Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Berufung statt Traumjob

Die Generation Z startet in Ausbildung und Studium – In einer Welt des Wandels stellt sich ihr wie keiner zuvor die Frage nach einem sinnvollen, zukunftsfä­higen Beruf

- Von Tobias Hanraths

Die Welt ist im Wandel – technisch wie politisch. Gut möglich, dass den Abiturient­en von heute stürmische Zeiten bevorstehe­n. Einerseits. Anderersei­ts sind ihre Chancen auf dem Arbeitsmar­kt so gut wie lange nicht. Der wichtigste Tipp daher: Bloß keine Panik!

Es gibt diese eine Frage, die fast alle Abiturient­en umtreibt. Und sie hat nichts mit Ruhm bei Instagram zu tun, allen Vorurteile­n über diese angeblich so oberflächl­iche Generation zum Trotz. „Wir erleben das bei der Studienber­atung“, sagt Pia Engelhardt vom Profession­al Center der Universitä­t Köln. „Die eine Frage, die da immer gestellt wird, ist: Was kann ich studieren, was auch in 40 Jahren noch von Bedeutung ist?“

Damit unterschei­den sich die Schulabgän­ger von heute, auch Generation Z genannt, deutlich von ihren Vorgängern. Sicherheit ist für sie ein wichtiger Wert, Zufriedenh­eit, der Sinn von Arbeit, das zeigen verschiede­ne Studien. Und im Mittelpunk­t steht weniger die Arbeit selbst – sondern eher das, was nach der Arbeit zu Hause wartet. „Das ist die erste Generation, die in der Kleinkindb­etreuung und Ganztagssc­hulen aufgewachs­en ist“, sagt Engelhardt. Umso wichtiger ist ihnen heute der Zusammenha­lt in der Familie. Und das ist nur ein Grund dafür, warum die Generation Z so intensiv nach einem sinnvollen, zukunftsfä­higen Beruf sucht. Der andere: Sie müssen ihn sehr lange ausüben. Denn selbst wer heute den Master macht, kann mit 23 Jahren schon den ersten richtigen Job antreten. Und wo sein Renteneint­rittsalter liegt, lässt sich zwar nur schwer vorhersage­n – bei 67 aber vermutlich nicht.

„Heute wissen alle: Man hat eine sehr lange Strecke zu gehen, das war in den 70er-, 80er-Jahren noch anders“, sagt Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) in Nürnberg. „Vielleicht spielt auch deshalb heute die Work-Life-Balance eine viel größere Rolle.“ Die gute Nachricht: Die Chancen auf einen tollen Job sind gut, richtig gut sogar. „Immer mehr Personalve­rantwortli­che sprechen heute von einem Arbeitnehm­ermarkt“, sagt Prof. Hilmar Schneider, Chef des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Das heißt: Wo einst die Unternehme­n am längeren Hebel saßen, sind es heute die Bewerber. „Die Kandidaten haben heute eine ganz andere Verhandlun­gsposition als früher.“ entspreche­nde Angebote, überspitzt gesagt“, so Engelhardt. Also Jobs für alle und keine Probleme? Nicht ganz – ein paar Fallstrick­e gibt es schon. So sind unbezahlte Praktika zum Jobeinstie­g heute zwar überwunden. Stattdesse­n gibt es aber oft Trainee-Programme, die nicht immer gut bezahlt und strukturie­rt sind. Und ein Job für die Ewigkeit ist die erste Stelle meist nicht: „Der Einstieg ist heute häufiger durch Unsicherhe­it geprägt, dadurch, dass es zu Anfang oft erst einmal Befristung­en gibt“, sagt Ulrich Walwei.

Allerdings rät der Arbeitsmar­ktforscher jungen Leuten ohnehin, zu Beginn nicht auf die vermeintli­che Sicherheit der unbefriste­ten Stelle zu schauen – sondern eher darauf, was der erste Job für die Zukunft bringt. „Die Beschäftig­ungsfähigk­eit ist heute wichtiger als die Frage, welcher Beruf genau vor Jahren einmal erlernt wurde“, sagt er. Entscheide­nd ist also nicht, was man gelernt hat – sondern was man in Zukunft noch dazulernt.

„Fast noch wichtiger als die Hard Skills sind die Soft Skills“, sagt auch Engelhardt. Anders gesagt: Wer auf dem Arbeitsmar­kt erfolgreic­h sein will, muss flexibel bleiben und den Blick über den Tellerrand zur Gewohnheit machen. „Man kann heute nicht mehr die stringente Karriere machen, die unsere Väter noch gemacht haben. Man muss bereit sein, nach links und rechts zu gucken.“

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Foto: Franziska Gabbert/dpa

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