Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Das Spielfeld ist unser Wohnzimmer“
Hasan Koparan spielt am Samstag mit der Blindenfußball-Mannschaft des FC Schalke 04 in Wangen
WANGEN - Die Blindenfußball-Bundesliga gastiert am heutigen Samstag in Wangen mit ihrem ersten Spieltag der Saison 2018/19 auf einem extra aufgebauten Platz hinter der Argensporthalle. Eine der Partien lautet FC Schalke 04 gegen FC St. Pauli. Diese wird um 16 Uhr angepfiffen. Auflaufen wird dann auch der 30-jährige Hasan Koparan, der seit fünf Jahren für die Schalker spielt und zudem Nationalspieler ist. Durch eine Krankheit verlor er als 13-Jähriger sein Augenlicht, nicht aber die Freude am Fußball. Im Gespräch mit Michael Panzram erklärt Koparan, was die Zuschauer am Samstag in Wangen erwartet.
Herr Koparan, was macht für Sie die Faszination Blindenfußball aus?
Aus sportlicher Sicht ist es ganz klar die Schnelligkeit und die Dynamik im Spiel. Es ist ganz häufig so, dass wir unterschätzt werden. Aber das Spiel ist wirklich sehr, sehr schnell. Man muss fit sein, man muss Orientierungsvermögen haben. Die Faszination ist die, dass man ganz viele sportliche Komponenten kombinieren muss, um erfolgreich zu sein.
Wie groß ist die Blindenfußballszene in Deutschland?
Es sind etwa 200 aktive Spieler. Wir sind eine kleine, familiäre Gruppe.
Gibt es Stars in der Szene?
Es gibt die Nationalspieler, die sich auf der Leistungsebene etwas von anderen abheben. Wer es dahin schafft, zählt natürlich zu den Topspielern. Die Ligaspiele sind auch deshalb so interessant, weil das die Gelegenheit ist, auch mal gegeneinander zu spielen und sich mit den besten Spielern zu messen. Im Nationalteam spielen wir ja miteinander.
Wie ist die Aufteilung auf dem Spielfeld?
Es gibt nur vier Feldspieler, deshalb ist zum Beispiel das Mittelfeld schwer zu definieren. Das ist vergleichbar mit Hallenfußball, wo jeder überall sein muss. Klar ist aber auch, dass jeder spezielle Aufgaben hat. Bei Schalke bin ich Stürmer, in der Nationalmannschaft nehme ich eine defensivere Rolle ein.
Wie bewegen Sie sich auf dem Spielfeld? Was sind Ihre Anhaltspunkte?
Das Spielfeld ist unser Wohnzimmer. Wenn wir auf dem Platz sind, der von Banden begrenzt wird, kennen wir uns richtig aus. Wir haben dazu sehende Hilfen von außen, der Trainer und der Guide, der hinter dem gegnerischen Tor steht und uns Anweisungen gibt. Und es braucht ein bisschen Mut und Orientierungsvermögen, dann ist es kein Problem, sich frei zu bewegen.
Wie kommunizieren Sie untereinander auf dem Feld?
Es gibt ein Wort, das im internationalen Regelwerk fest verankert ist. Es heißt „Voi!“und bedeutet „Ich komme“. Das ist ein Signal an den Gegner, der gerade den Ball führt. Er selbst muss nichts sagen, weil er ja durch den rasselnden Ball zu hören ist. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass das sehr statisch abläuft. Das sind alles fließende Bewegungen, im Vollspeed. Da kann es auch mal knallen.
Wie erleben Sie Fußball als Fan? Gehen Sie auf Schalke in die Arena?
Fußball ist natürlich eine große Leidenschaft. Ich gehe sehr gerne ins Stadion und bin schon in vielen Arenen in ganz Deutschland gewesen. Da ich in Köln lebe, gehe ich oft zum FC. Wir Blinde erleben das Spiel gar nicht so anders wie Sehende. Uns begleiten Ehrenamtliche, die für uns das Spiel kommentieren. Durch diese Audiodeskription haben wir die Möglichkeit, die Atmosphäre und das Spiel gleichermaßen zu erleben. Das ist wirklich toll. Wenn ich mit meinen Freunden zu Hause schaue, dann lasse ich mir gerne eine Szene nachbeschreiben. Ich weiß aber auch von früher, wie so ein Spielfeld aussieht. Deswegen kann ich mir auch vorstellen, wenn Cristiano Ronaldo einen schönen Fallrückzieher verwandelt.
Spieltag am Samstag, 5. Mai, in Wangen, auf dem Fußballcourt hinter der Argensporthalle:
10 Uhr: Chemnitzer FC - Borussia Dortmund
12 Uhr: Einlagespiel AmputiertenFußballer
13 Uhr: MTV Stuttgart - SF BG Blista Marburg
15 Uhr: Einlagenspiel ProminentenAuswahl
16 Uhr: FC Schalke 04 - FC St. Pauli