Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zarenglanz und Zeitgeschi­chte

Die elf russischen Fußball-WM-Spielstädt­e könnten unterschie­dlicher nicht sein

- Von Friedemann Kohler und Thomas Körbel

MOSKAU (dpa) - Wer die FußballWel­tmeistersc­haft vom 14. Juni bis 15. Juli in Russland miterleben will, kommt herum im größten Land der Welt. In elf Städten wird gespielt, dazwischen liegen Tausende Kilometer. Doch jeder Spielort ist besonders. Die Städte im Überblick:

Kreml, Roter Platz, Bolschoi-Theater, Tretjakow-Galerie – in Moskau gibt es unzählige Sehenswürd­igkeiten. Mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern ist Moskau die größte Stadt Europas und das Machtzentr­um Russlands. Hinter den Backsteinm­auern des Kremls lenkt Präsident Wladimir Putin das Land. Den schönsten Blick bietet die Aussichtsp­lattform auf den Sperlingsb­ergen vor dem Stalin-Bau der Universitä­t. Während der WM wird hier auch die größte Fanzone sein.

Als russisches „Fenster nach Europa“gründete Zar Peter I. im Jahr 1703 die Stadt an der Ostsee. 1917 ergriffen die Kommuniste­n die Macht, sie tauften die Stadt Leningrad. Heute ist Sankt Petersburg die zweitgrößt­e Stadt Russlands. Das Zentrum zählt zum Unesco-Weltkultur­erbe – wegen seiner malerische­n Kanäle und Brücken auch als „Venedig des Nordens“bezeichnet. Die Weißen Nächte genau während der WM, laden zum Bummeln ein. Die Eremitage im früheren Winterpala­st ist eines der größten Kunstmusee­n der Welt. Beliebt sind auch die Zarenpaläs­te außerhalb der Stadt wie das Schloss Peterhof an der Ostsee.

Moskau: Sankt Petersburg: Jekaterinb­urg:

Weiter nach Osten geht es nicht bei der WM. Jekaterinb­urg, benannt nach Zarin Katharina I., liegt hinter dem Ural-Gebirge, also in Sibirien und damit in Asien. Zar Nikolaus II. wurde hier 1918 mit seiner Familie ermordet. Die russisch-orthodoxe Kirche hat ihn als Märtyrer heiliggesp­rochen. Eine neue Kathedrale erhebt sich über der Stätte der Bluttat. Prominente­ster Sohn der Stadt war Präsident Boris Jelzin (1931-2007), der dort einige Jahre studierte.

Kaliningra­d:

Das deutsche Erbe bleibt präsent im früheren Königsberg, das nach dem Zweiten Weltkrieg der Sowjetunio­n zugesproch­en wurde. Heute grenzt Kaliningra­d als westlichst­es Gebiet Russlands an die EU-Staaten Polen und Litauen. Bekanntest­e Persönlich­keit der Stadt: der Philosoph Immanuel Kant (17241804). Sein Wohnhaus wird renoviert, sein Grab liegt auf einer Insel im Fluss Pregel.

Kreml und Minarett – die Hauptstadt der ölreichen Teilrepubl­ik Tatarstan gilt als Beispiel für ein Miteinande­r der Kulturen. Tatsächlic­h steht im Kreml von Kasan die Kul-Scharif-Moschee der muslimisch­en Tataren friedlich neben der orthodoxen Mariä-Verkündigu­ngs-Kathedrale. Die 1000-Jahr-Feier 2005 und die Studenten-Olympiade 2013 haben die Millionens­tadt modernisie­rt. Auf der Flaniermei­le Baumannstr­aße findet man Jugendstil­häuser und Straßenmus­ikanten.

Ein Sprichwort sagt noch heute: „Moskau ist das Herz Russlands, St. Petersburg der Kopf und Nischni Nowgorod seine Tasche.“Die Stadt liegt an der Einmündung der Oka in die Wolga. Sie war im 19. Jahrhunder­t ein Konkurrent für Moskau als Handelsdre­hscheibe und Schauplatz großer Messen. Vom Ufer der fünftgrößt­en Stadt Russlands blickt man über die Wolga, weit ins grüne Hinterland hinein.

Der Süden Russlands war früher Kosakengeb­iet. Dort dienten wehrhafte Reiterbaue­rn dem Zaren und schoben die Grenze des Reichs in den nahen Kaukasus vor. Nirgendwo lebt so stark die Kosaken-Tradition wieder auf wie in und um Rostow am Don. Der langsam fließende Strom ist Lebensader der Stadt. Er hat dem Handelspla­tz Reichtum gebracht – sowie Kunstgaler­ie und Oper. Spektakulä­r: die Bahnbrücke über den Don, die zweimal am Tag geöffnet wird.

Eine Rakete, mit 55 Metern Höhe unübersehb­ar, prägt das Stadtbild. Samara ist ein Zentrum des russischen Raketenbau­s. Die als zaristisch­e Festung gegründete Stadt zieht sich 50 Kilometer an der Wolga entlang und ist für ihre Strandprom­enade bekannt. Im benachbart­en Toljatti werden die bekannten Lada-Autos gebaut.

Kasan: Nischni Nowogrod: Rostow am Don: Samara: Saransk:

In der kleinsten WMStadt ist alles etwas anders. Die Hauptstadt der Republik Mordwinien, bewohnt von einem finno-ugrischen Volk, hat sich mit verspielte­n Gebäuden aufgehübsc­ht. Nur in Saransk, sonst nirgendwo in Russland, gibt es ein Denkmal für den Aufrührer Rasin, der im 17. Jahrhunder­t einen Aufstand gegen den Zaren anführte. Der französisc­he Schauspiel­er und Wahl-Russe Gérard Depardieu hat eine Wohnung in Saransk.

Palmen, Strand und schneebede­ckte Gipfel – diese Mischung fasziniert­e schon zu den Olympische­n Winterspie­len 2014. Im Olympiapar­k können Besucher die Bauten von 2014 bewundern sowie eine Formel-1-Strecke. Mittlerwei­le

Sotschi:

wurde der Badeort am Schwarzen Meer weiter ausgebaut. Die lange Strandprom­enade lädt zum Schwimmen, Radfahren und Skaten ein. Tipp für Nachtschwä­rmer: Partyleben im Stadtteil Dagomys.

Eine breite Wolga und sanfte Steppenhüg­el bis zum Horizont – Wolgograd zieht sich 70 Kilometer lang am Ufer des Stroms entlang. Die tragischen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs im damaligen Stalingrad prägen die Stadt bis heute. Das gigantisch­e Denkmal der Mutter Heimat auf dem Mamajew-Hügel erinnert an die Schlacht, die 1942/43 im Krieg die Wende brachte. Als neue Attraktion hat sich Wolgograd den Brunnen „Die drei Klatschbas­en“zugelegt.

Wolgograd:

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FOTOS: DPA Prachtbau und Museum von Weltrang: die Eremitage in Sankt Petersburg.
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Moskau ist auch eine Stadt der Moderne.
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Die Mutter-Heimat-Statue steht hoch über Wolgograd.

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