Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Cornela Waibel erzählt vom Künstlerleben ihres Vaters
Tochter von Hermann Waibel führt mehr als 40 interessierte Besucher durch die Ausstellung im Kunstmuseum
RAVENSBURG - Einen persönlichen und etwas anderen Einblick in das Werk und die künstlerischen Impulse von Hermann Waibel hat am Mittwoch ein Dialog zwischen seiner Tochter Cornela Waibel und der Direktorin des Kunstmuseums Ute Stuffer gegeben. Bei einem gut einstündigen Rundgang durch die Ausstellung lernten mehr als 40 Interessierte Werke und Werkgruppen noch intensiver kennen.
Sichtlich erfreut über den guten Zuspruch zur Sonderführung verweilten die beiden Initiatorinnen erst einmal in der ersten Etage beim Porträt von Hermann Waibels Frau Gisela aus den frühen 1950er-Jahren, um die Geschichte der Retrospektive Revue passieren zu lassen. Cornela Waibel, selbst promovierte Medizinerin, fiel bei der Vorbereitung und bei der Vermittlung von Konzepten zur großen Ausstellung ihres Vaters ein erheblicher Anteil zu. Vor eineinhalb Jahren war sie wegen des Schlaganfalls ihres Vaters nach Ravensburg gezogen und hatte mit Nicole Fritz Material gesichtet und archiviert.
Seit über drei Jahrzehnten ist die Zweiundvierzigjährige mit den Arbeiten ihres Vaters bestens vertraut. Bei der Schilderung des Lebenslaufs und der Prägung ihres heute 93-jährigen Vaters wurde deutlich, wie wichtig dessen Vater als Restaurator und Kirchenmaler für seinen Werdegang gewesen ist. Als Jugendlicher hatte Waibel bereits bei Restaurierungsarbeiten in Kirchen oder der Freilegung von Malereien mitgearbeitet oder die frühere Kapelle im Elisabethen-Krankenhaus ausgemalt. Jedoch kam mit dem Tod des Vaters Ende der 1950er-Jahre auch sehr bald eine Umorientierung weg vom Figurativen, mit dem er sich nicht mehr habe weiterentwickeln können. Ihr Vater sei damals viel auf Kunstmessen gewesen, da ihm in Ravensburg die Inspiration gefehlt habe, berichtete Cornela Waibel aus seinen Erzählungen.
Ute Stuffer lenkte den Blick auf die weißen Arbeiten aus Papier, Holz, Aluminium oder Kunststoff, die Waibel früh „Lichtinstrumente“ taufte. Denn mit ihnen fand er sein Lebensthema: die Wirkung des Lichtes in allen seinen Spielarten. Angefangen habe Waibel mit gerissenem und geknittertem Papier in den 1960er-Jahren, dann seien Objekte aus Holz entstanden, darunter auch große, wie der drehbare, raumhohe und verschachtelte Turmbau aus den Siebzigern. Dann entdeckte er Aluminium – für die großen Arbeiten im öffentlichen Raum wie die beiden Autobahnskulpturen – und verschiedene Kunststoffe in den 80er-Jahren, etwa Acrylglas und Glasfaser mit Polyamidharz getränkt.
Der Betrachter muss sich rühren
Waibel habe sich immer selbst Wege gesucht, seine Ideen umzusetzen, und habe auch immer mal wieder jemanden beschäftigt, der nach seiner Anleitung seine Ideen ausgeführt habe, erzählte Cornela Waibel und demonstrierte mit einer Taschenlampe, wie stark sich je nach Lichtwinkel das gesamte Objekt – ob weiß oder schwarz – verändert. Man könne so mit diesen Objekten „wie mit Musikinstrumenten spielen“und am besten sei natürlich immer das natürliche Tageslicht. Der Betrachter aber müsse „sich rühren“, damit sich der Anblick verändere – wie wahr und auch ein Lebensmotto. Das gilt auch für das irritierende Spiegelkabinett, das die weißen von den ebenso faszinierenden schwarzen Arbeiten – zum Teil aus verbranntem Papier, Stoff oder Metall – trennt.
Eine Stunde war schon vorbei, als dann noch in der zweiten Etage die raumgroßen Strichcode-Arbeiten in Holz und Kunststoff und in grellen Farben und die zarten, späten „Raumlichtfarben“– geschlossene Acrylkästen mit einer bemalten Vorderfront – besprochen wurden. Mehrere Fragen aus dem Publikum beantwortete Cornela Waibel zuletzt mit dem Wunsch ihres Vaters, dass man sich „mit Offenheit für das Ungegenständliche Zeit und Ruhe fürs Anschauen“nehmen solle. ANZEIGE