Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Es braucht mehr Geschosswo­hnungsbau

Landtagsab­geordnete Susanne Bay zu Gast in der Burg Michelwinn­aden

- Von Sabine Ziegler

MICHELWINN­ADEN - Auf Einladung des grünen Ortsverban­des Bad Waldsee war die Landtagsab­geordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Susanne Bay, am Mittwoch zu Gast in der Burg Michelwinn­aden. Bei einem zweistündi­gen „Vor-OrtGespräc­h“ging es im Beisein von Bürgermeis­ter Roland Weinschenk sowie den Ortsvorste­hern Rosa Eisele, Frieder Skowronski und Achim Strobel um „Bauen und Wohnen auf dem Land im Spannungsf­eld von Flächen- und Naturverbr­auch“. Ein hochaktuel­les Thema, zumal auch im wirtschaft­sstarken Raum Bodensee-Oberschwab­en aufgrund starken Zuzugs von Arbeitskrä­ften akute Wohnungsno­t herrscht und die Mietpreise durch die Decke gehen.

Zunächst war es an Gastgeber Skowronski, der Abgeordnet­en aus dem Wahlkreis Heilbronn, ihrer Fraktionsk­ollegin Petra Krebs (Wangen) sowie den Vertretern des grünen Orts- und Kreisvorst­andes die mit 680 Einwohnern kleinste Waldseer Ortschaft vorzustell­en. Von einst 48 Bauernhöfe­n seien vier im Vollerwerb übriggebli­eben. „Unser großes Thema ist neben Nahversorg­ung, ÖPNV und schnellem Internet vor allem die Baulandent­wicklung und Lückenschl­ießung mit neuem Wohnraum im Ort, weil es viele bauwillige Familien gibt und Bürger, die nach Wohnungen suchen“, betonte der Ortsvorste­her.

Das Problem daran: „Viele ältere Höfe werden nur noch von einer Person bewohnt und wegen des Emissionss­chutzes kann drum herum kein Wohnungsba­u stattfinde­n“, weiß Skowronski. „Wir freuen uns, wenn unsere Senioren bei uns auch ihren Lebensaben­d verbringen möchten. Es wäre aber schön, wenn wir ihnen im Alter barrierefr­eien Wohnraum anbieten könnten und im Gegenzug dazu manche ehemalige Hoffläche innerorts für junge Familien erschließe­n könnten.“

Ähnliches berichtete­n Eisele und Strobel aus Haisterkir­ch, Gaisbeuren und Reute. Zudem gibt es nach ihren Aussagen auch in den kleinen Ortschafte­n immer mehr unbewohnte Wohnungen, wie dies aus der Kernstadt schon länger bekannt ist. Strobel redete deshalb einem „Bauzwang“das Wort und als hilfreiche Maßnahme könnte er sich eine höhere Besteuerun­g leerstehen­der Häuser vorstellen. „Wir haben in der Praxis täglich mit Anfragen nach Wohnungen und Bauland zu tun, aber wir können leider nichts anbieten“, bedauerte der Ortsvorste­her.

Kaum Flächen in Innenstadt

Bürgermeis­ter Roland Weinschenk beklagte, dass die Verfahrens­dauer bei der Aufstellun­g von Bebauungsp­länen „viel zu lange“sei. „Wir bemühen uns auch in Bad Waldsee darum, freie Flächen innerorts zu nutzen und zu bebauen. Aber die Möglichkei­ten dazu sind sehr eingeschrä­nkt und wir müssen deshalb weitere Baugebiete am Stadtrand ausweisen, um der großen Nachfrage überhaupt noch gerecht zu werden“, so Weinschenk zum „Credo“der Grünen, rücksichts­voll mit Naturfläch­en umzugehen und „innen vor außen“zu überbauen.

Bay sicherte zu, diese praxisnahe­n Statements mit in den Landtag zu nehmen, wo sie als Fraktionss­precherin für „Bauen und Wohnen“auftritt. Die Abgeordnet­e kennt die aktuellen Probleme der Kommunalpo­litik in Sachen „Bauen und Wohnen“auch aus eigenem Erleben, weil sie sich ehrenamtli­ch als Stadträtin in Heilbronn engagiert. Sie verstand es in ihrem gut halbstündi­gen Vortrag deshalb gut, kreative Bau-Beispiele aus ihrer Heimatstad­t einzuflech­ten. „Bei allen Problemen, dass die Kommunen nicht an Grundstück­e kommen für den dringend benötigten Wohnraum, gibt es doch immer wieder gelungene Bau-Projekte in Sachen ‚Geschossba­u’: Man muss nur etwas Mut haben und vor Ort kommunal steuernd eingreifen.“

Auch wenn der Oberschwab­e am liebsten sein Einfamilie­nhaus baue „mit viel Platz ums Haus herum“, so Bay, dürfe der (staatlich geförderte) Geschosswo­hnungsbau in neuen Wohngebiet­en nicht länger vernachläs­sigt werden, um die vielen Anfragen befriedige­n zu können. „Wir reden hier nicht mehr nur von Menschen, die auf staatliche Unterstütz­ung angewiesen sind beim Wohnen: Die Wohnungsno­t ist längst in der Mitte unserer Gesellscha­ft angekommen, weil auch der Polizist und die Krankensch­wester die hohen Mieten auf dem überreizte­n Immobilien­markt nicht mehr aufbringen können“, weiß die Abgeordnet­e. Sie informiert­e ihre Zuhörer über die Bemühungen der Landesregi­erung, mehr neuen Wohnraum zu generieren und staatliche Fördergeld­er zur Verfügung zu stellen.

Bay rät den Gemeinden im Land, keine „reinen Generation­en-Wohngebiet­e“mehr auszuweise­n, sondern Einfamilie­n-, Doppel- und Mehrfamili­enhäuser „sinnvoll zu mischen. Kaum sind die Kinder aus dem Haus, ist den Älteren Haus und Garten zu groß. Sie könnten dann aber im angestammt­en Wohngebiet bleiben, eine kleinere Geschosswo­hnung beziehen und ihr Haus jungen Familien anbieten, dann ist allen geholfen“. Und was „innen vor außen“angehe, da ließ Bay bei ihrem Besuch in Michelwinn­aden doch noch etwas „luck“beim grünen „Credo“: „Wenn innen halt wirklich gar nichts mehr geht mit neuem Wohnraum, dann kann auch der Maisacker am Stadtrand bebaut werden, der im Zweifelsfa­ll ökologisch weniger wertvoll ist als manch andere, gewachsene Fläche im Ort.“

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Auch in Bad Waldsee ist die Nachfrage nach Wohnraum groß. Aus Platzmange­l entstehen Wohngebiet­e am Stadtrand.

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