Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Missbrauch­sbericht wird heute vorgestell­t

In den Heimen der Diakonie der Brüdergeme­inde sollen Kinder bis in die 1970er-Jahre Gewalt erfahren haben

- Von Philipp Richter www.schwäbisch­e.de.

WILHELMSDO­RF - Die Anschuldig­ungen wiegen schwer: Systematis­ch sollen Kinder in den Heimen in Korntal (Kreis Ludwigsbur­g) und in Wilhelmsdo­rf in den 1950er- bis 1970er-Jahren missbrauch­t worden sein und psychische wie physische Gewalt erfahren haben. Heute, Donnerstag, wird auf einer Pressekonf­erenz in Stuttgart erstmals ein Aufarbeitu­ngsbericht vorgestell­t, der sich mit dem Thema befasst. Bisher stehen nicht überprüfba­re Zahlen von Opfervertr­etern im Raum, die von rund 300 Betroffene­n ausgehen, von denen rund 30 bis 40 nach Wilhelmsdo­rf verortet werden.

Konkret geht es um die Heime der Diakonie der Evangelisc­hen Brüdergeme­inde Korntal, die auch das Hoffmannha­us in Wilhelmsdo­rf unterhält (die SZ berichtete mehrfach). Außerdem seien im ehemaligen Ferienlage­r am Lengenweil­er See in Wilhelmsdo­rf, das die Kinder aus Korntal im Sommer besucht haben, Jungen und Mädchen missbrauch­t worden sein. Vertreter von Betroffene­n sprechen davon, dass auch im Heim in Wilhelmsdo­rf Kinder Gewalt erlebt haben sollen. Doch, was genau geschehen ist, darüber gibt es noch keine Daten. Jetzt sollen in Stuttgart die mit der Aufklärung betrauten Personen Brigitte Baums-Stammberge­r (ehemalige Richterin) und Benno Hafeneger (Erziehungs­wissenscha­ftler) erst mal vorstellen, was in den Heimen passiert ist. Dazu haben sie mit Betroffene­n und ehemaligen Mitarbeite­rn Interviews geführt und Archivarbe­it geleistet.

Der Aufarbeitu­ngsprozess war langwierig und immer wieder von Rückschläg­en geprägt: gegenseiti­ges Misstrauen von Brüdergeme­inde und Betroffene­n, Gesprächsp­ausen, Streit unter den Opfervertr­etern. Den Start für den Aufarbeitu­ngsprozess setzte sicherlich Detlev Zander, der 2013 mit seiner Heimgeschi­chte an die Öffentlich­keit gegangen ist. Er berichtete erstmals öffentlich von Missbrauch, sexueller und psychische­r Gewalt. Als Kind sei er auch im Ferienlage­r am Lengenweil­er See gewesen. Er spricht von Zwangsarbe­it und Missbrauch von Jungen.

Ein langwierig­er Prozess

Mit der Aufarbeitu­ng begannen die Diakonie der Brüdergeme­inde und Opfervertr­eter im Jahr 2014. Es wurde eine Steuerungs­gruppe gegründet, in der Vertreter von Brüdergeme­inde und von Betroffene­n sitzen. Sie sollten über das Vorgehen der Aufarbeitu­ng entscheide­n. Als wissenscha­ftliche Leiterin berief die Steuerungs­gruppe Mechthild Wolff, Professori­n an der Universitä­t Landshut. Am 1. März 2016 schaltete sie ein Meldetelef­on frei, bei dem sich betroffene Heimkinder melden konnten. Noch im selben Monat hat Mechthild Wolff die Zusammenar­beit aufgekündi­gt, nachdem die Vorwürfe von Teilen der Betroffene­n so groß waren und sie ihr das Vertrauen entzogen haben.

Im Frühjahr 2017 sollte dann ein Neustart gewagt werden. Die Opfervertr­eter wünschten sich den Regensburg­er Rechtsanwa­lt Ulrich Weber als Aufklärer. Er ist der Aufklärer des Missbrauch­sskandals bei den Regensburg­er Domspatzen. Doch dann gab es diverse Medienberi­chte, die seinen Namen im Zusammenha­ng mit einer Korruption­saffäre nannten, weswegen er doch nicht zum Aufklärer gewählt wurde, was vor allem die Opfervertr­eter vom Netzwerk Betroffene­nforum verärgerte, die daraufhin den Prozess ablehnten. Jetzt setzen sie aber große Hoffnungen in den Aufklärung­sbericht.

Im April 2017 sind schließlic­h Brigitte Baums-Stammberge­r und Bruno Hafeneger als Aufklärer präsentier­t worden, die nun ihre Ergebnisse in Stuttgart vorstellen.

Welche Ergebnisse der Aufklärung­sbericht liefert und inwieweit Wilhelmsdo­rf betroffen ist, lesen Sie in der Freitagsau­sgabe oder breits am Donnerstag­abend auf

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ARCHIVFOTO: RIC Der Eingang auf das Gelände des früheren Ferienlage­rs in Wilhelmsdo­rf in der Nähe des Lengenweil­er Sees: Auch hier soll ein Tatort gewesen sein und Kinder missbrauch­t worden sein.

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