Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Zeit für Brexit-Verhandler wird knapp
Den Brexit-Verhandlern läuft die Zeit davon. Mitte der Woche legte die britische Delegation einen neuen Vorschlag vor, wie sie das Nordirland-Problem lösen möchte. Beide Seiten haben sich an der Frage festgebissen, wie eine harte Grenze quer durch die irische Insel vermieden werden kann, wenn Nordirland nach dem Brexit den EUBinnenmarkt verlässt.
Die EU schlägt vor, dem zu Großbritannien gehörenden Norden der irischen Insel einen Sonderstatus zu gewähren und die Personen- und Warenkontrollen an den Küsten durchzuführen – also praktisch innerhalb Großbritanniens. Die Briten lehnen das ab und wollen die Zollunion mit der EU im gesamten Königreich befristet aufrechterhalten. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sagte am Freitag zu dem Vorschlag: „Ganz ehrlich: Der neue Text bringt mehr Fragen als Antworten.“Er fragte, wie der EU ein zeitlich befristeter Verbleib ganz Großbritanniens in der Zollunion weiterhelfen könnte. „Ich appelliere an den Pragmatismus aller Beteiligten. Fähren und Schiffe lassen sich deutlich leichter kontrollieren als 500 Kilometer Landgrenze.“Die EU tue alles, um das Friedensabkommen zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland zu bewahren.
Sie sei bereit, für dieses kleine Territorium einen Sonderstatus zu akzeptieren – aber ganz sicher nicht für ganz Großbritannien. Zudem widerspreche eine zeitlich befristete Übergangsregelung der Vereinbarung, dass sich alle Unternehmen nur einmal auf neue Regeln einstellen müssten. Es gehört zu Barniers Taktik, die ungelösten Probleme herauszustreichen und die Briten daran zu erinnern, dass es ihre Idee war, die Union zu verlassen.
Durchbruch muss bald gelingen
Innerhalb der kommenden drei Wochen müsse der Durchbruch gelingen, wenn der EU-Gipfel Ende Juni den Startschuss für Phase zwei, den Beginn der Gespräche über die neue Partnerschaft nach dem Brexit, beschließen solle. Sei das Austrittsabkommen bis Oktober nicht fertig, sei die Ratifizierung in den nationalen Parlamenten bis März 2019 nicht zu schaffen und es drohe ein „ungeordneter Brexit“ohne Vereinbarung.
Barnier betonte erneut, dass sämtliche Abkommen, die das künftige Verhältnis Großbritanniens zur EU regeln sollen, gemischte Verträge sein werden. Ob es also um die künftige Forschungszusammenarbeit geht, ein Handelsabkommen, die Verteidigungspartnerschaft oder den Studentenaustausch – all das muss durch internationale Abkommen geregelt werden. Da haben nicht nur die nationalen Parlamente ein Wörtchen mitzureden, sondern in manchen Ländern auch die Regionalkammern.
Von einem britischen Journalisten wurde Barnier gefragt, wie er Boris Johnsons jüngsten Kommentar zu den Brexit-Verhandlungen bewerte. Einem geleakten Tondokument zufolge hatte der britische Außenminister laut darüber nachgedacht, wie Donald Trump diese Verhandlungen führen würde. „Es würde alle möglichen Zusammenbrüche geben, alles mögliche Chaos. Jeder würde denken, er sei verrückt geworden. Aber man würde tatsächlich etwas erreichen“, so Johnson. Barnier kräuselte bei der Vorstellung, mit Johnson oder Trump am Verhandlungstisch zu sitzen, leicht angewidert die Nase und verweigerte jeden Kommentar.