Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Amtsgericht geht von versuchtem Totschlag aus
Schöffengericht verweist Prozess wegen Misshandlung im Obdachlosenheim ans Landgericht Kempten
LINDAU - Einem 37-jährigen Mann droht eine langjährige Haftstrafe. Er soll Ende Juni vergangenen Jahres eine Frau in Lindau schwer misshandelt haben. Das Lindauer Schöffengericht hat am Montag die Verhandlung gegen den Angeklagten ans Landgericht Kempten verwiesen. Grund sind die schweren Verletzungen des Opfers. Im Raum steht eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Bisher war der 37-Jährige, der die Tat bestreitet, nur wegen Körperverletzung angeklagt.
Das Schöffengericht hatte die Verhandlung gegen den Mann vor drei Wochen eröffnet. Er soll Ende Juni eine damals 66-Jährige in einer Lindauer Obdachlosenunterkunft misshandelt haben. Die Frau erlitt bei dem nächtlichen Überfall schwere Verletzungen. Eine Bekannte, die die 66-Jährige betreut, hatte das Opfer am nächsten Morgen am Boden liegend gefunden. In Arztberichten ist unter anderem von Serienrippenbrüchen beidseits, einem Bruch des Brustbeins, Kopfverletzungen, schwerem Thoraxtrauma und massiven Hämatomen die Rede. In der Folge erlitt die Frau beinahe ein Nierenversagen.
Während der Verhandlung vor drei Wochen tauchte deshalb die Frage auf, ob für die Frau konkrete Lebensgefahr bestand. Ein Gutachter bejahte das aufgrund der medizinischen Unterlagen und Fotos des Opfers. Nur durch „Zufall und die intensivmedizinische Behandlung“sei die Frau nicht in akute Lebensgefahr geraten, zitierte die Vorsitzende Richterin Ursula Brandt, aus dem Gutachten eines Rechtsmediziners.
Angesichts dessen beantragte die Staatsanwaltschaft, das Verfahren an das Schwurgericht in Kempten zu verweisen. Grund: Das Schöffengericht am Amtsgericht ist nur für Verfahren mit einem erwarteten Strafmaß bis zu vier Jahren verantwortlich. Bei einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags kann ein Gericht aber auch eine Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren verhängen.
Der 37-Jährige sitzt seit Februar in Untersuchungshaft. Dort bleibt er. Das Amtsgericht verlängerte den Haftbefehl. Am Ende der Verhandlung beteuerte er erneut seine Unschuld und sagte: „Die Frau saß quietschfidel auf dem Bett. Ich habe sie nicht angefasst.“