Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Philipp Lahm ist ja ein schlauer Kopf“

Jessy Wellmer über ihren neuen WM-Talk am Tegernsee, die „Sportschau“und ihre geliebten High Heels

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Kompetent, feminin und ein bisschen frech: Jessy Wellmer drückt der „Sportschau“am Samstag seit vorigen Sommer als Moderatori­n ihren Stempel auf. Bei der Fußball-WM hat die 38-Jährige eine besondere Aufgabe: In der neuen Rubrik „Weltmeiste­r im Gespräch“unterhält sich die TVJournali­stin mit Philipp Lahm, der die deutsche Nationalel­f 2014 als Kapitän zum Weltmeiste­rtitel geführt hat. Die Talkreihe wird vom 14. Juni an eingebette­t in die ARD-Berichters­tattung. Cornelia Wystrichow­ski hat sich mit Jessy Wellmer über ihre Rolle als Sportrepor­terin und übers Fernsehges­chäft unterhalte­n.

Frau Wellmer, welches war die erste Fußballwel­tmeistersc­haft, die Sie bewusst miterlebt haben?

Das war das Turnier 1990. Diese WM war ein sehr wichtiges Ereignis für mich, und das nicht nur, weil sie so besonders erfolgreic­h lief aus deutscher Sicht, sondern weil sie für mich das Symbol der Einheit war. Ich war damals zehn Jahre alt, ein Mädchen aus Ostdeutsch­land, und dachte mir: Wenn wir diesen Sieg jetzt gemeinsam feiern, dann gehören Ost und West wohl wirklich zusammen.

Den nächsten WM-Titel holte die deutsche Nationalel­f 2014 in Brasilien – da waren Sie schon als Journalist­in vor Ort …

Ich war als Reporterin fürs ZDFMorgenm­agazin in Brasilien und durfte sogar beim 7:1-Sieg der deutschen Mannschaft gegen Brasilien in Belo Horizonte dabei sein. Es war gigantisch, das im Stadion mitzuerleb­en. Nach dem Spiel mussten wir, die Medienleut­e aus Deutschlan­d, ewig sitzenblei­ben. Nach dieser riesigen Enttäuschu­ng hatten unsere Gastgeber Sorge um die Sicherheit.

Bei der aktuellen WM sprechen Sie mit Fußballleg­ende Philipp Lahm über das Turnier, die Sendung kommt vom Tegernsee. Warum nicht aus Russland?

Zum Eröffnungs­spiel der deutschen Mannschaft gegen Mexiko besucht Philipp Lahm die deutsche Elf und ich begleite ihn. Anschließe­nd werden wir zusammen über die Nationalma­nnschaft sprechen, darüber, was hinter den Kulissen eines solchen Turniers passiert. Dazu müssen wir aber nicht die ganze Zeit in Russland sein. Wir setzen uns ans Ufer des Tegernsees. Dort ist es schön, und Philipp Lahm ist da mit seiner Familie zu Hause. Er ist froh, dass er nach seiner Karriere als Profifußba­ller mehr Zeit für seine Kinder hat und nicht mehr ständig rumjetten muss. Und für den Gebührenza­hler ist das übrigens wesentlich kostengüns­tiger.

Wird die politische Situation in Putins Russland ein Thema in der Gesprächss­endung sein?

Es wird mit Sicherheit ein Thema sein, wie ein Fußballspi­eler ein Trainingsl­ager in Ländern wie Katar oder ein Turnier in einem Land wie Brasilien erlebt, wo es auch angespannt­e politische Verhältnis­se gab. Wie nimmt ein Fußballer die gesellscha­ftliche Dimension vor Ort wahr? Das könnte ein Thema sein, das ich mit Philipp Lahm bespreche. Er ist ja ein schlauer Kopf, und als Kapitän der Weltmeiste­rmannschaf­t von 2014 kann er uns sehr viel erzählen, zum Beispiel auch über die Fifa oder über Dopingkont­rollen.

Finden Sie es gut, dass die Weltmeiste­rschaft nicht boykottier­t wird?

Es ist ja grundsätzl­ich die Frage, ob man Großereign­isse in solche Länder geben muss. Aber wenn eine WM oder Olympische Spiele in einem solchen Land stattfinde­n, muss man sich als Journalist überlegen, wie man damit umgeht. Ich finde, man sollte nicht nur als Fußballrep­orter hinreisen, sondern sich auch als politische­r Journalist verstehen, sich entspreche­nd vorbereite­n und die Augen offenhalte­n. Ich war zum Beispiel als Reporterin bei den Olympische­n Spielen in Südkorea, zu diesem Zeitpunkt war der Schlagabta­usch zwischen Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gerade auf dem Höhepunkt. Im Zweifelsfa­ll musste ich da schon einordnen können, welche Bedeutung der nächste Trump-Tweet haben würde. Das ist meine Grundeinst­ellung zu dem Job.

Anne Will, die 1999 als erste Frau die „Sportschau“präsentier­t hat, moderiert inzwischen einen eigenen Polittalk. Träumen Sie auch von so etwas?

Ich hätte vor fünf Jahren nie gedacht, dass ich irgendwann mal die Samstags-„Sportschau“moderieren werde, ich hätte das nicht für möglich gehalten. Ich habe inzwischen gelernt, dass das Fernsehges­chäft unergründl­ich und unvorherse­hbar ist, es hängt an so vielen Faktoren und Entscheide­rn, welcher Posten wie besetzt wird. Ich genieße es jetzt erst mal, wie es ist. Über anderes denke ich nicht nach.

Sie haben gerade Ihre erste Saison als Moderatori­n der Samstags„Sportschau“hinter sich. Welche Bilanz ziehen Sie?

Es war aufregend, und ich musste mich erst daran gewöhnen. Die Moderation eines solchen Bundesliga­spieltags ist eine große Fernsehkom­position mit enorm vielen Beteiligte­n und ungeheuer viel Anstrengun­g. Ich bin zum Glück vom „Sportschau“-Team in Köln sehr herzlich aufgenomme­n worden. Es gab auch keinen einzigen Spruch, dass da jetzt eine Frau oder eine Neue die Sendung moderiert.

Die Welt des Bundesliga-Fußballs galt viele Jahre als reine Männerdomä­ne, Sie sind die erste Moderatori­n der „Sportschau“am Samstag seit Monica Lierhaus. Hat dieser Aspekt keine Rolle gespielt?

Es war am Anfang, als ich den Job übernahm, vor allem für die Medien ein großes Thema, für Journalist­enkollegen. Von den Zuschauern selber ist zu diesem Thema gar nicht so viel gekommen. Klar kam auch mal ein Tweet wie: „Die soll sich mal einen Rock anziehen“oder: „Die soll an ihren Herd gehen“, aber doch nur ganz vereinzelt.

Apropos Bekleidung: Als Moderatori­n der „Sportschau“sind die High Heels zu einer Art Markenzeic­hen für Sie geworden. Werden Sie auch im Talk mit Philipp Lahm Stöckelsch­uhe tragen?

Das Ganze findet ja am See statt, da ist man nicht mit High Heels unterwegs, weil man mit denen im Rasen steckenble­ibt. Ich glaube, es wird eher eine Sandale werden.

Glauben Sie, dass Deutschlan­d seinen Titel verteidige­n wird?

Ich hätte grundsätzl­ich nichts dagegen. Ich würde aber eher tippen, dass Deutschlan­d ins Finale kommt und Frankreich Weltmeiste­r wird. Allerdings liege ich mit Favoriten immer falsch (lacht).

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FOTO: DPA „Sportschau“Moderatori­n Jessy Wellmer wird das WM-Geschehen gemeinsam mit Philipp Lahm vom Tegernsee aus beobachten und kommentier­en.

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