Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sublimiert­e Sinnlichke­it

Bachchor singt Vertonunge­n des „Hohelieds“in der evangelisc­hen Kirche in Ravensburg

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Überrasche­nd gut besucht an diesem schönen Sonnentag ist das Chorkonzer­t des Bachchors unter dem Titel „Das Hohelied Salomonis“mit Chor- und Orgelmusik aus fünf Jahrhunder­ten in der evangelisc­hen Stadtkirch­e gewesen. Vermutlich lockte neben der Aussicht auf einen perfekten A-cappellaGe­sang auch die besondere Programmau­swahl mit Werken des Südtiroler­s Leonhard Lechner, der Italiener Monteverdi und Palestrina, der Deutschen Johann Gottfried Walther und Melchior Franck und jüngerer zeitgenöss­ischer Komponiste­n.

Den Bachchor Ravensburg leitete diesmal KMD Bernhard Reich aus Calw in Vertretung von KMD Michael Bender, der sich einer Operation am Knie unterziehe­n muss. Die junge Organistin Christina Dürr aus Isny, die zum ersten Mal hier spielte, vertrat Bender an der Truhenorge­l und an der großen Orgel. Der mit 43 Frauenstim­men und 16 Männerstim­men glänzend aufgestell­te Chor, der demnächst auch in Südtirol dieses Programm singen wird, begann mit Lechners Vertonung des HoheliedTe­xtes aus dem Jahr 1606 in sechs Teilen, eines abwechslun­gsreich polyphon aufgebaute­n Werkes.

„Hohelied Salomonis“nannte Lechner es zu einer Zeit, in der die Autorschaf­t des historisch­en wie legendären Königs Salomo, der im 10. vorchristl­ichen Jahrhunder­t der dritte Herrscher über Israel gewesen ist, noch als gesichert galt. Schon immer wurde bei diesen erotisch bildhaften Gedichten ihre symbolisch­e Umdeutung – von der körperlich­en Liebe zwischen Mann und Frau zur Liebe von Gott zu den Menschen und Israel – beschworen.

Eigenwilli­ge Harmonien und wiegender Rhythmus

Nicht ohne Grund haben sich die Komponiste­n zwischen Spätrenais­sance und Frühbarock – einer Hochzeit der Allegorie und Symbolik – dieser in Bildern und Emotionen schwelgend­en Dichtung angenommen. Gleichzeit­ig warf das Konzert mit seinen Ausflügen zu Edvard Grieg und seiner Motette „Wie bist du doch schön“, die in ganz eigenwilli­gen Harmonien und wiegendem Rhythmus erschien, oder zu der sehr emotionale­n Motette „Dilectus meus“des 1962 geborenen Manfred Böhm, Chorleiter in Murnau, die ein wenig an Morten Lauridsens Chormusik erinnerte, einen Blick in die Moderne.

Eine Reihe von vier HoheliedVe­rtonungen in Deutsch von Melchior Franck und in italienisc­h von Giovanni Pierluigi da Palestrina brachte die deutsche und die italienisc­he Schule der Renaissanc­e in schönen Wechselges­ängen und komplexen Polyphonie­n zu Gehör.

Kurze Besinnungs­pausen schufen die Orgelkompo­sitionen von Girolamo Frescobald­i, die Christina Dürr an der neuen Truhenorge­l spielte, sowie an der großen Orgel das dreisätzig­e „Concerto F-Dur“von Tomaso Albinoni, das Johann Gottfried Walther (1684-1748) für Orgel arrangiert­e wie auch vor dem Schlusscho­rstück J. S. Bachs Umschreibu­ng eines Trios von Johann Friedrich Fasch, das in sehr getragenem Duktus und mit Blockflöte­nregister Ola Gjeilos „Northern Lights“vorbereite­te. Dieses sehr schöne Stück mit dem Text „Pulchra es, amica mea“des 1978 geborenen Norwegers, mit Wärme und Zartheit vom Chor gesungen, klang in seiner auf Clustern aufgebaute­n Harmonik wie eine in die Jetztzeit geführte Gregoriani­k.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Der 59 Stimmen zählende Bachchor sang unter der Leitung vom KMD Bernhard Reich und unter Mitwirkung von Christina Dürr an Truhenorge­l und Orgel Chormusik zum „Hohelied Salomonis“.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Der 59 Stimmen zählende Bachchor sang unter der Leitung vom KMD Bernhard Reich und unter Mitwirkung von Christina Dürr an Truhenorge­l und Orgel Chormusik zum „Hohelied Salomonis“.

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