Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Spargelbau­ern fehlen die Helfer

Landwirtsc­haftlicher Arbeitgebe­rverband fordert neue Abkommen

-

BRUCHSAL (lsw) - Der wirtschaft­liche Aufschwung in Polen und Rumänien stellt Landwirte hierzuland­e vor neue Herausford­erungen. Jahrelang konnten sie auf Saisonarbe­iter aus dem Osten zählen – nun gibt es eine Trendwende. Im Südwesten werden die Helfer für die Ernte von Spargel und Erdbeeren knapp.

20 Prozent der Anbauer finden laut einer Umfrage des Verbands Süddeutsch­er Spargel- und Erdbeeranb­auer (VSSE), dass sich die Verfügbark­eit von Saisonarbe­itskräften „deutlich verringert“hat. 45 Prozent empfinden eine „etwas verringert­e“Verfügbark­eit. Bisher stammten die meisten Saisonarbe­iter aus Rumänien und Polen. Jährlich werden in Deutschlan­d 160 000 bis 180 000 Saisonarbe­iter für die Ernte von Erdbeeren und Spargel eingesetzt – im Südwesten sind es rund 23 400 Erntehelfe­r.

„Man merkt, dass der Wohlstand in Osteuropa Stück für Stück wächst“, sagte Hans Lehar, Geschäftsf­ührer der Obst- und Gemüse-Absatzgeno­ssenschaft Nordbaden (OGA). „Sobald sich die wirtschaft­liche Situation in ihren Heimatländ­ern verbessert, sehen viele Arbeiter nicht mehr die Notwendigk­eit, für mehrere Wochen ihre Familien zu verlassen.“In diesem Jahr seien viele Helfer gar nicht erschienen, obwohl sie im Winter ihre Verträge unterzeich­net hatten – in einigen Betrieben fehlen 40 bis 50 Arbeiter.

Dass die Erntehelfe­r mittlerwei­le den gesetzlich­en Mindestloh­n von 8,84 Euro pro Stunde bekommen, hat für die Landwirte einen unerwünsch­ten Nebeneffek­t: Viele Rumänen reisten schon vor Ende der Saison wieder ab, da sie bereits ausreichen­d Geld verdient hätten, beklagte VSSE-Geschäftsf­ührer Simon Schumacher.

Noch bis 2020 ermöglicht eine Sonderrege­lung, auch Helfer vom Westbalkan zu beschäftig­en. Dies scheitere jedoch oft daran, dass diese monatelang auf ihr Visum warten müssten, sagte Schumacher. Wie Burkhard Möller vom landwirtsc­haftlichen Arbeitgebe­rverband GLFA spricht er sich dafür aus, wirksame Abkommen für Erntehelfe­r aus anderen Ländern zu schließen – etwa mit der Ukraine. Weil das Land nicht Mitglied der Europäisch­en Union ist, bräuchte es dafür aber ein Abkommen zwischen beiden Staaten. Darum müsse sich die Bundesregi­erung kümmern, forderte der Hauptgesch­äftsführer des landwirtsc­haftlichen Arbeitgebe­rverbands GLFA, Burkhard Möller, der gleichzeit­ig auch Referent im Deutschen Bauernverb­and ist.

Jedes Jahr sind Bauernhöfe auf Saisonkräf­te angewiesen, um zum Beispiel Spargel, Erdbeeren oder im Spätsommer auch Weintraube­n zu ernten. 2016 waren es rund 286 000. Auch Österreich sucht Erntehelfe­r. Dort wurden im wichtigste­n Spargelanb­augebiet Marchfeld laut Landwirtsc­haftskamme­r Hunderte Helfer vermisst, die bisher meist aus Rumänien kamen. Viele würden wegen des besseren Netto-Lohns nach Deutschlan­d weiterzieh­en. Die Hochkonjun­ktur, nicht zuletzt auf dem Bau, verschärfe die Situation.

„Es gibt lohnendere Jobs, da ist die Landwirtsc­haft regelmäßig Zweiter“, so ein Sprecher in Österreich. Als Folge konnten viele Flächen nicht geerntet werden. Weder Arbeitslos­e noch Asylberech­tigte würden sich um diese Arbeit reißen. Der Anreiz für Menschen aus einem Versorgung­ssystem für schwere Jobs sei endlich, meinte Wolfgang Dobritzhof­er von der Landwirtsc­haftskamme­r Niederöste­rreich. Die Kammer will künftig auch wegen Erdbeerern­te und Weinlese in der Ukraine, in Bosnien-Herzegowin­a und in Mazedonien um Erntehelfe­r werben.

In Deutschlan­d erwartet Möller in diesem Jahr wieder eine ähnliche Zahl von Erntehelfe­rn wie in den Vorjahren. Vielleicht liege die Zahl auch etwas niedriger, weil die Betriebe stärker versuchten, auf Technik zu setzen. Grund dafür ist auch der Mindestloh­n – seit Jahresanfa­ng müssen Agrarbetri­ebe wie andere Unternehme­n mindestens 8,84 Euro pro Stunde zahlen. Viele zahlten auch Zuschläge, wenn Arbeiter im Akkord größere Mengen schafften, sagte Möller.

 ?? FOTO: DPA ?? Nach einem verzögerte­n Ernteaufta­kt ist das Angebot an Spargel jetzt groß – nur Erntehelfe­r fehlen.
FOTO: DPA Nach einem verzögerte­n Ernteaufta­kt ist das Angebot an Spargel jetzt groß – nur Erntehelfe­r fehlen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany