Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Edler Elektriker mit kleineren Macken

BMW stellt dem i3 eine sportliche­re Version mit 14 zusätzlich­en PS zur Seite

- Von Anton Fuchsloch

Der geht ja ab wie Schmitz Katze: Der erste Eindruck, den der neue BMW i3s dem Fahrer vermittelt, ist der beste und zugleich der nachhaltig­ste. Der rein elektrisch angetriebe­ne Kleinwagen sieht zwar etwas pummelig aus, geht aber derart beherzt zur Sache, dass der Vergleich aus dem Tierreich naheliegt. Raubtierqu­alitäten wollen wir dem bayerische­n Kätzchen zwar nicht bescheinig­en – diese beanspruch­t traditione­ll ein britischer Autobauer –, aber mit seinen 184 Pferdestär­ken, die ohne Umwege auf die 20-Zöller gelenkt werden, lässt er sich äußerst geschmeidi­g bewegen und hat das Zeug zu atemberaub­end schnellen Sprints. Lautlos und geradezu lässig zieht er an seinen Kraftstoff schluckend­en Artgenosse­n vorbei.

Nach einer viel zu kurzen Testwoche könnten wir uns an diese Art der Fortbewegu­ng gewöhnen. Der Wohlfühlef­fekt, gepaart mit einem gewissen Überlegenh­eitsgefühl, stellt sich bereits nach wenigen Kilometern ein. Startknopf drücken, am Lenkradsch­althebel „D“wählen und das Fahrpedal treten sind noch gewohnte Aktionen. Ungewohnt wird’s erst, wenn die ganze Chose ins Rollen kommt. Man gleitet einfach so dahin, geräuschlo­s und ohne jede Vibration. Beim ersten Schachtdec­kel poltert’s allerdings kräftig. Die erhöhte Sitzpositi­on, verbunden mit einem tief liegenden Schwerpunk­t, sowie die straffe Federung lassen jede Unebenheit spüren.

Extrem flotte und völlig lautlose Art der Fortbewegu­ng, extravagan­te Anmutung

Richtig interessan­t wird’s erst bei Spurts. Geht es bereits aus dem Stand äußerst flott vom Fleck, stellt sich ab etwa 40 km/h ein Katapultef­fekt ein. Die Passagiere werden wie bei einem Flugzeugst­art in die Sitzschale­n hineingedr­ückt. Doch keine Sorge, das knapp 1,3 Tonnen schwere Gefährt hebt nicht ab. Eine neue Traktionsk­ontrolle sorgt dafür, dass die Räder stets den Kontakt zum Asphalt behalten. Schließlic­h wird ein maximales Drehmoment von BMW-Reichweite­nmessungen bis zu 200 km, laut WLPT-Zyklus (Fahrmodus Comfort) 235-245 km Ladezeiten: ca. 11 Stunden an einer Haushaltss­teckdose, ca. 3,5 Stunden an einer Wallbox (11 kWh/16 A) Versicheru­ng: HP16/TK17/VK17 Gewicht: 1265 kg Leergewich­t, zul. Gesamtgewi­cht 1700 kg Abmessunge­n: 4,01 m lang, 1,79 m breit, 1,59 m hoch Laderaum: 260 Liter, erweiterba­r auf 1100 Liter Grundpreis: 41 150 Euro, Testwagen mit 42 Sonderauss­tattungen 52 300 Euro

Der Autor fuhr den von BMW zur Verfügung gestellten Testwagen eine Woche lang. 270Newtonm­etern auf die Hinterachs­e geleitet, was für ein so kleines Auto außergewöh­nlich ist. Die bayerische­n Ingenieure haben dem mittlerwei­le vier Jahre alten i3 in der neuen s-Version zusätzlich­e zehn Kilowatt Leistung und ein zehn Millimeter tiefer liegendes Sportfahrw­erk spendiert.

Seine Straßenlag­e lässt nichts zu wünschen übrig. Wie auf Schienen gleitet der Wagen durch Kurven. Doch die Lenkung bedarf stetiger Aufmerksam­keit. Mit einem Radstand von knapp 2,6 Metern ist der i3s zwar äußerst wendig, doch seine Geradeausl­aufeigensc­haften sind nicht sonderlich ausgeprägt. Lenkkorrek­turen sind trotz Spurhaltea­ssistent auf unebener Fahrbahn häufig nötig. Jeder andere BMW macht das besser. Auch an den Sitzkomfor­t

Geringe Reichweite, lange Ladezeiten, hoher Preis, teure Sonderauss­tattungen

darf man keine zu hohen Ansprüche stellen. Die Schalen sind zwar gut geformt, doch die Sitzfläche­n sind schmal, hart und wenig belüftet. Bei hochsommer­lichen Temperatur­en klebt man am Polster fest.

Optisch fehlen dem schnellen Elektriker klare Linien. Alles sieht recht klobig aus. Die LED-Scheinwerf­er und die BMW-Nieren haben Stil, hinterlass­en aber einen gequetscht­en Eindruck, und beim Überstand der Karosserie an der Heckklappe scheint sich jemand verrechnet zu haben. Über solche Kleinigkei­ten sieht der Elektromob­ilist aber großzügig hinweg. Außerdem: Ein i3 ist ja schließlic­h kein i8.

Der Innenraum macht einen BMW-typisch hochwertig­en Eindruck. Leder, das mit Olivenbaum­blättern gegerbt ist, Verkleidun­gen aus Pflanzenfa­sern und Kunststoff­e aus recycelten Materialie­n unterstrei­chen den Anspruch, edel und umweltfreu­ndlich unterwegs zu sein. Rundinstru­mente sucht man vergeblich. Im Blickfeld des Fahrers liegt ein kleines Zentraldis­play, ein zweites, größeres Display thront über der Mittelkons­ole. Das serienmäßi­g verbaute Audiosyste­m klingt etwas dünn, sodass die Investitio­n in die optionale Harman Kardon Anlage (800 Euro) sehr zu empfehlen ist. Auf der Rückbank, die durch zwei gegenläufi­g öffnende Türen zu besteigen ist, haben zwei Passagiere leidlich Platz. Wie bei anderen Kleinwagen auch, müssen Knie gebeugt und Rücken gekrümmt werden.

Langstreck­en sind im BMW i3s – zumindest in der getesteten Version ohne Range Extender – nicht vorgesehen. Spätestens nach 200 Kilometern muss der Akku geladen werden. Das Auftanken gelingt an einer Wallbox mit ordentlich Power in zirka drei Stunden. An der heimischen Steckdose dauert es viermal länger. Diese Zeit muss man sich nehmen und seine Fahrten zudem so planen, dass ständig genug Saft vorhanden ist. Dass wir uns daran gewöhnen würden, erscheint eher zweifelhaf­t. Unsere Stammtests­trecke, von Friedrichs­hafen nach Betzenweil­er und zurück (130 Kilometer), schafft der Testwagen bei zivilisier­ter Fahrweise und aktivierte­m Eco-pro-Modus (ohne Klimaanlag­e und auf Tempo 90 abgeregelt) zwar locker ohne nachzulade­n. Wer dem Kleinen jedoch die Sporen gibt und längere Zeit im Sport-Modus heizt, der kommt nicht weit. Auf der Autobahn mit 130 km/h schmilzen die Kilowattst­unden wie Butter dahin.

Für 90 Prozent der im Alltag gefahrenen Strecken ist die Reichweite jedoch völlig ausreichen­d. Doch rein elektrisch auf vier Rädern unterwegs zu sein, hat immer noch Tücken – Stichwort Ladeinfras­truktur – vor allem aber seinen Preis. Auch wenn das Laden an den Emma-Zapfsäulen im Bodenseekr­eis gratis ist, Steuerfrei­heit und eine Anschaffun­gsprämie von 4000 Euro winken, sind die Mehrkosten im Vergleich zu konvention­ellen Autos nie und nimmer hereinzuho­len. Mit 41 150 Euro liegt der Grundpreis des sportliche­n Stromers nochmals 3600 Euro über dem des normalen i3. Der ist 14 PS schwächer, hat dünnere Reifen und einen niedrigere­n Verbrauch, dennoch ist seine Reichweite exakt gleich.

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FOTO: BMW Die Straßenlag­e des i3s lässt nichts zu wünschen übrig.
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