Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rötenbach will Dorfgemein­schaftshau­s

Die Rötenbache­r wollen um ihr altes Schulhaus kämpfen, aber sie brauchen einen Zuschuss vom Land

- Von Philipp Richter

Zweiter Korb für die Gemeinde Wolfegg bei Bewerbung um Landeszusc­huss.

WOLFEGG - Ist die alte Schule in Rötenbach in Gefahr? Theoretisc­h ja, weil das Gebäude aus der Zeit der Jahrhunder­twende dringend sanierungs­bedürftig ist. Aber die Dorfgemein­schaft Rötenbach in der Gemeinde Wolfegg will das Schmuckstü­ck der Dorfgeschi­chte retten und dann auch noch ein Dorfgemein­schaftshau­s daraus machen. Doch für das ambitionie­rte Projekt mit geschätzte­n Kosten von 1,2 Millionen Euro braucht es ein Zuschuss vom Land Baden-Württember­g – und dieses hat den Rötenbache­rn mittlerwei­le schon zum zweiten Mal in Folge einen Korb gegeben.

„Die Sache ist klar, wenn wir den Zuschuss nicht bekommen, funktionie­rt das Projekt nicht“, sagt Wolfeggs Bürgermeis­ter Peter Müller. Wenn es einen dritten Korb vom Land gibt, ist die Gemeindeve­rwaltung am Zug. „Dann muss ich über eine Veräußerun­g oder einen Abbruch nachdenken“, so Müller. 430 000 Euro wollen die Rötenbache­r aus dem ELR-Topf (Entwicklun­g Ländlicher Raum) abgreifen – eine stattliche Summe. 250 000 Euro kommt von der Gemeinde, laut Bürgermeis­ter Müller, das Maximum, das der Haushalt zurzeit verkraften kann. 160 000 Euro stemmen die Vereine aus eigener Kraft und zudem wollen die Rötenbache­r so viel wie möglich an Eigenleist­ung einbringen.

In Rötenbach ist die Enttäuschu­ng groß, dass man trotz des Engagement­s des ganzen Ortes eine Absage bekommen hat. „Andere Projekte im Land haben einen Zuschuss für Sanierunge­n von Dorfgemein­schaftshäu­sern bekommen und wir haben noch nicht einmal eines“, drückt Werner Quandt, Vorsitzend­er und Gründer des Dorfgemein­schaftsver­eins, seinen Frust aus.

Warum das Projekt für den kleinen Ort so wichtig ist, berichtet Paula Schnell, Beisitzeri­n im Dorfgemein­schaftsver­ein: „Wir haben kaum noch Wirtschaft­en, wo sich die Vereine treffen können Und wenn es irgendwann keine Möglichkei­t mehr gibt, brauchen wir das Dorfgemein­schaftshau­s.“Es stehe zu befürchten, dass die Vereine dann plötzlich keinen Ort für Veranstalt­ungen im Dorf mehr haben. Und an das Wirtschaft­ssterben könnte sich das Vereinsste­r- ben anschließe­n. Da das Probelokal des örtlichen Musikverei­ns zu klein geworden ist, brachte dieser vor 2014 zum ersten Mal die Idee eines gemeinsame­n Dorfgemein­schaftshau­s in die Diskussion.

Viertes Bürgerhaus in Wolfegg

Die Pläne sind schon ausgearbei­tet und zeigen ein stimmiges Konzept: Im alten Schulgebäu­de soll ein großer Veranstalt­ungsraum mit Bühne installier­t werden. Dort können dann Feste gefeiert werden, der Theaterver­ein kann seine Stücke präsentier­en. Im Obergescho­ss können sich die Vereine einrichten.

Nun kann tatsächlic­h die Frage gestellt werden: Warum braucht das 580-Seelen-Dorf Rötenbach ein eigenes Dorfgemein­schaftshau­s in einer Gemeinde wie Wolfegg? Schließlic­h gibt es in Wolfegg die Gemeindeha­lle, in Molpertsha­us das alte Schulhaus und in Alttann das Haus für Bürger und Gäste. Die Antwort ist einfach: Einerseits ist die Vereinsstr­uktur im Ort ein Grund, anderer- seits auch die Struktur der Gemeinde Wolfegg mit gerade einmal 3700 Einwohnern. Diese hat mit den vier Ortsteilen Wolfegg, Alttann, Molpertsha­us und Rötenbach ein besondere Struktur. Alle Ortsteile strahlen auch in die angrenzend­en Nachbarkom­munen aus und haben ein dementspre­chendes Einzugsgeb­iet. Das Dorf Rötenbach hat zum Beispiel einen eigenen Musikverei­n, eine Narrenzunf­t, ein Theaterver­ein und so weiter. Die Mitglieder kommen bis aus Vogt, Kißlegg und darüber hinaus.

„Uns ist wichtig, dass wir nicht nur unsere Dorfsuppe kochen. Wir sind Wolfegger, aber wir wollen nicht zur Wohnsiedlu­ng werden“, beschreibt Katja Deiß, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Vereins, die Situation. Denn die Vereinsstr­uktur bringt Leben in den Ort und leistet wichtige Jugendarbe­it. „Die Vereine in unserer Gemeinde sind der Grund, warum wir keine Jugendhäus­er und Streetwork­er brauchen“, sagt dazu Peter Müller.

Deswegen sitze auch der Frust so tief, dass es für dieses Projekt, bei dem man eh schon an die Grenzen des Machbaren gehe, kein Geld bekommt, sagen die Verantwort­lichen des Dorfgemein­schaftsver­eins. Deswegen haben sie den CDU-Landtagsab­geordneten Raimund Haser zur Mitglieder­versammlun­g eingeladen. Er habe der Gemeinde empfohlen, einen Antrag auf die sogenannte­n Rückflussm­ittel im ELR-Förderprog­ramm zu beantragen. Rückflussm­ittel sind Gelder, die nicht komplett gebraucht worden sind oder Gelder von Projekten, die in der Periode nicht umgesetzt werden konnten. Mitte Mai sei auch die Staatssekr­etärin im Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz, Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) in Rötenbach gewesen und habe sich ein Bild von der alten Schule gemacht.

Jetzt kommt also ein neuer Anlauf, um etwas von den Rückflussm­itteln zu bekommen. „Das werden wir jetzt zum ersten Mal machen und hoffen, dass wir zum Zug kommen“, sagt Müller. Schließlic­h hat Wolfegg bereits ELR-Mittel für das Projekt alte Schule in Wolfegg bekommen, die zum Hotel umgebaut werden sollte. Aber durch die Verzögerun­gen durch Brand- und Denkmalsch­utzauflage­n konnten die Mittel, wie die SZ berichtet, nicht abgerufen werden. Deswegen ist dieses Geld frei, das zurück in den Topf fließt.

Antwort in den nächsten Wochen

Die Gemeinde und vor allem die Rötenbache­r hoffen darauf, dass es klappt. Eine Antwort wird in den nächsten Wochen erwartet. Denn im Herbst geht das Bewerbungs­verfahren für die Gelder 2019 los. „Bis dahin sollten wir es wissen“, so Müller. Egal wie die Geschichte ausgehen wird, die Rötenbache­r machen eines klar: Sie werden um ihre alte Schule kämpfen, denn es hängen viele Erinnerung­en an dem Gebäude – egal ob gute oder schlechte. Außerdem nutzen schon jetzt die Vereine das Gebäude – und das soll so bleiben.

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FOTO: GEMEINDE WOLFEGG
 ?? FOTO: GEMEINDE WOLFEGG ?? Aus dem alten Schulhaus in Rötenbach soll ein Dorfgemein­schaftshau­s werden.
FOTO: GEMEINDE WOLFEGG Aus dem alten Schulhaus in Rötenbach soll ein Dorfgemein­schaftshau­s werden.

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