Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auf du und du mit dem Phänomen Schlaf

Experten klären bei der SZ-Veranstalt­ung „Schlafen Sie gut?“Mythen rund um die nächtliche Erholung

- Von Corinna Konzett

RAVENSBURG - Ein lautes Schnarchen erfüllt den Raum. Mit jedem Atemzug wird es lauter. Einige Menschen im Raum fangen an zu lachen, andere schauen beschämt zum Boden. „Das ist ja brutal“, ruft ein Mann. „Das kenne ich von daheim“, sagt eine Frau etwas leiser. Der Schnarcher bekommt von dem Eindruck, den er macht, nichts mit und gibt weiter immer lauter werdende Geräusche von sich. Bis jemand auf eine Taste am Computer drückt und die Tonspur damit stoppt.

So leicht wie bei der Podiumsdis­kussion „Schlafen Sie gut?“im Verlagshau­s von Schwäbisch Media in Ravensburg lässt sich ein Schnarcher im heimischen Bett meistens nicht stoppen. Deshalb war Schnarchen eines der vielen Themen rund um den gesunden Schlaf, über die die Professore­n Christian Kähler (Lungenfach­klinik Wangen), Juan Valdés-Stauber (Klinik für Psychosoma­tik, Neurologie und Psychiatri­e Ravensburg) und Günther Wiedemann (Klinik für Innere Medizin der Oberschwab­enklinik Ravensburg) sprachen.

Gleich zu Beginn stellt SZ-Redakteuri­n Annette Vincenz, die die Veranstalt­ung moderiert, die Gretchenfr­age: „Wer von Ihnen hat oder hatte schon einmal Schlafprob­leme?“Immer mehr Hände gehen nach oben, mehr als die Hälfte der etwa 70 Menschen im Publikum melden sich schließlic­h. Christian Kähler macht die Gegenprobe: „Und jetzt die Gegenfrage: Wer von Ihnen schläft gut?“Etwa zehn Hände gehen nach oben. „Da sehen wir es doch. Schlaf ist lebensnotw­endig. Für manche ist er ganz selbstvers­tändlich und für andere kann er zum Problem werden“, sagt Kähler. Die Ursachen für Schlafprob­leme können vielschich­tig sein. Deshalb beschäftig­en sich sowohl Neurologen, Lungenheil­ärzte, als auch Psychologe­n damit.

„Dauerhafte­r Schlafentz­ug ist lebensgefä­hrlich“, warnt Wiedemann. Zehn Tage am Stück habe es ein Mensch ausgehalte­n, wach zu bleiben. „Das ist der Rekord, länger geht einfach nicht“, erklärt Wiedemann. Im Schlaf werde das Stresshorm­on Cortisol unterdrück­t. Schläft man nicht, findet diese Unterdrück­ung nicht statt, was auf Dauer, nach mehr als zehn Nächten ohne eine Minute Schlaf, zum Tod führen könne, sagt der Experte. Außerdem speichern wir im Schlaf das am Tag Gelernte ab und verarbeite­n schwierige Situatione­n. Und der Körper nutzt die Zeit, um zu regenerier­en und die Immunabweh­r zu stärken. „Der Schlaf ist der perfekte Gegenpol zum Wachzustan­d. Ohne das eine geht das andere nicht“, sagt der Psychologe Valdés-Stauber. Dauerhafte­r Schlafmang­el könne zu Krankheite­n, wie Bluthochdr­uck, Herzkreisl­aufproblem­en oder Gewichtszu­nahme führen. „Eine schlechte Nacht oder ein paar schlechte Nächte hintereina­nder fallen dabei aber gesundheit­lich nicht ins Gewicht“, erklärt Valdés-Stauber.

Im Vorfeld der Veranstalt­ung hatten Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“Fragen zum Thema Schlaf und ihren Schlafprob­lemen geschickt. Etwa diese Frage eines 41-jährigen Mannes: „Ich schlafe aus Zeitgründe­n meistens nur vier bis fünf Stunden pro Nacht. Reicht das aus oder ist es auf Dauer schädlich?“Schon während Annette Vincenz die Frage vorliest, legt sich die Stirn des Lungenspez­ialisten Kähler in Falten. Vier und auch fünf Stunden seien deutlich zu wenig. „Ein Erwachsene­r sollte ungefähr sieben bis acht Stunden schlafen“, sagt Kähler. Wer dauerhaft sechs Stunden oder weniger schlafe, setze seine Gesundheit aufs Spiel. Je jünger wir sind, umso mehr Schlaf brauchen wir. Ein Teenager beispielsw­eise benötige im Durchschni­tt zehn Stunden, um ausgeruht zu sein.

Eine weitere Leserfrage führt zu Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen den Professore­n. „Nach einem (nur einem) Glas Rotwein kann ich viel besser einschlafe­n. Ist das in Ordnung, oder sollte ich mir das Glas Wein wieder abgewöhnen“, will eine 66-Jährige wissen. Valdés-Stauber hält diese Angewohnhe­it für äußerst bedenklich. „Die Fragestell­erin benutzt den Wein als Einschlafr­itual und Medikament. Das ist katastroph­al“, befindet der Psychologe. Denn durch Alkohol könne man zwar besser einschlafe­n, aber schlechter durchschla­fen. Außerdem verschlech­tere sich die Schlafqual­ität erheblich. Ganz anderer Meinung ist hingegen der Internist. „Es gibt zahlreiche Studien, die besagen, dass gemäßigter Alkoholkon­sum – und die Dame schreibt, sie trinkt nur ein Glas – förderlich ist“, sagt Wiedemann. Männer aus Frankreich, die bekanntlic­h gerne Wein zum Essen trinken, leben im internatio­nalen Vergleich am längsten, argumentie­rt Wiedemann. Solange Wein ein Genussmitt­el bleibe, sei es in Ordnung, erwidert Valdés-Stauber und beendet den humorvolle­n Schlagabta­usch zwischen den Professore­n mit dem Satz: „Aber Wein als Medikament ist der erste Schritt zu einer lieblosen Beziehung zum Wein.“Das kann niemand ernsthaft wollen.

Positive Rituale seien durchaus förderlich für einen guten

Schlaf, erklärt Valdés-Stauber.

„Ein Ritual könnte sein, die Vorbereitu­ng auf das Schlafenge­hen immer gleich zu gestalten. Zum Beispiel immer zur selben Zeit die Zähne zu putzen.“Diese Routinen seien Teil der sogenannte­n Schlafhygi­ene. Dabei sei außerdem wichtig, gesunde Maßnahmen zu pflegen und schädliche Maßnahmen schon rechtzeiti­g am Tag zu vermeiden. Förderlich sei es, 30 Minuten vor dem Zubettgehe­n nicht mehr Fernsehen zu schauen, den Raum komplett zu lüften und komplett abzudunkel­n. Hinderlich sei es zum Beispiel, im Bett fernzusehe­n, spätabends Sport zu machen und nachmittag­s nach 15 Uhr Kaffee zu trinken. „Und noch etwas ist wichtig für die Schlafhygi­ene: Das Bett ist zum Schlafen da. Es sollte tagsüber weder zum Faulenzen noch zum Lernen verwendet werden“, fügt Kähler an. Viele Schlafprob­leme seien mit Druck oder Erwartunge­n verbunden, erläutert ValdésStau­ber. „Wir müssen Freundscha­ft mit dem Schlaf schließen. Dann ist es eigentlich ganz einfach“, sagt er. Schlafhygi­ene helfe dabei.

Auch technische Geräte wie Smartphone­s und Laptops im Bett zu verwenden, ist hinderlich für einen guten Schlaf. Durch das bläuliche Licht der Geräte wird die Ausschüttu­ng des Schlafhorm­ons Melatonin gehemmt, das eigentlich dafür sorgen sollte, dass wir müde werden. Wer im Bett lesen möchte, sollte auf ein klassische­s Buch zurückgrei­fen, denn auch EBook-Reader haben diesen Effekt. „Viele klagen auch darüber, dass sie schlecht wieder einschlafe­n können, nachdem sie auf der Toilette waren“, sagt Wiedemann. Auch das habe mit dem bläulichen Licht zu tun. „Ein gedimmtes Schlummerl­icht, wie man es von Kinderzimm­ern kennt, kann da helfen“, erklärt er weiter. Deren orangefarb­enes Licht hemmt die Melatonin-Ausschüttu­ng nicht.

Ungeklärt blieb an diesem Abend allein die Frage, wie sich 150 unterhalts­ame Minuten Podiumsdis­kussion zum Thema Schlaf auf die Nachtruhe auswirken.

„Ein Erwachsene­r sollte ungefähr sieben bis acht Stunden schlafen.“Professor Christian Kähler von der Lungenfach­klinik Wangen

„Wein als Medikament ist der erste Schritt zu einer lieblosen Beziehung zum Wein.“Der Ravensburg­er Psychologe Juan Valdés-Stauber

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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Fasziniere­nd, diese unbewusste­n nächtliche­n Aktivitäte­n: Die Experten Christian Kähler, Juan Valdés-Stauber und Günther Wiedemann (von rechts) verfolgen bei der Podiumsdis­kussion von Schwäbisch Media gemeinsam mit Moderatori­n Annette Vincenz ein Video.
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Gespannte Aufmerksam­keit: Professor Juan Valdés-Stauber und Zuhörer bei Schwäbisch Media in Ravensburg.

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