Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Landschaften, neu interpretiert
Katharina Widmaier stellt im Landgericht Ravensburg aus
RAVENSBURG (sz) - In einem berühmten Brief der Weltliteratur hat der Dichter Francesco Petrarca am 26. April 1336 die Besteigung des Mont Ventoux in der Provence beschrieben. Es war der erste Bericht von einer Bergwanderung in der Geschichte der Menschheit, über die wir genauer Bescheid wissen. Eine Art von Urknall der Literatur – wie auch der Kunstgeschichte. Wichtig nicht nur für Albvereinler und Alpinisten. Was Wunder, dass Martin Oswald Kunstprofessor an der PH Weingarten, diese Geschichte zum Besten gab, als er am Donnerstagabend im Landgericht Ravensburg die Ausstellung der Malerin Katharina Widmaier eröffnete. „Weitsichten“heißt das Motto der bis 31. Juli laufenden Werkschau, die sich ausschließlich dem Thema Landschaft widmet.
Es war ein regelrechter Parcours von Prominenten, der sich da im Landgericht ein Stelldichein gab. Unter ihnen zwei frühere Landräte, Guntram Blaser und Kurt Widmaier, letzterer der Gatte der Malerin, später auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Müller, vom Präsidenten des Landgerichts, Thomas Dörr, begrüßt. Dörr ist auch Sprecher des Kunstvereins Justitia, der im Landgericht vier Ausstellungen pro Jahr bestreitet und dabei Ravensburger Künstler bevorzugt.
Soll man, kann man heutzutage, da alle möglichen neuen Techniken die Kunstszene dominieren bis hin zur Computerkunst, noch so etwas Traditionelles wie Landschaft malen? Ist das nicht alles längst gemalt – von den Holländern, von den Romantikern, von den Expressionisten? Gewiss, die Nischen, innerhalb derer Neues überhaupt noch möglich zu sein scheint, werden immer kleiner. Doch Katharina Widmaier, von Hause aus studierte Wirtschaftswissenschaftlerin und als Künstlerin weitgehend Autodidaktin wie so viele in diesem schwierigen Genre, gelingt es, eine ganz eigene originelle Handschrift zu entwickeln. Parallel zur Natur, nicht, indem sie diese einfach nur abmalt, kreiert sie in hoher Sensibilität für Komposition, Farbe und Fläche immer wieder ganz eigenständige, stark abstrakte, imaginäre, stille Landschaftsbilder, die das Prädikat Schönheit verdienen, so trivial es auch besetzt sein mag. Katharina Widmaier hat dazu eine Technik entwickelt, die, so Martin Oswald, bisweilen mittels Sand, Marmor- und Urgesteinsmehl, also Stoffen aus der Natur, eine neue Natur im Bild erzeugt.
Einige herausragende Beispiele: zwei Berglandschaften im ersten Obergeschoss (Nr. 8 und 10), gleich gegenüber ein schönes Triptychon (Nr. 6) und ein Blick auf einen türkisfarbenen See zwischen zwei Felsen (Nr. 4). Starke Bilder. Weniger stark, weil womöglich zu laut, zu poppig, eine Dreierreihe im Erdgeschoss (Nr. 42, 43, 68). Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten (oder auch nicht streiten). Beeindruckend auch die vier stillen inneren Landschaften zum Thema Jahreszeiten (Nr. 44 bis 47).
Im zweiten Obergeschoss zeigt Katharina Widmaier fein differenzierte, kleinformatige Flash-Art-Bilder, luftig-leichte Lack-Malereien, die schemenhafte Formen bilden. Ausgesprochen poetische Bilder. Ihre Malerei ist professionell, stellte der Kunstprofessor Oswald fest. Katharina Widmaier habe der großen Tradition der Landschaftsmalerei etwas Eigenes hinzufügen können. Wenn das keine Adelung ist! Christina Beck aus Ratzenried umschmeichelte die Vernissagen-Gäste mit wunderbaren sanften Melodien, die noch lange nachklingen.
Geöffnet ist die Ausstellung bis 31. Juli. Die Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 8 bis 16.30 Uhr, Freitag 8 bis 15.30 Uhr, an Feiertagen geschlossen. ANZEIGE