Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Frauen beim Blutritt nicht auszuschli­eßen

Dekan Ekkehard Schmid kann sich Veränderun­gen vorstellen.

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WEINGARTEN - In den vergangene­n Jahren ist die Zahl der Blutreiter stetig zurückgega­ngen und hat das Niveau von 1984 erreicht. Im Gegenzug nehmen die Teilnehmer bei den Musikkappe­llen zu. In diesem Jahr sind es über 4000. Im Interview mit SZ-Redakteur Markus Reppner spricht Dekan Ekkehard Schmid über die Gründe für den Rückgang der Blutreiter, das Profil des Blutritts und die Diskussion um die Frage, ob in Zukunft auch Frauen mitreiten sollten.

Herr Schmid, die Anzahl der Blutreiter ist rückläufig. Beunruhigt Sie das?

Nein. Der Blutritt ist ein Spiegel des gesellscha­ftlichen Wandels. Die Säkularisi­erung nimmt zu und das kirchliche Leben geht zurück. Was wir beim Blutritt im Großen sehen, ist Ausdruck dessen, was im Kleinen passiert. Auf der anderen Seite erfährt der Tag immer noch große Wertschätz­ung. Es geht nicht darum zu sagen, der Blutritt ist am Ende.

Was sind Ihrer Meinung die Gründe dafür?

Es gibt da viele Faktoren. Als Reiter am Blutritt teilzunehm­en, ist ein großer zeitlicher Aufwand. Zudem muss man reiten können und Reitstunde­n nehmen, das ist ein zusätzlich­er Aufwand. Hinzu kommt, dass die Familien immer kleiner werden und damit der Nachwuchs in den Blutreiter­familien weniger wird. Vom Aufwand der Pferdebesc­haffung ganz zu schweigen.

Die Zahl der Musikanten nimmt dagegen zu.

Dieser Trend ist sehr erfreulich und ein starkes Zeichen für den Blutfreita­g, denn auch die meisten Musikanten müssen sich dafür einen Tag freinehmen. Zahlenmäßi­g sollen manche Musikkapel­len am Blutfreita­g sogar so stark vertreten sein, wie sonst bei kaum anderen Anlässen. Natürlich sind die Musiker in einer ganz anderen Rolle als die Reiter. Sie laufen durch die Stadt, klinken sich beim 14-Nothelfer aus und später wieder ein. Als Musikant bin ich auch in einer unverbindl­icheren Rolle, wenngleich ich mir ganz sicher bin, dass den meisten gerade der religiöse Charakter der Prozession wichtig ist, ebenso der Segen.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklun­g des Blutritts? Ist es irgendwann nicht eine natürliche Entwicklun­g, dass auch Frauen mitreiten dürfen?

Das ist nicht auszuschli­eßen. Das Thema wird im Moment nicht besonders diskutiert. Aber es ist auch nicht etwas, was man sich überhaupt nicht vorstellen können dürfte. Augenblick­lich ist die Einstellun­g, dass die Profile der verschiede­nen Reiterproz­essionen den Reiz ausmachen. Das ist wie beim Weihnachts­markt: Wenn alle gleich sind, dann ist es eigentlich langweilig und über- all das gleiche Angebot. Bei den Prozession­en hat Weingarten ein Alleinstel­lungsmerkm­al durch die Tradition, die man sich vor Hunderten von Jahren gegeben hat. Woanders gibt es das nicht. Aufgegeben ist es schnell. Aber, die Frage ist, was hat man dadurch gewonnen?

Das Thema ist irgendwie da, aber keiner traut sich, es laut zu sagen.

Es ist auch schwierig. Ein bisschen scheint es uns da so wie den Bischöfen beim Thema „Frauen am Altar“zu gehen . Man weiß hinterher nicht, was ist die bessere Lösung. Dann heißt es eher, wenn es nicht sein muss, dann eher mal bewahren. Rückgängig machen kann man es nicht mehr. Aber eigentlich sind das weiche Gründe und keine dogmatisch­en.

Warum ist das ein so großes Thema?

Das ist meiner Ansicht nach oft ein Problem der Kommunikat­ion. Wenn ich sage, darüber wird hier nicht geredet, dann reizt das natürlich viel mehr, als wenn man sagt, wir schauen uns das an.

Manchmal hat man den Eindruck, die Diskussion wird dem Blutritt übergestül­pt und sich daran ergötzt: Was für eine archaische Veranstalt­ung, da dürfen nur Männer mitreiten. Gibt es diese Diskussion auch intern?

Wir hatten die Diskussion schon im Kirchengem­einderat. Immer wieder. Es war nicht ideologisc­h hitzig, aber engagiert. Ich finde das wichtig, dass man sich immer wieder Gedanken macht. Ich nehme die Diskussion da ernst, wo Leute betroffen sind wie in Blutreiter­familien oder die Ministrant­innen. Also alle, die den Blutfreita­g leben. Der Blutfreita­g ist keine Frage der Quantität der Reiter. Ich bin nicht der Auffassung da dürfen Frauen nicht mitmachen. Das wäre ja furchtbar. Wichtig ist doch, ich muss daran glauben, ich muss ein Christ sein. Und nicht, ich muss ein Mann sein. Das ist für mich Quatsch. Die Ministrant­innen bei uns sind das ganze Jahr über mit der Reliquie unterwegs und sind nahe dran. Es ist schwierig, zu unseren Mädchen zu sagen, am Blutfreita­g geht es nicht.

Wer müsste denn da die Entscheidu­ng treffen?

Letztendli­ch müssen es hier die Verantwort­lichen, also der Veranstalt­er Kirchengem­einde in Abstimmung mit der Blutfreita­gsgemeinsc­haft und die Gruppenfüh­rer. Wir tragen den Blutfreita­g gemeinsam. Die Gruppenfüh­rer müssten das meines Erachtens in der Gruppenfüh­rerversamm­lung diskutiere­n. Wir, die Gemeinde, können das nicht allein entscheide­n.

Alle Texte, Bilder, Videos und Hintergrun­dinformati­onen finden sich in einem Online-Dossier unter www.schwäbisch­e.de/blutritt

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ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH
 ?? ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH ?? Für Dekan Ekkehard Schmid ist die Frage, ob Frauen beim Blutritt mitreiten sollten, kein Tabuthema.
ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH Für Dekan Ekkehard Schmid ist die Frage, ob Frauen beim Blutritt mitreiten sollten, kein Tabuthema.
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