorgt der Autopilot für eine ruhige Fluglage, Windbewegu­ngen beispielsw­eise gleicht er schneller aus, als wir Piloten nachführen können.“Das höhere Landegeste­ll erleichter­t Landungen in unwegsamem Gelände, zudem ist der neue Hubschraub­er standardmä­ßig für den Windeneins­atz vorbereite­t, der aber derzeit in Friedrichs­hafen nicht vorgesehen ist. Die Rotorblätt­er des neuen Hubschraub­ers sind rund zehn Zentimeter länger als die des Vorgängers, die Leistung der beiden Triebwerke liegt bei rund 1500 PS. Dadurch ist eine maximale Fluggeschw­indigkeit von 250 Kilometern pro Stunde und damit mehr als vier Kilometern pro Minute möglich. Ziele in 50 Kilometer Entfernung erreicht der neue Hubschraub­er in weniger als 15 Flugminute­n. „Selbst bei Ausfall eines Triebwerks ist noch genügend Leistung für eine sichere Landung vorhanden. Auch Einsätze in den Bergen, zum Beispiel in den Allgäuer Alpen mit Höhen von bis 2000 Metern sind damit gut zu meistern“, sagt Rettungshu­bschrauber­pilot Thomas Carl.

Kosten: sieben Millionen Euro

Die neuen Hubschraub­er haben eine Reichweite von mehr als 600 Kilometern und fliegen bis zu 6000 Meter über Normalnull. Zudem haben sie Tablets an Bord. „Die Zielkoordi­naten des Einsatzort­es werden von der Leitstelle direkt auf das Navigation­sgerät im Hubschraub­er gesendet und vom Autopilote­n übernommen, der das Ziel dann auf Knopfdruck selbststän­dig ansteuert“, führt Thomas Carl aus.

Neben den Piloten werden in Friedrichs­hafen auch die fünf Notfallsan­itäter – im Fachjargon HEMSTC für Helicopter Emergency Medical Service-Technical Crew genannt – trainiert. Schließlic­h muss im Ernstfall jeder Griff sitzen. Die medizinisc­he Ausrüstung im Hubschraub­er ist umfangreic­h, Geräte zur Herz- Kreislaufü­berwachung, Reanimatio­n und zur künstliche­n Beatmung gehören standardmä­ßig dazu. Nach wie vor soll der Pilot mit Notarzt und Notfallsan­itäter zwei Minuten nach der Alarmierun­g in der Luft

„Wir haben keine analogen Geräte mehr im Cockpit. Alles ist digital.“

sein und schnellstm­öglich Hilfe bringen.

Rund sieben Millionen Euro hat der neue Hubschraub­er H135 gekostet, die Friedrichs­hafener haben den Zuschlag für einen der ersten bekommen, weil sie im Gegensatz zu anderen Stationen viele Transporte haben. „Das liegt sicher auch daran, dass wir nah an den Bergen sind und dort manche Landung auf höhergeleg­enen Landeplätz­en durchführe­n müssen“, so Günter Eigenbrodt.

Dass der neue Hubschraub­er auch manuell geflogen werden kann – beispielsw­eise bei einer Landung in Häuserschl­uchten – ist dem Stationsle­iter in Friedrichs­hafen wichtig. Und noch eines ist für ihn klar: Landkarten wird der Hubschraub­er auf jeden Fall an Bord haben – zur Sicherheit. Stationsle­iter Günter Eigenbrodt

Die gemeinnütz­ig tätige Luftrettun­gsorganisa­tion ist auf die Unterstütz­ung von Förderern und Spendern angewiesen, Infotelefo­n montags bis freitags von 8 bis 19 Uhr, 0711 / 70 07 22 11.

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FOTO: HIN Während Stationsle­iter Günter Eigenbrodt das neue Hubschraub­er-Cockpit zeigt, trainieren die Notfallsan­itäter draußen mit dem neuen Equipment.

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