Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In die Sommerfrische
30 000 Tiere ziehen mit ihren Hirten auf 696 Alpen
IMMENSTADT - Für rund 28 000 Jungrinder – Schumpen genannt – sowie 2500 Milchkühe, 400 Pferde und 300 Ziegen sowie Schafe beginnt demnächst der Alpsommer. Die Bauern seien derzeit damit beschäftigt, alles herzurichten, sagt Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu (AVA). Durch den vielen Schnee sind im Winter viele Weidezäune beschädigt worden. In den Hochlagen liege immer noch reichlich Schnee. Das ist für die Alpwirtschaft aber kein Problem. Im Gegenteil: Altschneefelder bis in den Hochsommer hinein sichern die Wasserversorgung der Hochalpen. Die Zahl der Tiere auf den 696 Allgäuer Alpen sei gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich minimal rückläufig, sagt Honisch. Die Rinderseuche TBC sei für die Alpwirtschaft kein Thema mehr.
Bauern, die ihre Tiere für mindestens 90 Tage auf eine Alpe bringen, erhalten für die Saison eine sogenannte Weideprämie. Personalsorgen haben die Älpler nicht. Im Gegenteil. Immer wieder bewerben sich beim Alpwirtschaftlichen Verein Menschen auch aus alpenfernen Regionen, die als Hirte auf eine Alpe wollen. Doch oft stimmen die romantischen Vorstellungen solcher Bewerber vom Leben am Berg nicht mit der Realität überein. Auf einer Alpe als Hirte oder Senn zu leben, bedeutet knochenharte Arbeit jenseits des Acht-Stunden-Tages.
Während andernorts im Alpenraum immer mehr Alpen und Almen aufgegeben werden, ist im Allgäu mit der Gernalpe im Hintersteiner Tal bei Bad Hindelang eine neue hinzugekommen. Besser gesagt: Die alte, 1949 aufgegebene Alpe am Fuße des Gerenkopfs ist zu neuem Leben erweckt worden. Christian Schratz, 30-jähriger Nebenerwerbslandwirt aus dem Hintersteiner Ortsteil Bruck, hat auf etwa 1500 Metern Höhe eine neue Alphütte aus Holz gebaut und wird dort den Sommer mit 40 Stück Vieh verbringen. Die Mutterkuhhaltung, die Schratz auf der Alpe betreibt, ist für solche Lagen eher ungewöhnlich: Die Mutterkühe stehen mit ihren Kälbchen auf der Weide und versorgen diese mit Milch – eigentlich die natürlichste Form der Tierhaltung.
Immer mehr Alpen haben eine Lizenz zum Bewirten von Wanderern und Mountainbikern und sind damit beliebte Ziele von Ausflüglern. Inzwischen dürfen 170 Alpen kalte Speisen und Getränke anbieten. Für viele sei das ein netter Zuerwerb, sagt Honisch. Ganz auf regionale Produkte bei der Bewirtung setzt der Verein Allgäuer Alpgenuss. Ihm gehören inzwischen 65 Alpen und 100 Partnerbetriebe an. Diese garantieren, dass nur regionale Produkte aus nächster Nähe auf den Tisch kommen. Der Alpwirtschaftliche Verein findet das gut. „Wir unterstützen das“, sagt Geschäftsführer Honisch. „Das Netzwerk wächst“, berichtet Theresia Schwarz vom Verein Allgäuer Alpgenuss. Besonders freut sie, dass auch junge Älpler mitmachen. Es gehe darum, das Bewusstsein für qualitativ hochwertige Produkte aus der Region zu stärken. Diese Idee werde auch von Urlaubern honoriert. Mit der Mittleren Spitalalpe bei Baad im Kleinwalsertal ist jetzt erstmals auch eine Vorarlberger Alpe beim Verein Alpgenuss dabei.