Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Europa geschlossen gegen Trumps Plan
US-Präsident fordert eine Rückkehr zu G8 – Europäer lehnen dies geschlossen ab
LA MALBAIE (dpa) - Zum Auftakt des G7-Gipfels in Kanada hat US-Präsident Donald Trump mit seiner Forderung nach Wiederaufnahme Russlands einen weiteren Keil in die Gruppe der großen Wirtschaftsmächte getrieben. Die Europäer sprachen sich am Freitagabend geschlossen gegen den Vorschlag des US-Präsidenten aus.
LA MALBAIE (dpa) - Man kann in diesen Tagen dabei zusehen, wie US-Präsident Donald Trump mit beiden Händen an den Pfeilern der internationalen Ordnung rüttelt. Wie er sein Land auf sich selbst zurückführen will. Wie er Allianzen provoziert und offen bedroht. Als würden ihm aus Freunden wie Deutschland, Frankreich, Kanada plötzlich Feinde, eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA. Der 44. Gipfel der G7 im kanadischen Ferienort La Malbaie ist der Ort, an dem der Westen mit sich selber ringt. In dieser Form womöglich das letzte Mal.
Kurz vor seiner Abreise legte Trump noch eine Lunte an das gemeinsame Haus. Als gäbe es mit Handelsstreit, Atomdeal mit Iran, Verteidigung und Klima nicht genügend Zunder. Russland, 2014 wegen der Annexion der Krim rausgeworfen, solle wieder zur Gruppe wichtiger Industriestaaten dazukommen, forderte Trump. Ungeachtet aller Kritik an Moskau, unbeschadet der Frage, welche Rolle Russland bei der US-Wahl 2016 spielte. Aber geht es dem Amerikaner wirklich um Russland? Noch vor wenigen Tagen schienen Trump russische Avancen an Nordkorea gar nicht recht zu sein. Will er mit seinem G8-Vorstoß vor allem Aufmerksamkeit, provozieren, die Gruppe spalten?
Der Italiener Giuseppe Conte jedenfalls sprang Trump eilig bei. Russland solle zurückkehren in den Schoß der G7, das sei im Interesse aller. Dem wiederum mochte sich die EU nicht anschließen, und auch Kanzlerin Angela Merkel später nicht. Die Sieben sei eine „Glückszahl“, sagte Ratspräsident Donald Tusk. Außerdem habe der Kreml bereits deutlich gemacht, dass man nicht interessiert sei an diesem Format. Die G7 sind in einem historisch schlechten Zustand. Seit Trump droht sie in zwei Lager zu zerfallen: Europa, Japan und Kanada hier, die USA dort. In einer Zeit tiefgreifender Umwälzungen in der Weltpolitik bleibt vom Schulterschluss einer westlichen Wertegemeinschaft nicht viel übrig. Da passt es ins Bild, dass der Amerikaner früher abreisen will.
Trump hat keine Lust
Ganz oben auf der Liste der Streitthemen stehen die Strafzölle der USA gegen die EU auf Stahl und Aluminium, die wenige Tage vor dem Gipfel in Kraft traten. Nicht weniger problematisch ist der Ausstieg der USA aus dem Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe. Die europäischen Vertragsparteien Frankreich, Deutschland und Großbritannien wollen den Vertrag retten. Die USA setzen dagegen auf möglichst hohen Druck auf Iran mit Sanktionen. Das Hauptstreitthema des jüngsten Gipfels, der Ausstieg der USA aus dem Pariser UN-Klimaschutzabkommen, ist fast vergessen.
Trump hatte vorab klargemacht, dass er keine Lust auf die zwei Tage hat. Zu viel Gegenwind würde ihn dort erwarten und zu wenig Lobpreisung. Er hält den Nordkorea-Gipfel am 12. Juni in Singapur für viel wichtiger. An Europäer und Kanadier sandte er vor seiner Abreise eine barsche Kampfansage: „Wir haben die schlechtesten Handelsabkommen aller Zeiten.“Kämpfen werde er in La Malbaie für sein Land. Am Freitag setzte er das fort. Es klang, als seien die USA gar kein Teil mehr der G7.
Der französische Präsident Emmanuel Macron gab geharnischt zurück. „Dem amerikanischen Präsidenten mag es egal sein, wenn er isoliert ist – genauso wenig aber macht es uns etwas aus, eine Vereinbarung von sechs Ländern zu unterzeichnen, wenn die Notwendigkeit dazu besteht“, twitterte er. Ende April galten Macron und Trump noch als eine Art neues Polit-Traumpaar. Wie Kanadas Premier Justin Trudeau muss der Franzose nun erkennen, dass Freundlichkeit sich bei Trump nicht auszahlt. Dass der macht, was er will.
Die Erfolgsaussichten des Gipfels waren miserabel, wollten doch die Europäer im Handelsstreit keinesfalls klein beigeben. Beim Atomabkommen mit dem Iran war ebenfalls schleierhaft, wie man wieder zusammenkommen kann. Wahrscheinlich wird es eine Abschlusserklärung von nur sechs der G7 geben – der offene Bruch. G7 minus eins.