Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Seehofer wegen Asyl-Affäre unter Druck

Interne E-Mails bringen das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e in Bedrängnis

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - „Geräuschlo­s“und nicht „bis ins Detail“: Diese Anweisung eines Abteilungs­leiters des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) zum hausintern­en Umgang mit falschen Asylbesche­iden der Bremer Außenstell­e stammt aus dem Februar 2017. Am Wochenende wurde das Schreiben bekannt. Darin findet sich keine Spur von offensiver Aufklärung der fragwürdig­en Vorgänge um die damalige Außenstell­enleiterin B. Vielmehr entsteht der Eindruck, die mehr als 1000 Betrugsfäl­le sollten unter den Teppich gekehrt werden. Über die internen Mails hatten „Spiegel Online“, „Süddeutsch­e Zeitung“und NDR berichtet.

Nachdem das Land Niedersach­sen schon Alarm geschlagen hatte, will der Mitarbeite­r aus Nürnberg den Deckel auf dem Skandal halten, damit es kein „Politgetös­e“gebe. Erstmal „vorsichtig nachbohren“, so die Devise. Den Experten ist klar, sollte die „Causa B.“an die Öffentlich­keit gelangen, „würde dies ein schlechtes Bild auf das Bundesamt werfen“.

Schallende Ohrfeige

Tatsächlic­h wurden die Betrügerei­en mehr als ein Jahr lang „geräuschlo­s“behandelt. Das Vertrauen der Bürger in das Flüchtling­samt schwindet. Das ist eine schallende Ohrfeige für Behördenle­iterin Jutta Cordt, aber auch für den verantwort­lichen Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Cordt hat nach Angaben eines Sprechers die E-Mail des Abteilungs­leiters vom Februar 2017 nicht zu Gesicht bekommen. Verzögerun­g? Keineswegs, die Prüfung der damaligen Hinweise sei „unverzügli­ch“erfolgt, betont der Sprecher.

Und alle Fake-Bescheide seien längst aufgehoben worden.

AfD und FDP reichen die Auskünfte nicht, für sie sind die neuen Medienenth­üllungen eine Steilvorla­ge für die Forderung nach einem Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag. Das „Politgetös­e“, das das Bamf verhindern wollte, lässt sich nun nicht mehr einfangen. Jede neue Meldung – auch diejenige über ungewöhnli­ch hohe Anerkennun­gsquoten in rund zehn weiteren BamfAußens­tellen – setzen Seehofer und Cordt weiter unter Druck.

Der Innenminis­ter bleibt dabei, erst am 19. April von dem Skandal informiert worden zu sein. Ob das stimmt, will nun auch der Koalitions­partner SPD ganz genau wissen. „Ich bin sicher, dass Bundesinne­nminister Horst Seehofer die Vorgänge zügig und umfassend aufklären wird“, sagt SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil am Montag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Dazu gehört auch, offenzuleg­en, wann er welche Informatio­nen erhalten hat und wie er den Hinweisen nachgegang­enen ist.“Notwendig sei „absolute Klarheit darüber, wie es zu dieser Situation kommen konnte“. Und weiter: „Das massenweis­e Ausstellen falscher Asylbesche­ide ist absolut nicht hinnehmbar. Jetzt müssen wirklich alle Fakten auf den Tisch, und zwar schnell.“

Am Montagaben­d kündigte der CSU-Chef mögliche personelle Konsequenz­en an. Er werde alles tun, „damit die Dinge ohne Ansehen von Personen oder Institutio­nen aufgeklärt werden, denn sie haben das Vertrauen in das Bamf beschädigt“, sagte Seehofer der „Mittelbaye­rischen Zeitung“.

Zuvor hatte es bereits Diskussion­en über die Einrichtun­g eines Untersuchu­ngsausschu­sses gegeben, ein Viertel der Abgeordnet­en müsste dafür stimmen, neben AfD und FDP bräuchte es eine dritte Fraktion. Auch die Grünen verlieren die Geduld, sehen einen Untersuchu­ngsausschu­ss aber mit Skepsis. „Proaktiv“müsse der zuständige Minister jetzt mit den Abgeordnet­en zusammenar­beiten und Ende Mai in einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses Tacheles reden, verlangt deren flüchtling­spolitisch­e Sprecherin Luise Amtsberg am Montag.

Ein Untersuchu­ngsausschu­ss wäre aus ihrer Sicht aber nicht das richtige Instrument. Bis dieser Ergebnisse bringe, „dauert es mindestens zwei Jahre“, so die Grünen-Asylexpert­in. Aber das Bamf müsse „jetzt in die Lage versetzt werden, Asylverfah­ren rechtsstaa­tlich zu organisier­en“.

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FOTO: DPA Ein Abteilungs­leiter der Behörde hatte einen „geräuschlo­sen“Umgang mit falschen Asylbesche­iden der Bremer Außenstell­e gefordert.

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