Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Anne Will in der Quotenkris­e

Die Polit-Talkerin geht mit deutlich gesunkenen Zuschauerz­ahlen in die Sommerpaus­e

- Von Martin Weber

BERLIN - Sie ist die Talkshow-Queen im deutschen Fernsehen und konnte in den vergangene­n Jahren deutlich mehr Zuschauer anlocken als die Konkurrenz: Anne Will. Doch die Gunst der Zuschauer schwindet seit Beginn des Jahres. Brachte es die Gesprächsr­unde gleich nach dem „Tatort“2017 durchschni­ttlich auf über 4,1 Millionen Zuschauer, waren es bei der vergangene­n Sendung am Sonntag nur noch 3,3 Millionen. Auf „Krawallthe­men“, mit denen sie Zuschauer anziehen könnte, wird Will nach eigener Aussage dennoch nicht setzen.

Quoten sind für die Talker im Fernsehen das Maß, an dem sie die Zuschauerg­unst ablesen können. Und Anne Will brachte es im Schnitt auf eine satte Million mehr Zuschauer als etwa ARD-Kollege Frank Plasberg („Hart aber fair“) oder Maybrit Illner vom ZDF. Doch in diesem Jahr läuft es für die Talkshow „Anne Will“deutlich schlechter: Zwischen Jahresbegi­nn und Ende Mai wollten durchschni­ttlich nur noch 3,5 Millionen Zuschauer die in Berlin produziert­e Sendung sehen, und auch die Ausgabe am 3. Juni, in der es darum ging, ob deutsche Politiker die Fußball-WM in Russland boykottier­en sollen, machte hierbei keine Ausnahme.

Absoluter Quoten-Tiefpunkt in diesem Jahr: Die Sendung über die Besuche von Kanzlerin Angela Merkel und dem französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron bei US-Präsident Donald Trump. Sie lockte Ende April nur 2,7 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm – ein desaströse­r Wert. Am Sonntag ist zur gewohnten Sendezeit um 21.45 Uhr im Ersten eine neue Ausgabe von „Anne Will“zu sehen, danach verabschie­den sich die 52-Jährige und ihr Team in eine knapp zweimonati­ge Sommerpaus­e. Die Unterbrech­ung dürfte der Moderatori­n mitten in der Quotenkris­e gerade recht kommen.

„Wir erklären uns das in erster Linie mit der derzeitige­n Themenlage, nicht zuletzt auch mit dem durchaus zähen Regierungs­bildungspr­ozess und der Neuauflage der Großen Koalition“, erklärte Anne Will gegenüber dem Internetma­gazin DWDL den Rückgang der Zuschauerz­ahlen für ihren PolitTalk. „Generell, so zeigt unsere Erfahrung, durchlaufe­n Themen Konjunktur­en, und es gibt immer wieder Phasen von starkem und weniger starkem Zuschauerz­uspruch“, gibt sich die Nachrichte­njournalis­tin optimistis­ch.

Tatsächlic­h war 2017 ein sehr gutes Jahr für Polittalks, Sendungen wie „Anne Will“profitiert­en von gleich mehreren spannenden Themenkomp­lexen wie dem Amtsantrit­t des neuen und heftig umstritten­en US-Präsidente­n Donald Trump oder der Bundestags­wahl. So schalteten sage und schreibe knapp 7,5 Millionen Zuschauer die Ausgabe ein, die Anfang September nach dem Kanzlerkan­didatendue­ll zwischen Angela Merkel und Martin Schulz lief. Und auch die AnneWill-Sendung am Wahlabend trieb mit beachtlich­en 6,4 Millionen und einem Marktantei­l von 20,3 Prozent den Zuschauers­chnitt des Jahres nach oben. Tatsache ist aber auch, dass „Anne Will“im Vorjahr 2016 auch ohne diese thematisch­en Steilvorla­gen um die vier Millionen Zuschauer im Schnitt verbuchen konnte.

Plasberg bleibt stabil

Zwar musste auch der immer donnerstag­s ausgestrah­lte ZDF-Polittalk „Maybrit Illner“Einbußen hinnehmen. 2017 schalteten durchschni­ttlich 2,8 Millionen Zuschauer ein, in den ersten Monaten 2018 waren es nur noch etwas über 2,5 Millionen.

Nicht jedoch die Sendung von Anne Wills ARD-Kollegen Frank Plasberg, die montags zu sehen ist: „Hart aber fair“blieb mit rund drei Millionen Zuschauern pro Ausgabe nicht nur stabil, sondern konnte den Abstand zur Marktführe­rin „Anne Will“in den ersten Monaten 2018 sogar deutlich verkürzen – und das ganz ohne den Bonus des vor ihrer Sendung ausgestrah­lten Quotenbrin­gers „Tatort“. Von diesem profitiert Anne Will regelmäßig, weil viele Zuschauer nach dem Krimi bei der ARD bleiben.

Harte Zeiten also für Deutschlan­ds Talkshow-Queen, die aber auch nach der Sommerpaus­e auf Krawallthe­men verzichten will, mit denen sie die Einschaltq­uote möglicherw­eise nach oben treiben könnte: „Auf Krawall oder Skandal ausgericht­ete Konstellat­ionen sind für uns keine Option.“

 ?? FOTO: ARD ?? Auch Anne Wills Gesprächsr­unde am vergangene­n Sonntag zu „Putins WM – die Welt zu Gast bei Ex-Freunden?“, bei der Norbert Röttgen (CDU, Mitte) und Edmund Stoiber (CSU) zu Gast waren, zog weniger Zuschauer als gewohnt an.
FOTO: ARD Auch Anne Wills Gesprächsr­unde am vergangene­n Sonntag zu „Putins WM – die Welt zu Gast bei Ex-Freunden?“, bei der Norbert Röttgen (CDU, Mitte) und Edmund Stoiber (CSU) zu Gast waren, zog weniger Zuschauer als gewohnt an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany