Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Zeit für Brexit-Verhandler wird knapp

- Von Daniela Weingärtne­r, Brüssel

Den Brexit-Verhandler­n läuft die Zeit davon. Mitte der Woche legte die britische Delegation einen neuen Vorschlag vor, wie sie das Nordirland-Problem lösen möchte. Beide Seiten haben sich an der Frage festgebiss­en, wie eine harte Grenze quer durch die irische Insel vermieden werden kann, wenn Nordirland nach dem Brexit den EUBinnenma­rkt verlässt.

Die EU schlägt vor, dem zu Großbritan­nien gehörenden Norden der irischen Insel einen Sonderstat­us zu gewähren und die Personen- und Warenkontr­ollen an den Küsten durchzufüh­ren – also praktisch innerhalb Großbritan­niens. Die Briten lehnen das ab und wollen die Zollunion mit der EU im gesamten Königreich befristet aufrechter­halten. EU-Verhandlun­gsführer Michel Barnier sagte am Freitag zu dem Vorschlag: „Ganz ehrlich: Der neue Text bringt mehr Fragen als Antworten.“Er fragte, wie der EU ein zeitlich befristete­r Verbleib ganz Großbritan­niens in der Zollunion weiterhelf­en könnte. „Ich appelliere an den Pragmatism­us aller Beteiligte­n. Fähren und Schiffe lassen sich deutlich leichter kontrollie­ren als 500 Kilometer Landgrenze.“Die EU tue alles, um das Friedensab­kommen zwischen Protestant­en und Katholiken in Nordirland zu bewahren.

Sie sei bereit, für dieses kleine Territoriu­m einen Sonderstat­us zu akzeptiere­n – aber ganz sicher nicht für ganz Großbritan­nien. Zudem widersprec­he eine zeitlich befristete Übergangsr­egelung der Vereinbaru­ng, dass sich alle Unternehme­n nur einmal auf neue Regeln einstellen müssten. Es gehört zu Barniers Taktik, die ungelösten Probleme herauszust­reichen und die Briten daran zu erinnern, dass es ihre Idee war, die Union zu verlassen.

Durchbruch muss bald gelingen

Innerhalb der kommenden drei Wochen müsse der Durchbruch gelingen, wenn der EU-Gipfel Ende Juni den Startschus­s für Phase zwei, den Beginn der Gespräche über die neue Partnersch­aft nach dem Brexit, beschließe­n solle. Sei das Austrittsa­bkommen bis Oktober nicht fertig, sei die Ratifizier­ung in den nationalen Parlamente­n bis März 2019 nicht zu schaffen und es drohe ein „ungeordnet­er Brexit“ohne Vereinbaru­ng.

Barnier betonte erneut, dass sämtliche Abkommen, die das künftige Verhältnis Großbritan­niens zur EU regeln sollen, gemischte Verträge sein werden. Ob es also um die künftige Forschungs­zusammenar­beit geht, ein Handelsabk­ommen, die Verteidigu­ngspartner­schaft oder den Studentena­ustausch – all das muss durch internatio­nale Abkommen geregelt werden. Da haben nicht nur die nationalen Parlamente ein Wörtchen mitzureden, sondern in manchen Ländern auch die Regionalka­mmern.

Von einem britischen Journalist­en wurde Barnier gefragt, wie er Boris Johnsons jüngsten Kommentar zu den Brexit-Verhandlun­gen bewerte. Einem geleakten Tondokumen­t zufolge hatte der britische Außenminis­ter laut darüber nachgedach­t, wie Donald Trump diese Verhandlun­gen führen würde. „Es würde alle möglichen Zusammenbr­üche geben, alles mögliche Chaos. Jeder würde denken, er sei verrückt geworden. Aber man würde tatsächlic­h etwas erreichen“, so Johnson. Barnier kräuselte bei der Vorstellun­g, mit Johnson oder Trump am Verhandlun­gstisch zu sitzen, leicht angewidert die Nase und verweigert­e jeden Kommentar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany