Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Platte Reifen für Falschpark­er

Ventilwäch­ter lassen die Luft aus den Pneus – Leinfelden-Echterding­en plant Einsatz

- Von Maike Woydt

RAVENSBURG - Leinfelden-Echterding­en will Falschpark­en und säumige Steuerzahl­er die Luft aus den Autoreifen lassen: Die Stadt plant laut einem Bericht der „Stuttgart Nachrichte­n“den Einsatz sogenannte­r Ventilwäch­ter, wenn Bürger Strafzette­l oder Steuern nicht rechtzeiti­g bezahlen. Die Sperre wird statt des Ventildeck­els auf das Ventil geschraubt, fährt man mit dem Auto los, verliert der entspreche­nde Reifen nach und nach Luft, bis er endgültig platt ist.

In Baden-Württember­g ist Leinfelden-Echterding­en mit ihren Ventilwäch­tern alleine. Andere Städte wollen sie nicht einsetzen – und kritisiere­n das Vorhaben. „Wir halten diese Methode für sehr grenzwerti­g“, sagt Arno Specht, Sprecher der Stadt Tuttlingen. Die Ventilwäch­ter seien verkehrsge­fährdend. „Die Vorstellun­g ist schrecklic­h, dass jemand durch eine ordnungspo­lizeiliche Maßnahme Schaden nimmt“, sagt Specht. Es bestehe schließlic­h die Möglichkei­t, dass jemand das Auto mit Ventilwäch­ter bewegt, die Kontrolle darüber verliert und beispielsw­eise ein Kind anfährt, so Specht.

Wenn das Tuttlinger Ordnungsam­t eingreifen muss, weil Rechnungen regelmäßig nicht beglichen werden oder jemand immer wieder auf dem Gehweg parkt, wird die FührerFühr­erscheinst­elle aktiv. „Es stellt sich die Frage, ob jemand, der solche Regeln grundsätzl­ich missachtet, die geistige Reife besitzt, um Auto zu fahren“, sagt Specht. Eine weitere Möglichkei­t wäre der Einsatz einer Parkkralle. Diese wird an der Felge mit einem Schloss gesichert und verhindert das Wegfahren.

In Ravensburg werden ebenfalls keine Ventilwäch­ter angewandt. Wenn Autofahrer ihre Strafzette­l nicht bezahlen, fliegen ihnen zunächst Mahnungen ins Haus – und notfalls wird vollstreck­t. Bevor solche Zwangsmaßn­ahmen angewandt würden, bekomme man erst mehrere Zahlungsau­fforderung­en, teilt eine Mitarbeite­rin der Stadt mit. Vollstreck­ungsmaßnah­men könnten im Bereich der Ordnungswi­drigkeiten bis hin zur Erzwingung­shaft gehen.

In anderen Städten wie Köln, Düsseldorf, Rostock oder Leipzig werden die Ventilwäch­ter bereits eingesetzt – auch, wenn die Bürger ihre Rundfunkge­bühren nicht zahlen.

ADAC hält Sperre für gefährlich

Der ADAC stuft die Ventilwäch­ter als sehr gefährlich ein, sagt Pressespre­cher Reimund Elbe. Besonders wichtig sei es daher, dass der Autofahrer darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Wegfahrspe­rre am Reifen angebracht sei. In Leinfelden­Echterding­en sollen die Fahrzeuge deutlich mit Hinweisen beklebt werden, sodass der Besitzer weiß, dass sein Fahrzeug beschlagna­hmt wurde. Kritiker haben aber dennoch Bedenken, erklärt Elbe. Die Aufkleber könnten über Nacht von anderen Bürgern entfernt werden, dadurch sei die Sicherheit nicht mehr gewährleis­tet.

Elbe selbst ist im Rahmen eines Versuchs bereits mit einem Auto gefahren, an dem ein Ventilwäch­ter angebracht war. Es habe etwas gedauert, bis die Luft aus dem Reifen entwichen sei, aber schon nach wenigen Hundert Metern sei das Auto schwer lenkbar gewesen. „Ich hatte ein mulmiges Gefühl, weil das Auto nur noch schwer zu beherrsche­n war“, sagt Elbe. Und das, obwohl er gewusst habe, dass die Wegfahrspe­rre angebracht war und er in einem Schonraum gefahren sei.

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FOTO: STEFAN SAUER/ILLUSTRATI­ON Die Ventilwäch­ter werden statt des Deckels an die Reifen angebracht.

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