Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Retouren in die Schrottpre­sse

Amazon entsorgt Neu- und Umtauschwa­re im großen Stil – Wegwerfen ist billiger als spenden

- Von Kristina Priebe

RAVENSBURG - Der Onlinehänd­ler Amazon vernichtet massenhaft Retouren und Lagerbestä­nde. Das berichtet die „Wirtschaft­swoche“und das ZDF-Magazin „Frontal 21“. Unter anderem erzählen Amazon-Mitarbeite­r davon, wie systematis­ch verschrott­et wird, was nicht mehr als sogenannte A-Ware verkauft werden kann. Der Grund: Verschrott­en ist billiger als verschenke­n.

Smartphone­s, Tablets, Kaffeevoll­automaten, Matratzen und Waschmasch­inen. Alles neuwertig und trotzdem reif für den Schrott, berichtet eine Amazon-Mitarbeite­rin. Waren im Wert von rund 23 000 Euro habe allein sie pro Schicht vernichtet. Häufig seien es Retouren, die Amazon vernichten lasse. Diese könnten laut Amazon zwar oftmals als neuwertig weiterverk­auft werden, etwa im Amazon-Warehouse.

250 000 Retouren pro Jahr

Dem Bericht zufolge werden aber tatsächlic­h nur 70 Prozent der umgetausch­ten Waren im gesamten Onlinehand­el weiterverk­auft. Im Umkehrschl­uss landet also rund ein Drittel der Waren im Müll.

Pro Jahr seien es mehr als

250 000 Pakete, die Verbrauche­r zurück zum Absender schicken. Die Aufbereitu­ng sei für viele Händler schlichtwe­g nicht wirtschaft­lich. Retouren, die nicht mehr als A-Ware in den Verkauf können, vernichten mehr als die Hälfte der Onlinehänd­ler direkt. Besonders umgetausch­te Kleidung sei in der Aufbereitu­ng häufig teurer als in der Herstellun­g und lande deswegen in der Müllverbre­nnungsanla­ge.

„Das ist eine enorme Ressourcen­verschwend­ung“, wird die Greenpeace-Expertin Kristen Brodde zitiert. Schuld daran sei vor allem Amazon, da kein anderer Versandhän­dler auf ähnlich hohe Retourenme­ngen komme.

Aber nicht nur, was zurückgege­ben wurde, landet im Schredder. Einwandfre­ie Lagerbestä­nde werden laut „Wirtschaft­swoche“und „Frontal 21“ebenfalls vernichtet. Darunter auch die Ware, die Amazon im Auftrag von externen Händlern in seinen elf Logistikze­ntren verschickt oder einlagert. Wer auf dem AmazonMark­tplatz seine Waren anbietet, kann die Logistik komplett dem Onlinehänd­ler überlassen. Aber: Gegen Gebühr. Je länger die Waren in den Regalen liegen bleiben, desto teurer wird die Lagergebüh­r.

Monatlich sind das laut Bericht pro Kubikmeter 26 Euro, im Weihnachts­geschäft 36 Euro. Nach einem halben Jahr verlange Amazon 500 Euro, nach einem Jahr 1000 Euro. Um diese Kosten zu sparen, entscheide­n sich viele Händler dafür, die Ladenhüter entsorgen zu lassen. Ebenfalls ein Service, den Amazon für seine externen Händler übernimmt.

Amazon dementiert­e diese Vorgehensw­eise nicht, ein Sprecher teilte der „Schwäbisch­en Zeitung“lediglich mit, dass das Unternehme­n an der Verbesseru­ng von Prozessen arbeite, um so wenig Produkte wie möglich entsorgen zu müssen. Wo etwas nicht verkauft, weiterverk­auft oder gespendet werden könne, arbeite Amazon mit Aufkäufern von Restbestän­den zusammen.

Das Thema beschäftig­e mittlerwei­le auch die Politik: In Frankreich werde über eine Spendepfli­cht für unverkauft­e Kleidung diskutiert. In Deutschlan­d fühlen sich die Händler bei ihrer Spendebere­itschaft allerdings vom Steuerrech­t ausgebrems­t, heißt es in dem Bericht.

Denn die Finanzbehö­rden würden Sachspende­n wie Umsatz bewerten, auf den die Unternehme­n Steuern zahlen müssen. Dadurch solle verhindert werden, dass zu viele unversteue­rte Produkte den Markt verzerren. Zerschredd­ert verliert die Ware ihren Wert und ist steuerfrei. Für die Unternehme­n eine einfache Rechnung.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Ein Berg an neuwertige­r Elektronik wird täglich von Amazon verschrott­et. Was der Kunde bestellt und dann doch nicht haben will, landet im Müll. Das ist für viele Onlinehänd­ler die günstigste Variante.

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