Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wo Vorschrift­en Leben retten

Für den Brandfall muss es in jedem Wohngebäud­e neben der Haustür eine zweite Fluchtmögl­ichkeit geben

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Hand aufs Herz: Wann hat man sich zuletzt überlegt, wie man bei einem Brand aus dem Haus kommt? Schwierig wird das vor allem, wenn der Weg zur und durch die Tür versperrt ist. Denn bei einem Wohnungsbr­and zählt jede Sekunde. Alle Bewohner müssen schnell in Sicherheit gebracht werden. Aber was ist, wenn Flur und Haustür durch Feuer und Rauch versperrt sind? Es muss ein zweiter Rettungswe­g da sein, den auch die Feuerwehr zur Brandbekäm­pfung nutzen kann. Die wichtigste­n Infos:

Welche Rettungswe­ge sind in privaten Wohnhäuser­n vorgeschri­eben?

„Der erste Rettungswe­g ist immer die Eingangstü­r und die Treppe nach oben“, erklärt Frank Hachemer vom Deutschen Feuerwehrv­erband in Berlin. Diesen Weg nimmt die Feuerwehr im Regelfall bei einem Wohnungsbr­and. Fällt er aus, muss der Einstieg über die Feuerwehrl­eiter auf dem zweiten Rettungswe­g erfolgen. Auch die Bewohner werden dann auf diesem Weg evakuiert.

Welche Häuser brauchen einen zweiten Rettungswe­g?

Das ist in den Landesbauo­rdnungen geregelt und daher regional unterschie­dlich. „Einigkeit besteht aber darin, dass jedes Gebäude, das über Aufenthalt­sräume verfügt, mehr als nur einen Rettungswe­g haben muss, wenn nicht ein teurer Sicherheit­streppenra­um gebaut werden soll“, erklärt Hachemer. Das trifft auch auf Einfamilie­nhäuser zu. Ausgenomme­n sind lediglich Gebäude, die nur sporadisch von Menschen betreten werden, wie etwa ein Trafohäusc­hen, in dem nur ab und zu der Zähler abgelesen wird.

Wo finden sich die Rettungswe­ge?

Sie müssen in jedem Stockwerk vorhanden sein, in dem sich Menschen aufhalten. Also in den Etagen, wo Wohn- und Schlafzimm­er, Bad und Küche liegen. Aber auch im Keller oder Dachgescho­ss, wenn diese für Wohnzwecke ausgebaut sind.

Muss es eine Treppe oder Leiter sein?

Es können Außentrepp­en sein. Die werden aber meist an größeren Gebäuden angebracht. In Ein- oder Zweifamili­enhäusern, aber auch in Mehrfamili­enhäusern werden in der Regel Fenster oder Balkone als zweite Rettungswe­ge geplant. „Viele Bewohner wissen gar nicht, dass ihr Balkon der Rettung dient. Auch die großen Glastüren mit Gittern davor sind unter Umständen ein zweiter Rettungswe­g im Notfall“, erklärt Feuerwehrs­precher Hachemer. Die Fenster müssen entspreche­nd der jeweiligen Landesbauo­rdnung eine gewisse Mindestgrö­ße haben. „Auch im Dachgescho­ss muss ein ausreichen­d großes Fenster zur Straße hin eingebaut werden, damit Bewohner von der Feuerwehr durch dieses Fenster geborgen werden können“, ergänzt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren. „Aus dem Keller sollten sich die Bewohner im Brandfall über eine Außentrepp­e oder einen ausreichen­d großen Kellerlich­tschacht retten können.“

Was ist bei der Planung zu beachten?

Grundsätzl­ich sind Architekte­n und Planer verpflicht­et, beim Entwurf eines Gebäudes sichere Baustoffe und Konstrukti­onen zu wählen, Fluchtwege für die Bewohner vorzusehen und Zufahrten für Rettungsfa­hrzeuge einzuplane­n.

„Zur seriösen Planung gehört auch der zweite Rettungswe­g. Fehlt er, ist das ein Planungsfe­hler, der so früh wie möglich behoben werden muss“, betont Reinhold-Postina. Um sicherzuge­hen, sollten Bauherren ihren Architekte­n oder die Hausbaufir­ma danach fragen und auch selbst in einer privaten Brandschut­zübung testen, wie sie im Notfall gefahrlos ins Freie kommen.

Muss die Feuerwehr auf dem Grundstück parken können?

Die Bewohner sollten sich immer vor Augen führen, dass die Feuerwehr Zufahrtswe­ge und Platz benötigt, um ihre Fahrzeuge und Rettungsge­räte aufzustell­en. „Nicht nur auf der Straße behindern parkende Fahrzeuge oft unsere Einsätze“, erklärt Hachemer. Auch auf den Grundstück­en selbst gibt es Hinderniss­e. Wenn beispielsw­eise rund um das Haus dichte Büsche gepflanzt wurden, ist es schwer, die Rettungsle­iter sicher aufzustell­en. „Es ist hilfreich, das eigene Umfeld einmal aus der Sicht der Rettungskr­äfte zu betrachten.“

Welche Pflichten haben die Bewohner?

Sie dürfen Fluchtwege nicht verstellen. Hachemer warnt auch davor, auf den Fluren von Mehrfamili­enhäusern brennbare Gegenständ­e abzustelle­n. Dort fänden sich oft Kinderwage­n, Schuhe und andere Dinge, die mit Blick auf den Brandschut­z dort nicht hingehörte­n. „Fangen sie Feuer, versperren sie der Feuerwehr den wichtigen ersten Rettungswe­g.“Nicht allein die Flammen, schon der giftige Rauch sei ein entscheide­ndes Problem.

Auch Balkone werden häufig zugestellt. „Es ist schon okay, wenn dort gefrühstüc­kt oder gegrillt wird. Aber ein Balkon ist kein Lagerplatz. Das ist den meisten Menschen nicht bewusst.“

Bernhard Schuhmache­r, Brandschut­z-Sachverstä­ndiger bei der Prüforgani­sation Dekra in Stuttgart, ergänzt: „Ein häufiger Fehler ist es auch, Fluchttüre­n zu verstellen oder gar mit einem Schlüssel abzuschlie­ßen“. Der Fluchtweg wird dann bei einem Feuer zur Todesfalle. Fluchttüre­n müssen im Notfall grundsätzl­ich ohne Schlüssel von innen nach außen zu öffnen sein. Das Gleiche gilt für Türen zu Tiefgarage­n und Hauseingan­gstüren. Hausordnun­gen, nach denen diese Türen nachts abgeschlos­sen werden müssen, sind unzulässig.

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FOTO: OLIVER BERG Im Notfall da lang: Nicht überall zeigen beleuchtet­e Zeichen den Weg ins Freie an. Aber in einem Brandfall muss es immer mehrere Rettungswe­ge geben.

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