Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gunßer: „Einkommensschwache Familien nicht vergessen“
In Ravensburg stehen 170 Menschen auf der Warteliste für städtische Wohnungen. Anspruch darauf haben Personen, die einen Wohnberechtigungsschein besitzen. Mithilfe dieser amtlichen Bescheinigung kann ein Mieter nachweisen, dass er berechtigt ist, eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung (Sozialwohnung) zu beziehen. Ein Antragsteller muss bestimmte Kriterien erfüllen, damit er einen Wohnberechtigungsschein erhält: Zum Beispiel dürfen bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Gerd Gunßer, Leiter der Diakonischen Bezirksstelle Ravensburg, hat ständig mit Menschen zu tun, die händeringend eine Wohnung suchen. Er ärgert sich darüber, wenn sozialer Wohnungsbau mit „asozial“gleichgesetzt werde. „Das sind Menschen wie du und ich – Bäcker, Krankenschwestern, Altenpfleger“, sagt er. „Es sind Menschen, die ihren Anteil dazu beitragen, dass die Gesellschaft funktioniert.“So gebe es den Wohnberechtigungsschein für Alleinstehende schon für ein Jahresbruttoeinkommen von 47 000 Euro oder für eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 65 000 Euro. „Das ist nicht immer nur das Hartz-IVKlientel, sondern betrifft auch einkommensschwache Familien. Die dürfen wir nicht vergessen“, erklärt der Diakon. Seiner Meinung nach müsse schnell Wohnraum geschaffen werden. „Sonst haben wir in drei Jahren ein echtes Problem“, prognostiziert er. Um ein gutes Miteinander zwischen alten und neuen Bewohnern in einem Viertel zu schaffen, helfen nach Gunßers Ansicht ein funktionierendes Quartiersmanagement oder Angebote wie Mieterschulungen – gerade dann, wenn es um Sozialwohnungen geht, in die unter anderem Menschen mit Migrationshintergrund einziehen. „Man könnte in diesem Zuge auch Sozialarbeiter mit ansiedeln“, schlägt er vor. Diese könnten beispielsweise ein Quartiersmanagement anstoßen, bis es eine Eigendynamik entwickelt. „So könnte aus schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit gelernt und diese zu positiven umgewandelt werden“, sagt Gunßer. (jab)