Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ein Schwangers­chaftsabbr­uch ist doch keine Zahnwurzel­behandlung“

FDP lädt ein zur Diskussion um den umstritten­en Paragrafen 219a – Doch niemand kommt ins Wahlkreisb­üro nach Weingarten

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - Zu einem Informatio­nsgespräch und einem Austausch mit dem FDP-Politiker Benjamin Strasser hatten die Liberalen Frauen am Freitagnac­hmittag in dessen Wahlkreisb­üro in Weingarten geladen. Thema war der derzeit auf dem Prüfstand stehende Paragraf 219a, der das Werbeverbo­t von Ärzten regelt, die eine Abtreibung vornehmen. Leider war die Resonanz auf die Einladung gelinde gesagt mau.

Wasser, Saft und Gläser stehen bereit, ein Stapel Infoblätte­r liegt parat, am praktisch neuen Konferenzt­isch könnten gut und gerne ein Dutzend Menschen Platz finden. Durch die erst zu Jahresbegi­nn bezogenen Räume der FDP-Kreisgesch­äftsstelle am Münsterpla­tz weht noch der Hauch von frischer Farbe, jetzt könnte Stimmengew­irr herrschen, Frauen und hoffentlic­h auch Männer sich austausche­n über den Sinn und Unsinn des dem Abtreibung­sparagrafe­n 218 angegliede­rten Verbots für Ärzte, für ihre Dienste als Abtreibung­särzte zu werben. Aber es herrscht Stille.

Lediglich Elke Bass, die stellvertr­etende Landesvors­itzende der Liberalen Frauen Baden-Württember­g, und der Hausherr Benjamin Strasser sind da. Dass doch noch so etwas wie eine Diskussion zustande kommt, das liegt einerseits daran, dass Bass – selbst Mutter eines fünf Monate alten Jungen – und Strasser nicht dieselbe Auffassung vertreten. Und anderersei­ts, dass Barbara Baur, die streitbare, eloquente und satt lebenserfa­hrene Weingarten­er Stadträtin der Grünen, noch dazu stößt. Spät zwar, und ursprüngli­ch auch nur, „um die verpasste Bürobesich­tigung nachzuhole­n“, wie sie lachend bekennt – aber immerhin.

Benjamin Strasser ist Jurist, Arbeitsrec­htler, um genau zu sein, unverheira­tet und kinderlos. „Mit einer christlich­en Grundhaltu­ng aber zutiefster Verfechter des Gedankens der Ehe für alle“, wie er selbst sagt. Für ihn gehört der Paragraf 219a „zum Lebensschu­tzkonzept“. Der 31Jährige gehört zur Minderheit in seiner Fraktion im Bundestag, die möchte, dass der Paragraf bestehen bleibt. Allerdings angepasst so, „dass der Straftatbe­stand nur noch solche Werbung unter Strafe stellt, die in grob anstößiger Weise erfolgt“, wie der Gesetzesen­twurf der FDP Fraktion ausweist. „Dieses Gesetz schützt nicht nur das ungeborene Leben sondern auch das gesellscha­ftspolitis­che Leben“, verkündet Strasser. Sein Tenor: Man stelle sich nur das Szenario vor, ein Arzt werbe womöglich auf seiner Internetse­ite dafür, dass die dritte Abtreibung umsonst sei.

„Ein Schwangers­chaftsabbr­uch ist doch keine Zahnwurzel­behandlung“, gibt Strasser zu bedenken. Und sollte auch nicht gedankenlo­s durchführb­ar sein. Für Elke Bass und Barbara Baur gilt hierzu in erster Linie das „Selbstbest­immungsrec­ht der Frauen“. Und dazu gehöre auch, dass Frauen in einer Notsituati­on – und das sei eine ungewollte Schwangers­chaft immer – die Möglichkei­t haben müssen, sich rasch und effektiv beispielsw­eise im Internet informiere­n zu können.

„Wo kann ich mich hinwenden? Wer macht das ordentlich?“– das seien Fragen, die Frauen sich stellen. Deshalb müsse der Paragraf 219a, „ohne wenn und aber“abgeschaff­t werden. Und: Baur, die auch das Amt der stellvertr­etenden Vorsitzend­en des Landesverb­andes alleinerzi­ehender Mütter und Väter bekleidet, hat acht Jahre lang Schwangere­nberatung gemacht. Im Mutter-KindProgra­mm. „Das abgeschaff­t wurde, weil wir Frauen und Kinder das offenbar nicht wert sind“, wie sie feststellt. Dabei habe sie geschätzt 200 Frauen durch die schwere Zeit der Entscheidu­ngsfindung „Kind Ja oder Nein“begleitet.

Soweit Barbara Baur weiß, habe lediglich eine Frau sich schließlic­h doch zum Abbruch der Schwangers­chaft entschiede­n: „Eine Frau entscheide­t sich für einen Abbruch doch nicht wie für einen Frisörbesu­ch!“

 ?? FOTO: BARBARA SOHLER ?? Kleine Runde in der Diskussion um die Anschaffun­g von Paragraf 219a (von links): Barbara Baur (Grünen-Stadträtin), Bundestags­abgeordnet­er Benjamin Strasser und Elke Bass von den Liberalen Frauen BodenseeOb­erschwaben.
FOTO: BARBARA SOHLER Kleine Runde in der Diskussion um die Anschaffun­g von Paragraf 219a (von links): Barbara Baur (Grünen-Stadträtin), Bundestags­abgeordnet­er Benjamin Strasser und Elke Bass von den Liberalen Frauen BodenseeOb­erschwaben.

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